Wanderungen durch die Mark Brandenburg
bereits vor Ausbruch des Sieben-
jährigen Krieges beendet.1) Niemand ahnte damals,
was im Laufe der Zeit durch den Einfluß von Luft und
Sonne, durch den Fleiß der Bewohner, durch Ver-
stärkung der Dämme, durch Erweiterung und besse-
re Richtung der Abzugsgräben aus diesem Landestei-
le werden würde – man hielt es überwiegend nur
zum Graswuchs und zur Weide geeignet. Der Brief
eines Reisenden, der das Bruch im Jahre 1764 pas-
sierte, gibt Auskunft darüber. Der Brief lautet:
»So angenehm auch diese Gegend geworden (denn
es ist die ebenste Pläne, die Wege mit Weiden be-
setzt, wie auch die Deiche, und zwar mit mehreren
Reihen, nicht nur auf dem Kamm, sondern auch auf
der Böschung zu beiden Seiten, damit sie von den
verwachsenen Wurzeln eine mehrere Festigkeit be-
kommen), so haben die neuen Dörfer doch mehrfach
schon durch Überschwemmung gelitten, so daß man
mit Kähnen die Einwohner retten oder ihnen doch,
da sie auf die Böden ihrer Häuser geflüchtet, zu Hül-
fe kommen mußte. Der eingedeichte Acker dürfte
wohl mit der Zeit der Wische in der Altmark ähnlich
werden; aber noch ist er es nicht... In den ersten
Jahren gab der Roggen fast gar kein Mehl, sondern
lauter Kleie, und die Gerste taugte gar nicht zu Malz,
weil es lauter Lagerkorn gewesen war.«
Seitdem ist es unser eigentliches Gerstenland geworden. Neuerdings blüht in ihm die Rübenkultur.
Große Zuckerfabriken existieren auf den Ämtern, und
immer neue Unternehmungen treten ins Leben. Der
Anblick dieses fruchtbaren Landesteiles aber ruft
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immer wieder die Worte des großen Königs in unser
Gedächtnis zurück: »Hier hab ich im Frieden eine Provinz erobert.«
1. Es heißt, Friedrich der Große habe bei seinem
berühmten Flankenmarsche, der der Schlacht
von Zorndorf vorherging (vergleiche »Zorn-
dorf«), bereits Vorteile von der veränderten,
das heißt mehr passierbaren Gestalt des
Bruchs gezogen. Dies ist jedoch höchstwahr-
scheinlich eine zu Ehren des Bruchs und sei-
ner Melioration erfundene Geschichte, da die
Zorndorfer Schlacht am 25. August stattfand,
also zu einer Jahreszeit, wo das Bruch immer
trocken und passierbar zu sein pflegte.
3. Die alten Bewohner
Alte Zeit und alte Sitt
Hielt mit dem Neuen nicht länger Schritt,
Aber sieh da, das alte Kleid
Hat länger gelebt als Sitt und Zeit.
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Das Oderbruch – oder doch wenigstens das Nieder-
bruch, von dem wir im nachstehenden ausschließlich
sprechen – blieb sehr lange wendisch. Wahrschein-
lich waren alle seine Bewohner, bis in die Mitte des
vorigen Jahrhunderts hinein, von ziemlich unver-
mischter slawischer Abstammung. Die deutsche
Sprache war eingedrungen (es ist nicht festzustellen,
wann ), aber nicht das deutsche Blut . Die Gegend war auch nicht dazu angetan, zu einer Übersiedelung
einzuladen. Ackerland gab es nicht, desto mehr Ü-
berschwemmungen, und der Fischfang, den die
Wenden, wenigstens in diesen Gegenden, vorzugs-
weise betrieben, hatte nichts Verlockendes für die
Deutschen, die zu allen Zeiten entweder den Acker-
bau oder die Meerfahrt, aber nicht den Fischfang
liebten. Dazu kam, daß die alten Wenden, wie es
scheint, von sehr nationaler und sehr exklusiver
Richtung waren und den wenigen deutschen Kolonis-
ten, die sich hier niederließen (zum Beispiel unter
dem Großen Kurfürsten), das Leben so schwer wie
möglich machten.
Über die Art nun, wie die wendischen Bewohner im
Innern des Bruches lebten, wissen wir wenig, und
das beste Teil unsrer Kenntnis haben wir aus Ver-
gleichen und Schlußfolgerungen zu schöpfen. Die
mehr und mehr unter deutsche Kultur geratenden
» Randdörfer « – zu denen die » Bruchdörfer « alsbald in dem Verhältnis mittelalterlich-wendischer Kietze
standen – hätten uns in ihren Amts- und Kirchenbü-
chern allerhand aufschlußgebende Aufzeichnungen
hinterlassen können; aber es gebrach an dem erfor-
derlichen historischen Sinn, und so ging die Zeit da-
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für verloren. Diese schloß etwa mit der Mitte des
vorigen Jahrhunderts ab. Ein geübtes Auge würde
freilich auch heute noch in der aus den verschiedens-
ten Elementen gemischten Bevölkerung eine Fülle
speziell wendischer Eigentümlichkeiten herauslesen
können; es gehört aber dazu eine exakte Kenntnis
der verschiedenen slawischen und deutschen Stam-
meseigentümlichkeiten, daß ich es nicht wage, mich
in solche Scheidungen und Bestimmungen einzulas-
sen.
Ich gebe zunächst
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