Wanderungen durch die Mark Brandenburg
für viele Bewohner des Mittelbruchs eine wenig wünschenswerte Sache. Alles
wurde indessen glänzend hinausgeführt. Die wach-
sende Wassermasse der neuen Oder schuf keine Gefahren, oder man wußte doch diesen Gefahren zu
begegnen, und, was ebenfalls wichtig war, eine ab-
solute Trockenlegung der alten Oder erfolgte durch
Vorschiebung jenes Riegels ebensowenig, wie sie
siebzig Jahre früher durch Grabung des neuen Oder-
bettes erfolgt war. Die Anwohner, namentlich in den
an der alten Oder gelegenen Städten Wriezen und Freienwalde, erfreuen sich nach wie vor einer Wasserverbindung, da teils das Grundwasser, teils auch
ein geschicktes, alle Bruchgewässer sammelndes
Kanalsystem das Bett der alten Oder, trotz der Cou-
pierung (Zuschüttung) bei Güstebiese, mit Wasser
speist. Ausbaggerungen und Tieferlegung des Betts
halfen nach.
Man darf sagen, daß sich die Herstellung eines ge-
radlinigen und dadurch verkürzten Oderbetts (»die
neue Oder«) in allen Punkten bewährt hat, nur viel-
leicht in dem einen nicht, den man dabei zunächst und vorzugsweise im Auge hatte. Man hatte, wie
schon angedeutet, von diesem neuen, kürzeren Bett
eine Verbesserung des Oderfahrwassers erwartet
und gehofft, daß das raschere Fließen des Wassers
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an dieser Stelle das Flußbett vertiefen, den Strom
einengen, konzentrieren und dadurch die Stromkraft
steigern werde. Dies alles ist wenig oder gar nicht in
Erfüllung gegangen. Der vielfach versandete Fluß ist
nach wie vor mehr breit als tief, die Schiffahrt nach
wie vor schwierig, oft ganz unterbrochen, und sogar
die Kanalanlage selbst hat ihren ursprünglichen Cha-
rakter zum Teil verloren und ist breiter und infolge
davon wieder flacher und sandiger geworden.
Ad 2. Die zweite Aufgabe war die Anlegung von
» tüchtigen Dämmen «. Das sogenannte Oberbruch,
wie wir gesehen haben, hatte solche Dämme schon.
Es handelte sich also vorwiegend um Eindämmung
des Niederbruchs , eine Aufgabe, die dadurch so
kompliziert wurde, daß nicht nur die »neue Oder«
auf ihrer Strecke von Küstrin bis Saaten, sondern vor
allem auch die sich in weiten Windungen durch das
Land ziehende »alte Oder« eingedämmt werden
mußte. Große Anstrengungen und große Geldsum-
men waren dazu erforderlich. Endlich glückte es. Die
Gesamtstrecke der hier im Nieder-Oderbruche ange-
legten Deiche beträgt über zehn Meilen. Diese Dei-
che waren nicht gleich anfangs, was sie jetzt sind,
weder an Höhe noch Festigkeit. So kam es, daß auch
nach Anlage derselben verschiedene große Über-
schwemmungen stattfanden, zum Beispiel 1786
und 1838. Auch jetzt noch ist die Möglichkeit solcher
Überschwemmungen nicht ausgeschlossen: ein
Dammbruch kann stattfinden, oder die Höhe des
Wassers kann die Höhe der Dämme übersteigen.
Indessen verringert sich diese Möglichkeit von Jahr
zu Jahr, da die Dämme, wie nach immer verbesser-
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ten fortifikatorischen Prinzipien gemodelte Festun-
gen, alljährlich an Ausdehnung und Widerstandskraft
gewinnen.
Ad 3. Die dritte Aufgabe war, das Binnenwasser abzufangen. Dies war kaum minder wichtig als die An-
legung der Dämme. Die Dämme schützten gegen die
von außen her hereinbrechenden Fluten; aber sie konnten nicht schützen gegen das Wasser, das teils sichtbar in Sümpfen, Pfuhlen und sogenannten »fau-len Seen« dastand, teils als Grundwasser unter dem
Erdreich lauerte, jeden Augenblick bereit, zu wach-
sen und an die Oberfläche zu treten. Um diesem Ü-
belstande abzuhelfen, ohne den eine eigentliche Tro-
ckenlegung nicht möglich war, bedurfte es eines
ausgedehnten Kanalsystems . Auch ein solches wurde geschaffen. Zahllose Abzugsgräben, kleine und große
und unter den verschiedensten Namen, wurden her-
gestellt, die sämtlich in den sogenannten »Landgra-
ben« und mittelst desselben, an Wriezen und Frei-
enwalde vorüber, in die »neue Oder« mündeten.
Zum Teil sind es auch wohl diese Gräben, die das
tiefer gelegene Bett der »alten Oder« mit Wasser
speisen und dasselbe vor völligem Austrocknen
schützen. Dies ganze Kanalsystem, ebenso wie die
Verwallung, ist im Lauf der Jahrzehnte vielfach ver-
bessert worden, und weite Strecken, die noch vor
vierzig Jahren eine durchaus unsichere Heuernte
gaben, zeigen jetzt um die Sommerzeit die schöns-
ten Raps- und Gerstenfelder.
Das Wesentliche dieser Arbeiten – die selbstver-ständlich nie ganz ruhten und bis diesen Tag fortge-
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setzt werden – war
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