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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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siehst.
    Schiller
    Die Trauerglocke läutet
    Vom Dorfe her.
    Wir wissen, was es deutet:
    Sie ist nicht mehr.
    Fouqué

    Von Lindow kommend, fahren wir jetzt Gransee, der
    östlichsten Stadt der Grafschaft , zu. Von ihren früheren Tagen erzählt uns ein Baudenkmal, das sich be-
    reits 1000 Schritte vor der Stadt erhebt:
    Die »Warte« bei Gransee
    Sie steht auf dem höchsten Punkte der Umgegend,
    dem »Warte- Berg «. Junge Fichten und dichtes Kus-selwerk, drin der Sandhase sein Lager hat, bedecken
    ihn an seinen Abhängen, und nur der abgeplattete

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    Gipfel ist kahl. Hier erhebt sich die »Warte«, von
    fernher einem modernen Fabrikschornsteine nicht
    unähnlich, bis man im Näherkommen den bedeuten-
    deren Durchmesser erkennt. Es ist ein etwa 100 Fuß
    hoher Rundturm, aus Feldstein und sieben senkrecht
    stehenden Backsteinrippen derartig aufgeführt, daß
    bei der Aufmauerung immer erst die Rippen um einige Fuß erhöht wurden, ehe man wieder mit Feldstein
    zu füllen begann. Wie alt der Turm ist, stehe dahin.
    Ich möcht ihn frühstens in den Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts setzen.
    Der gleichen Ansicht scheint nun freilich W. Alexis
    nicht gewesen zu sein, als er ebendiesen Warte-
    Turm in seinem berühmten Romane »Der falsche
    Waldemar« zum Schauplatz eines Hergangs aus dem
    Jahre 1348 machte. Diesen Hergang selbst erzählt er
    annähernd wie folgt.
    Gransee hatte selbstverständlich seine Fehden mit
    dem benachbarten Adel, und zur Waldemar-Zeit wa-
    ren es vorzugsweise die Winterfeldts und die Quaste,
    mit denen es sich bekriegte. Tile Quast wird eigens
    genannt, ebenso Tacke de Wons und Hans Lüddecke
    vom roten Haus. Im Jahre 1348 handelte sich's von
    seiten dieser drei um nicht mehr und nicht weniger
    als einen Überfall der Stadt; solcher war aber nur
    möglich, wenn es vorher glückte, den auf der Warte
    stationierten Stadtwächter, Mathis mit Namen, ein-
    zuschläfern. Dies zu bewerkstelligen, kam man über-
    ein, daß ein als Kärrner verkleideten Knecht, der ein
    Stückfaß Wein auf seinem Karren habe, die vorüber-
    führende Straße passieren und am Fuß der Warte

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    halten solle, wie wenn es sich um Ausbesserung ei-
    nes Schadens an Rad oder Achse handle. Und so
    geschah es auch. Der Karren hielt. Mathis, der sich
    langweilen mochte, wie noch heute die Schildwachen
    tun, ging ohne Besinnen in die Falle, stieg die Wen-
    deltreppe hinunter und bot sich an, bei dem anschei-
    nend verunglückten Wagen mit zu helfen. Dabei fan-
    den beide, daß der Wein für die Granseer viel zu
    stark sei. Sie spundeten also auf, tranken ein Erheb-
    liches und füllten mit Wasser nach. Dies geschah
    aber erst ganz zuletzt, und Mathis fiel gleich danach
    in tiefen Schlaf.
    Als er andren Tags bei schon hoch stehender Sonne
    wach ward und Umschau hielt, sah er den ganzen
    zwischen seinem Turm und der Stadt liegenden Plan
    von Bewaffneten überdeckt; in der Tat, der Überfall
    hatte bereits stattgefunden. Er war aber doch inso-
    weit mißglückt, als die Eingedrungenen wieder hin-
    ausgedrängt und einige von ihnen sogar zu Gefange-
    nen gemacht worden waren. Unter diesen Hans Lüd-
    decke vom roten Haus.
    Die Ratmannen ließen nun keine Zeit vergehen, über
    diesen (Hans Lüddecke) zu Gericht zu sitzen, aber
    nicht bloß über ihn , sondern auch über ihren eignen Turmwart, dessen Unzuverlässigkeit alle Not und
    Gefahr verschuldet hatte. Man sprach Tod »von
    Rechts wegen«, einigte sich aber schließlich dahin,
    daß beide nach der »Warte« gebracht und ihnen zu-
    gestanden werden solle, hoch oben auf der Plattform
    miteinander zu kämpfen. Wer Sieger bleibe, der solle

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    frei sein, wer aber hinabgeworfen würde, der habe
    seine Strafe nach »Gottes Willen«.
    Und hiernach wurde verfahren. Hans Lüddecke und
    Wächter Mathis kamen in den Turm, und die halbe
    Bürgerschaft zog mit hinaus, um Zeuge eines Ring-
    kampfes und eines Gottesurteiles zu sein. Aber wer
    beschreibt ihr Staunen, als sie bald danach die Ver-
    urteilten friedfertig auf der Platte des Turmes er-
    scheinen und, statt miteinander zu kämpfen, sich zu
    einem aus Mathis' Vorratskammer herbeigeschafften
    Nachtmahle niedersetzen sahen. Diese gute Laune
    freute selbst die Granseer, und um so mehr, als sie
    sich unschwer das Ende davon berechnen konnten.
    In der Tat, als der fünfte Tag heraufzog, sah es
    schlimm aus in den Vorräten und noch schlimmer in
    den Herzen der beiden Gefangenen. Aber auch hier
    wieder hieß es, »als die Not am

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