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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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bereits vor Ausbruch des Sieben-
    jährigen Krieges beendet.1) Niemand ahnte damals,
    was im Laufe der Zeit durch den Einfluß von Luft und
    Sonne, durch den Fleiß der Bewohner, durch Ver-
    stärkung der Dämme, durch Erweiterung und besse-
    re Richtung der Abzugsgräben aus diesem Landestei-
    le werden würde – man hielt es überwiegend nur
    zum Graswuchs und zur Weide geeignet. Der Brief
    eines Reisenden, der das Bruch im Jahre 1764 pas-
    sierte, gibt Auskunft darüber. Der Brief lautet:
    »So angenehm auch diese Gegend geworden (denn
    es ist die ebenste Pläne, die Wege mit Weiden be-
    setzt, wie auch die Deiche, und zwar mit mehreren
    Reihen, nicht nur auf dem Kamm, sondern auch auf
    der Böschung zu beiden Seiten, damit sie von den
    verwachsenen Wurzeln eine mehrere Festigkeit be-
    kommen), so haben die neuen Dörfer doch mehrfach
    schon durch Überschwemmung gelitten, so daß man
    mit Kähnen die Einwohner retten oder ihnen doch,
    da sie auf die Böden ihrer Häuser geflüchtet, zu Hül-
    fe kommen mußte. Der eingedeichte Acker dürfte
    wohl mit der Zeit der Wische in der Altmark ähnlich
    werden; aber noch ist er es nicht... In den ersten
    Jahren gab der Roggen fast gar kein Mehl, sondern
    lauter Kleie, und die Gerste taugte gar nicht zu Malz,
    weil es lauter Lagerkorn gewesen war.«
    Seitdem ist es unser eigentliches Gerstenland geworden. Neuerdings blüht in ihm die Rübenkultur.
    Große Zuckerfabriken existieren auf den Ämtern, und
    immer neue Unternehmungen treten ins Leben. Der
    Anblick dieses fruchtbaren Landesteiles aber ruft

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    immer wieder die Worte des großen Königs in unser
    Gedächtnis zurück: »Hier hab ich im Frieden eine Provinz erobert.«

    1. Es heißt, Friedrich der Große habe bei seinem
    berühmten Flankenmarsche, der der Schlacht
    von Zorndorf vorherging (vergleiche »Zorn-
    dorf«), bereits Vorteile von der veränderten,
    das heißt mehr passierbaren Gestalt des
    Bruchs gezogen. Dies ist jedoch höchstwahr-
    scheinlich eine zu Ehren des Bruchs und sei-
    ner Melioration erfundene Geschichte, da die
    Zorndorfer Schlacht am 25. August stattfand,
    also zu einer Jahreszeit, wo das Bruch immer
    trocken und passierbar zu sein pflegte.

    3. Die alten Bewohner

    Alte Zeit und alte Sitt
    Hielt mit dem Neuen nicht länger Schritt,
    Aber sieh da, das alte Kleid
    Hat länger gelebt als Sitt und Zeit.

    882
    Das Oderbruch – oder doch wenigstens das Nieder-
    bruch, von dem wir im nachstehenden ausschließlich
    sprechen – blieb sehr lange wendisch. Wahrschein-
    lich waren alle seine Bewohner, bis in die Mitte des
    vorigen Jahrhunderts hinein, von ziemlich unver-
    mischter slawischer Abstammung. Die deutsche
    Sprache war eingedrungen (es ist nicht festzustellen,
    wann ), aber nicht das deutsche Blut . Die Gegend war auch nicht dazu angetan, zu einer Übersiedelung
    einzuladen. Ackerland gab es nicht, desto mehr Ü-
    berschwemmungen, und der Fischfang, den die
    Wenden, wenigstens in diesen Gegenden, vorzugs-
    weise betrieben, hatte nichts Verlockendes für die
    Deutschen, die zu allen Zeiten entweder den Acker-
    bau oder die Meerfahrt, aber nicht den Fischfang
    liebten. Dazu kam, daß die alten Wenden, wie es
    scheint, von sehr nationaler und sehr exklusiver
    Richtung waren und den wenigen deutschen Kolonis-
    ten, die sich hier niederließen (zum Beispiel unter
    dem Großen Kurfürsten), das Leben so schwer wie
    möglich machten.
    Über die Art nun, wie die wendischen Bewohner im
    Innern des Bruches lebten, wissen wir wenig, und
    das beste Teil unsrer Kenntnis haben wir aus Ver-
    gleichen und Schlußfolgerungen zu schöpfen. Die
    mehr und mehr unter deutsche Kultur geratenden
    » Randdörfer « – zu denen die » Bruchdörfer « alsbald in dem Verhältnis mittelalterlich-wendischer Kietze
    standen – hätten uns in ihren Amts- und Kirchenbü-
    chern allerhand aufschlußgebende Aufzeichnungen
    hinterlassen können; aber es gebrach an dem erfor-
    derlichen historischen Sinn, und so ging die Zeit da-

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    für verloren. Diese schloß etwa mit der Mitte des
    vorigen Jahrhunderts ab. Ein geübtes Auge würde
    freilich auch heute noch in der aus den verschiedens-
    ten Elementen gemischten Bevölkerung eine Fülle
    speziell wendischer Eigentümlichkeiten herauslesen
    können; es gehört aber dazu eine exakte Kenntnis
    der verschiedenen slawischen und deutschen Stam-
    meseigentümlichkeiten, daß ich es nicht wage, mich
    in solche Scheidungen und Bestimmungen einzulas-
    sen.
    Ich gebe zunächst

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