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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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nur das wenige, was ich über die
    alten wendischen Bruchdörfer und ihre Bewohner als direkte Schilderung aus älterer Zeit her habe auffinden können.
    »Die Dörfer im Bruch« – so sagt eine in Buchholtz'
    »Geschichte der Kurmark Brandenburg« abgedruckte
    Schilderung (Vorrede zu Band II) – »lagen vor der
    Eindeichung und Neubesetzung dieses ehemaligen
    Sumpflandes auf einem Haufen mit ihren Häusern, das heißt also, weder vereinzelt noch in langgestreckter Linie, und waren meistens von gewaltigen, häuserhohen, aus Kuhmist aufgeführten Wällen umzingelt, die ihnen Schutz vor Wind und Wetter und
    vor den Wasserfluten im Winter und Frühling ge-
    währten und den Sommer über zu Kürbisgärten
    dienten. Den übrigen Mist warf man aufs Eis oder ins
    Wasser und ließ ihn mit der Oder forttreiben. Einzeln
    liegende Gehöfte, deren jetzt viele Hunderte vorhan-
    den sind, gab es im Bruche nicht ein einziges. Im
    Frühling, und sonderlich im Mai, pflegte die Oder die
    ganze Gegend zu zehn bis zwölf, ja vierzehn Fuß

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    hoch zu überschwemmen, so daß zuweilen das Was-
    ser die Dörfer durchströmte und niemand anders als
    mit Kähnen zu dem andern kommen konnte .« (Da-
    für, daß das ganze Bruch damals sehr oft unter Was-
    ser stand und keine andere Kommunikation als mit-
    telst Kahn zuließ, spricht auch die Einleitung zu der vorstehenden Schilderung. Diese lautet: »Ich habe
    das Bruch unzähligemal durchreist, sowohl ehedem
    zu Wasser als auch jetzt, nachdem es urbar gemacht worden ist, zu Lande.«)
    Diese Beschreibung, kurz, wie sie ist, ist doch das
    Beste und Zuverlässigste, was sich über den Zustand
    des Bruchs, wie es vor der Eindeichung war, beibringen läßt. Der neumärkische Geistliche, von dem die
    Schilderung herrührt, hatte die alten Zustände wirk-
    lich noch gesehn , und so wenig das sein mag, was er in dieser seiner Beschreibung beibringt, es gibt doch
    ein klares und bestimmtes Bild. Wir erfahren aus
    diesem Briefe dreierlei: 1. daß das Bruch den größ-
    ten Teil des Jahres über unter Wasser stand und nur
    zu Wasser passierbar war; 2. daß auf den kleinen
    Sandinseln dieses Bruchs Häusergruppen (»in Hau-
    fen «, sagt der Briefschreiber) lagen, die uns also die Form dieser wendischen Dörfer veranschaulichen;
    und 3. daß es kleine schmutzige Häuser, entweder
    aus Holzblöcken aufgeführt oder aber sogenannte Lehmkaten , waren, die meistens von Kuhmistwällen gegen das andringende Wasser verteidigt wurden.
    Man hat dies Bild durch die Hinzusetzung vervoll-
    ständigen wollen, »daß also nach diesem allen die
    alten wendischen Bruchdörfer den noch jetzt existie-

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    renden Spreewalddörfern mutmaßlich sehr ähnlich
    gewesen wären«, und wenn man dabei lediglich den
    Grundcharakter der Dörfer ins Auge faßt, so wird sich gegen einen solchen Vergleich wenig sagen lassen. Die Spreewäldler sind Wenden bis diesen Tag;
    sie leben zwischen Wasser und Wiese, wie die O-
    derbrücher vor hundert Jahren, und ziehen einen
    wesentlichen Teil ihres Unterhalts aus Heumahd und
    Fischfang; sie leben in stetem Kampf mit dem Ele-
    ment; sie unterhalten ihren Verkehr ausschließlich
    mittelst Kähnen (der Kahn ist ihr Fuhrwerk), und ihre
    Blockhäuser, zum Beispiel in den zwei Musterdörfern
    Lehde und Leipe, sind bis diesen Tag von Kuhmist-
    wällen eingefaßt, die, ganz nach dem Bericht unsres neumärkischen Geistlichen, halb zum Schutz gegen
    das Wasser, halb zu Kürbisgärten dienen. Daß der
    Spreewäldler jetzt statt der Kürbisse die besser ren-
    tierenden Gurken etc. zieht, macht keinen Unterschied.
    Der oben mitgeteilte Brief hat uns ziemlich anschau-
    lich die Lokalität der alten Oderbruchdörfer gegeben;
    die Frage bleibt noch: Wie waren die Bewohner nach
    Charakter, Sitte, Tracht?
    Zunächst ihr Charakter . Wie gut auch das Zeugnis ist, das noch jetzt an einigen Stellen des Oderbruchs
    den Überresten der wendischen Bevölkerung im Ge-
    gensatz zu den »Pfälzern« ausgestellt wird, so ist es
    doch nicht sehr wahrscheinlich, daß es vor hundert
    Jahren und darüber mit diesen von der Welt abge-
    schnittenen, von jeder Idealität losgelösten Existen-
    zen etwas Besonderes auf sich gehabt habe. Es wa-

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    ren vielleicht gutgeartete, aber jedenfalls rohe, in
    Aberglauben und Unwissenheit befangene Gemein-
    schaften1), die trotz ihres christlichen Bekenntnisses
    mit den alten Wendengöttern nie recht gebrochen
    hatten. Der Aberglaube hatte in diesen Sümpfen eine
    wahre

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