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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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der Fahnenjunker 16 Taler, damals
    sehr große Summen. In demselben Jahre brach auch
    die Pest aus. In Neuruppin starben 1600, in Lindow
    400 Menschen. Jeremias Ludwig, nachheriger Predi-
    ger zu Banzendorf, war damals auf der Ruppiner
    Schule und hat im genannten Jahre 800 an der Pest
    Gestorbene öffentlich zu Grabe gesungen. 1632 war
    das Land so unsicher, daß die Ruppiner, als sie ihren
    neuen Rektor von Pritzwalk abholen ließen, zuvor um
    eine Sauvegarde von kurfürstlichen Reutern baten.

    734
    1634 kam das kursächsische Kavallerieregiment des
    Obristlieutenants von Rochow, auf kurfürstlichen
    Befehl, nach Ruppin in Garnison; im Dezember 1635
    aber rückte Feldmarschall Banér mit seinen Schwe-
    den in Stadt und Grafschaft ein, nachdem er die
    Sachsen und Kaiserlichen bei Dömitz geschlagen
    hatte. Zwei Generalstäbe, die hohen Offiziers der
    ganzen Armee, das Zabeltitzsche Infanterieregiment
    und vier Brigaden zu Fuß, jede Brigade zwei Com-
    pagnien stark, erhielten ihre Quartiere in Neuruppin.
    Die Not war bei dem zügellosen Verhalten der Solda-
    ten so groß, daß es zuletzt an allem fehlte. Sogar
    Abendmahlswein war nicht mehr in Ruppin zu haben.
    Man mußte einen Boten deshalb nach Wittstock schi-
    cken; aber geplündert kam er zurück.
    Im September folgenden Jahres (1636) erschien der
    kaiserliche Generalfeldzeugmeister Marazin im Rup-
    pinschen und behandelte die Stadt ziemlich milde.
    Nach ihm kamen die Sachsen unter Generalmajor
    von Wolframsdorf und »raubten und plünderten wie
    gewöhnlich«. Den Sachsen folgte der kaiserliche Ge-
    neral Graf Hans von Götz.
    Dann kam wieder ein Pestjahr. Im Juli und Au-
    gust 1638 griff sie am weitesten um sich. Ganze Fa-
    milien, ganze Straßen, ganze Dörfer starben weg. In
    dem bereits entvölkerten Ruppin, das vielleicht kein
    Drittel seiner Einwohner mehr hatte, wurden aber-
    mals 600 Menschen begraben. Sehr viele wanderten
    aus. Die Zurückgebliebenen rissen die ledig stehen-
    den Häuser ein, um Holz zu erhalten. Alles verwilder-
    te. In Gransee starben 551 Menschen, nach der An-

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    gabe des Totengräbers aber wenigstens 1000, da
    viele heimlich eingescharrt wurden. Die Adligen und
    die Prediger flüchteten nach den Städten und fanden
    auch dort ihren Tod.
    So war die Lage des Landes beschaffen, als der kai-
    serliche General Graf Gallas mit seiner 60 000 Mann
    starken Armee von Malchin, aus dem Mecklenburgi-
    schen, heranrückte, um die Schweden von der Elbe
    und Havel zu vertreiben. Plünderung, Brand und
    Mord bezeichneten jeden seiner Schritte. Nun wettei-
    ferten Pest und unmenschliche Barbarei, das Land
    Ruppin in eine der ödesten Wüsteneien umzuwan-
    deln.1) Alles floh nach Ruppin und Wusterhausen,
    wohin sich Gallas wegen der noch nicht ganz ge-
    dämpften Pest nicht getraute, und haufenweise star-
    ben die unglücklichen Schlachtopfer vor den Städten
    an der Mauer. Am 5. Oktober rückte er endlich in die
    Stadt Ruppin ein und erpreßte von den armen Be-
    wohnern, was die verödeten und rauchenden Hütten
    der Landleute nicht mehr leisten konnten. Arme Leu-
    te mußten Eichelbrot essen, und Kaspar von Zieten
    erzählt, daß man sich auf dem Markte in Neuruppin
    um eine tote Katze gezankt habe. Bei ihrem Abzuge
    setzten die Kaiserlichen unter Gallas ihren Schandta-
    ten die Krone auf: sie verließen Ruppin und steckten
    an einem Tage das Städtchen Wildberg und achtund-
    zwanzig Dörfer in Brand.

    736
    Die Gottberger Kirchenbücher
    Diese »Gallassche Zeit« nun oder, mit andern Wor-
    ten, diese durch vier Wochen hin systematisch be-
    triebene Verwüstung des ruppinschen Landes ist es,
    die von zeitgenössischer Hand in den Gottberger
    Kirchenbüchern ihre Schilderung gefunden hat.
    Der Aufzeichnende war Emanuel Collasius (Kohlha-
    se), Prediger in dem benachbarten Dorfe Protzen,
    das er, infolge der totalen Verödung dieses Ortes,
    verließ, um sich nach Gottberg (wo er geboren war)
    zu begeben. Erst nach etwa Jahresfrist wurde er, da
    an Rückkehr nach Protzen nicht zu denken war, Pre-
    diger in seinem Geburtsdorfe Gottberg und schrieb in
    die dortigen Kirchenbücher seine und des Ruppiner
    Landes Leidensgeschichte ein.
    Diese beiden Bücher sind:
    1. ein Kirchen- Rechnungsbuch und
    2. ein eigentliches Kirchenbuch.
    Das Kirchen-Rechnungsbuch, ein Folioband, ist aus
    dem Jahre 1587 und enthält auf der vordersten Sei-
    te, die zu diesem Behuf in Gebrauch blieb, die Na-
    men der gottbergschen Prediger von 1581 bis jetzt.
    Das Buch

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