Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Neulewin und Neu-
trebbin, angesetzt, und ist diesen drei Ortschaften
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auch eine gewisse Superiorität verblieben. Sie zählen
bis zu 2000 Einwohnern und darüber.
Werfen wir noch einen Blick auf jene ersten Jahre
nach der Trockenlegung des Bruchs.
1300 Kolonistenfamilien sollten angesetzt werden,
vielleicht waren auch die Häuser dazu bereits aufge-
führt. Aber wo die Menschen hernehmen? Das war
nichts Leichtes. Eine eigne »Kommission zur Herbei-
schaffung von Kolonisten« wurde gegründet, und
diese Kommission ließ durch alle preußische Ge-
sandtschaften »fleißige und arbeitsam Ausländer«
zum Eintritt in die preußischen Staaten einladen.
Diese Einladungen hatten in der Tat Erfolg; an Ver-
sprechungen wird es nicht gefehlt haben. So kamen
Pfälzer, Schwaben, Polen, Franken, Westfalen, Vogt-
länder, Mecklenburger, Östreicher und Böhmen, die
größte Anzahl aus den drei erstgenannten Ländern.
Neubarnim ist eine Pfälzerkolonie, ebenso Neutreb-
bin. Neulewin wurde mit Polen, auch wohl mit Böh-
men, jedenfalls mit slawischen Elementen besetzt.
Die Unterschiede zeigen sich zum Teil noch jetzt in
Erscheinung und Charakter der Bewohner. In den
Pfälzerdörfern begegnet man einem mehr blonden, in
Neulewin einem mehr brünetten Menschenschlag.
Auch von der Ausgelassenheit und dem leichten, leb-
haften Sinn der Pfälzer hört man erzählen.2) Jede
Familie erhielt neunzig, sechzig, fünfundvierzig,
zwanzig und ein größerer Teil zehn Morgen Ackers
von dem entwässerten Boden, bei welcher Verteilung
man, wie billig, auf die Stärke der Familie und die
Größe des Vermögens Rücksicht nahm. Jegliche Reli-
gionsausübung war frei. Der König ließ sechs neue
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Kirchen bauen, setzte vier Prediger, zwei reformierte
und zwei lutherische, ein und gab jedem Dorf eine
Schule. Der Unterricht war frei; Pfarre und Schule
erhielten Ländereien. Noch andere Vorteile wurden
den Ansiedlern gewährt. Allen denen, die sich nieder-
ließen, ward eine vollständige Freiheit von allen Las-
ten auf fünfzehn Jahre gewährt, wie sie denn auch –
kein geringes Vorrecht in jenen Tagen – für ihre Person samt Kind und Kindeskind von aller Werbung frei waren . Dem König, wie wohlbekannt, lag vor allem daran, seine dünn besäeten Staaten reicher bevölkert zu sehen. Nach der Verteilung der Ländereien
blieben ihm noch 20 000 Morgen, in betreff deren ein
benachbarter Gutsbesitzer dem Könige bemerkte,
»daß sich vorzügliche Domainen-Vorwerke daraus
würden bilden lassen«. Der König sah den Ratgeber
durchdringenden Blickes an und erwiderte scharf:
»Wär ich, was Er ist, so würd ich auch so denken. Da
ich aber König bin, so muß ich Untertanen haben.«
Er gab auch diese 20 000 Morgen noch fort.
Die Kolonisten waren nun angesetzt, und die Urbar-
machung begann. Das nächste, was der Trockenle-
gung folgte, war die Ausrodung . Diese Ausrodung führte zu seltsamen Szenen, wie sie seitdem, wenigstens in unserer Provinz, wohl nicht wieder beo-
bachtet worden sind. Die ausgerodeten Bäume und
Sträucher – da keine Gelegenheit gegeben war, die
ganze Fülle dieses Holzreichtums zu verkaufen oder
wirtschaftlich zu verwerten – wurden zu mächtigen
Haufen aufgeschichtet und endlich, nachdem sie völ-
lig ausgetrocknet waren, angezündet und verbrannt.
Aber das Austrocknen dieser Massen dauerte oft mo-
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natelang, und so kam es, daß dieselben eine will-
kommene Zufluchtsstätte für all die Tiere wurden,
die bei der Ausrodung aus ihren Schlupfwinkeln auf-
gescheucht worden waren. In diesen Holz- und
Strauchhaufen steckten nun diese Tiere drin, bis der
Tag des Anzündens kam. Dann, wenn Qualm und
Feuer aufschlugen, begann es, bei hellem Tages-
schein, in dem Strauchhaufen lebendig zu werden,
und nach allen Seiten hin jagten nun die geängstig-
ten Tiere, wilde Katzen, Iltisse, Marder, Füchse und
Wölfe, über das Feld. Ebenso wurde ein Vernich-
tungskrieg gegen Wildbret und Geflügel geführt, und
jeder Haushalt hatte Überfluß an Hirschen, Rehen,
Hasen, Sumpfhühnern und wilden Enten. Hasen gab
es so viel, daß die Knechte, wenn sie gemietet wur-
den, sich ausmachten, nicht öfter als zweimal wö-
chentlich Hasenbraten zu kriegen .
Der Boden im Bruch war ein schönes, fettes Erdreich,
mit vielem Humus, der sich seit Jahrhunderten aus
dem Schlamme der Oder und aus der Verwesung
vegetabilischer Substanzen erzeugt hatte. Dies er-
leichterte die
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