Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
aber
    jenseits derselben, wo sich die Schmalung zwischen
    dem Gudelack- und dem Wutz-See wieder zu weiten
    beginnt, werden wir, nach rechts hin, eines Konglo-
    merates von Häusern und Ruinen ansichtig, um wel-
    ches sich eine niedrige Steinumwallung: die Einfrie-
    digung von Kloster Lindow, zieht. Wir lassen halten, überklettern die gerad an dieser Stelle weder Tür
    noch Pforte zeigende Mauer und befinden uns auf
    einer von prächtigen alten Bäumen überragten Park-
    wiese , die, den verschiedensten Bestimmungen dienend, all ihre Verschiedenheiten wieder in eine höhe-
    re Einheit zusammenfaßt.
    Die schönsten Teile dieser Parkwiese sind die, wo
    begraben wird. Von dem richtigen Gefühl ausgehend,
    daß Leben und Tod Geschwister sind, die sich nicht
    ängstlich meiden sollen, hat man hier die Spiel- und Begräbnisplätze dicht nebeneinander gelegt, und dieselben Blumen blühen über beide hin. Aber der
    Tod, so gemütlich er mit dem Leben zu leben weiß,
    hat doch innerhalb seiner eignen Gebiete nicht ganz
    auf Scheidungen und Standesunterschiede verzich-

    754
    tet, die nun, so scheint es, Zeugnis ablegen sollen,
    daß wir uns hier auf dem Grund und Boden eines
    adligen Fräuleinstiftes befinden. Im Leben »leben
    und leben lassen«, aber im Tode – Rangordnung! So
    begegnet man denn Steinen und Grabkreuzen an
    drei verschiedenen Punkten des Parkes, und wäh-
    rend die Dienstleute samt den Beamten an einer, die Gäste des Klosters an einer andern Stelle ruhn, ist den Stiftsdamen eine dritte Stelle vorbehalten
    geblieben. In zwei Reihen, zu beiden Seiten einer
    alten Rüsterallee, liegen sie hier in hoch aufgemau-
    erten Gräbern, von denen übrigens keines über den
    Anfang des vorigen Jahrhunderts zurückreicht. In
    deutlichen Buchstaben sprach nur noch das Grab der
    letztverstorbenen Domina zu mir, stattlicher aber
    war ein älterer Stein, unter dem (wenn ich das Wap-
    pen richtig erkannt) eine von Pannewitz ihren letzten
    Schlummer schlief.
    Auf dieses Epitaphium, das einen guten Überblick
    versprach, stieg ich hinauf und übersah nun, ein
    paar Zweige zurückbiegend, die ganze Klosteranla-
    ge: nach links hin der von Lindengängen eingefaßte
    See, zwischen uns und ihm ein buntes Durcheinan-
    der von Blumen- und Gemüsegärten und, mitten
    hineingestellt in diese , das villenartige Haus der Domina, dicht grenzend mit einem in Trümmern liegen-
    den Langbau, der sehr wahrscheinlich einst das Re-
    fektorium des alten Klosters ausmachte. Jetzt ist es
    Wirtschaftshof, Eis- und Vorratskeller der drei, vier
    Damen, die hier ihre Tage leben und beschließen,
    und jeder Zauber wäre dieser Verfallstätte längst abgestreift, wenn nicht die hohen, stehengebliebe-755
    nen Giebelwände wären, mit ihren gotischen Nischen
    und Fenstern und ihrem Storchennest darauf.
    Eine Viertelstunde lang hielt ich Umschau von dem
    Pannewitz-Grabstein aus; dann, auf einem Schlän-
    gelpfade den See gewinnend, schritt ich langsam
    einen Ufer- und Lindengang hinunter, bis ich mich
    unerwartet und plötzlich fast inmitten einer völlig
    veränderten Szenerie sah. Beete mit eingemusterten
    Blumen lagen wie Teppiche vor mir ausgebreitet, aus
    dem Mittelrondell stiegen Büsche von Ricinus und
    Canna indica auf, Wein und Pfirsich lachten am Spa-
    lier, und abwechselnd liefen Lauben von Geißblatt
    und Pfeifenkraut an der einen Seite des Gartens hin,
    während an der anderen ein Drahtzaun, leicht wie
    ein ausgespanntes Fischernetz, die Anlage schloß.
    War dies noch Klostergrund? Nein. Aus mittelalterli-
    chen Überbleibseln heraus war ich in eine modern-
    bürgerliche Welt eingetreten, und ein reicher, in An-
    lagen und Gartenkunst erprobter »Propriétaire«
    stickte hier mit eigner Hand diese Blumenmuster in
    den Rasenteppich und gefiel sich darin, in richtiger
    Benutzung des Erworbenen, auch dem , »was wohltut und gefällig ist«, zu dienen.
    Ein Reichtum, der zur Pflege des Schönen führt, erfreut immer wieder mein Herz und tat es auch hier .
    Aber beinah wohltuender noch berührte mich die
    Wahrnehmung, daß das Fehlen einer Grenz- und
    Scheidelinie zwischen Klostergrund und Gartenanlage
    wenigstens an dieser Stelle kein bloßer Zufall war.
    Diese Scheidelinie fehlte, weil der Trennungsstrich
    auch in den Herzen nicht vorhanden ist und der Be-756
    sitzer des Gartens Frieden und Freundschaft hält mit
    den Klosterfrauen von drüben.

    Gransee

    Steig auf die Warte dort, die nach dem Feld
    Hinblickt, und sag uns, was du

Weitere Kostenlose Bücher