Wanderungen durch die Mark Brandenburg
viele Bürgerliche in die Rittergüter
und in die Armee einrückten. Diese Tatsache
ist längst bekannt, aber sie ist, soviel ich
weiß, auf ihre Ursache hin noch nicht befragt
worden. War es lediglich eine Folge des Drei-
ßigjährigen Krieges, der die Rittergüter ent-
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völkert hatte, oder lagen dem allem auch An-
schauungen und Prinzipien zugrunde? Wir
standen, wie später unter dem Einfluß des
Französischen, so damals entschieden unter
dem Einfluß des republikanisch Holländischen .
Vielleicht liegt hierin eine teilweise Erklärung.
Lindow
Wie seh ich, Klostersee, dich gern!
Die alten Eichen stehn von fern
Und flüstern, nickend, mit den Wellen.
*
Und Gräberreihen auf und ab;
Des Sommerabends süße Ruh
Umschwebt die halbzerfallnen Grüfte.
Lindow ist so reizend wie sein Name. Zwischen drei
Seen wächst es auf, und alte Linden nehmen es un-
ter ihren Schatten.
Seine Vorgeschichte versagt; alles Archivalische
ward ein Raub der Flammen, und nur mit hoher
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Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, daß das Kloster
eher da war als die Stadt.
Kloster Lindow wurde gegen Ende des zwölften oder Anfang des dreizehnten Jahrhunderts von dem Grafen Gebhard von Ruppin und Lindow als ein Prä-
monstratenser-Nonnenkloster gegründet und emp-
fing zu Ehren des Stammhauses der Familie (Lindow
im Anhaltischen) seinen Namen.
Die Stadt entstand aus Ansiedlungen; Handwerker und Ackersleute kamen, die den Schutz des Klosters
suchten. Und diese Beziehungen blieben durch alle
Jahrhunderte hin und überdauerten den Bestand des
Klosters bis in unsere Tage hinein. 1574 wurde dem lutherischen Rektor sein Gehalt ansehnlich erhöhet,
»weil er, zu seinen geringen Einkünften, nur einen
freien Tisch auf dem Klosterhofe habe«, und
noch 1748 schenkte die Konventualin Anna Juliane
von der Kettenburg 100 Taler an die Stadt mit dem
Bedingnis, »daß von den Zinsen dieser Summe das
Schulgeld für arme Kinder bezahlt werde«. Welchen
beiden Notizen wir, außer dem Fortbestande guter
Beziehungen zwischen dem Kloster und dem städti-
schen Gemeinwesen, auch gleichzeitig entnehmen
können, daß man finanziell in Stadt Lindow nicht auf Rosen gebettet war.
Auch im Kloster war man es, aller Guttaten unerachtet, nicht mehr, seit im Jahre 1542 die Säkularisation und die Umwandlung der Klostergüter in kurfürstliche Domainen begonnen hatten. Zwanzig Jahre vor-
her, beim Erlöschen des gräflichen Hauses Ruppin,
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hatte das Kloster auf seiner Höhe gestanden. Es war
damals eines der reichsten Stifter in der Mark und
besaß außer der Stadt Lindow achtzehn Dörfer,
zwanzig wüst liegende Feldmarken, neun Wasser-
mühlen und alle die Seen, die teils innerhalb des
Großen Menzer Forstes, teils am Rande desselben
gelegen sind, darunter auch den Großen Stechlin.
Die Gesamtbodenfläche, die damals dem Jungfrau-
enkloster zugehörte, darf man auf vier Quadratmei-
len schätzen, reichte mithin, wie Bratring spöttisch
schreibt, »vollkommen aus, um fünfunddreißig Non-
nen, einer Äbtissin und einem Propst ein einigerma-
ßen gemächliches Leben zu sichern«. Man kann dies
zugeben, aber es den Bevorzugten auch neidlos gön-
nen, und zwar um so lieber und leichter, als ihr
Glück, von jenem Kulminationspunkt an gerechnet,
nur noch von kürzester Dauer war. Es ging galoppie-
rend zu Ende. Wohl war am Heiligendreikönigstage
1530 den lindowschen Nonnen ihr Besitz zu »ewigem
Eigentum« aufs neu bestätigt worden, aber ehe noch
die Mitte des Jahrhunderts heran war, war die Säku-
larisation bereits ausgesprochen und das »ewige Ei-
gentum« verflogen. Aus dem Kloster Lindow wurde
nunmehr ein »Fräuleinstift zu Lindow«, und an die
Stelle der Äbtissin und ihrer fünfunddreißig Nonnen
trat eine Domina mit vier Fräuleins; das Gesamtein-
kommen aber sank allmählich auf 1000 Taler und
das Grundeigentum von vier Quadratmeilen auf –
100 Morgen.
Unter den Dominas, soweit ihre Namen überhaupt
noch auf uns gekommen sind, finden wir fast aus-
schließlich Adelsnamen aus Ruppin und Havelland:
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Elisabeth von Zieten 1557, Anna von Gühlen 1625,
Katharina von Döberitz 1685, Anna Hedwig von
Fratz 1709, Maria Elisabeth von Quast 1736, Ilse
Margarete von Rochow und Anna Elisabeth von Bre-
dow, letztere beide ohne Zahlenangabe.
Unser Weg führt uns von Alt Ruppin auf Lindow zu.
Die nur durch ihre Lage reizende Stadt kann uns durch ihre Straßen und Plätze nicht fesseln,
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