Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Neulewin und Neu-
    trebbin, angesetzt, und ist diesen drei Ortschaften

    896
    auch eine gewisse Superiorität verblieben. Sie zählen
    bis zu 2000 Einwohnern und darüber.
    Werfen wir noch einen Blick auf jene ersten Jahre
    nach der Trockenlegung des Bruchs.
    1300 Kolonistenfamilien sollten angesetzt werden,
    vielleicht waren auch die Häuser dazu bereits aufge-
    führt. Aber wo die Menschen hernehmen? Das war
    nichts Leichtes. Eine eigne »Kommission zur Herbei-
    schaffung von Kolonisten« wurde gegründet, und
    diese Kommission ließ durch alle preußische Ge-
    sandtschaften »fleißige und arbeitsam Ausländer«
    zum Eintritt in die preußischen Staaten einladen.
    Diese Einladungen hatten in der Tat Erfolg; an Ver-
    sprechungen wird es nicht gefehlt haben. So kamen
    Pfälzer, Schwaben, Polen, Franken, Westfalen, Vogt-
    länder, Mecklenburger, Östreicher und Böhmen, die
    größte Anzahl aus den drei erstgenannten Ländern.
    Neubarnim ist eine Pfälzerkolonie, ebenso Neutreb-
    bin. Neulewin wurde mit Polen, auch wohl mit Böh-
    men, jedenfalls mit slawischen Elementen besetzt.
    Die Unterschiede zeigen sich zum Teil noch jetzt in
    Erscheinung und Charakter der Bewohner. In den
    Pfälzerdörfern begegnet man einem mehr blonden, in
    Neulewin einem mehr brünetten Menschenschlag.
    Auch von der Ausgelassenheit und dem leichten, leb-
    haften Sinn der Pfälzer hört man erzählen.2) Jede
    Familie erhielt neunzig, sechzig, fünfundvierzig,
    zwanzig und ein größerer Teil zehn Morgen Ackers
    von dem entwässerten Boden, bei welcher Verteilung
    man, wie billig, auf die Stärke der Familie und die
    Größe des Vermögens Rücksicht nahm. Jegliche Reli-
    gionsausübung war frei. Der König ließ sechs neue

    897
    Kirchen bauen, setzte vier Prediger, zwei reformierte
    und zwei lutherische, ein und gab jedem Dorf eine
    Schule. Der Unterricht war frei; Pfarre und Schule
    erhielten Ländereien. Noch andere Vorteile wurden
    den Ansiedlern gewährt. Allen denen, die sich nieder-
    ließen, ward eine vollständige Freiheit von allen Las-
    ten auf fünfzehn Jahre gewährt, wie sie denn auch –
    kein geringes Vorrecht in jenen Tagen – für ihre Person samt Kind und Kindeskind von aller Werbung frei waren . Dem König, wie wohlbekannt, lag vor allem daran, seine dünn besäeten Staaten reicher bevölkert zu sehen. Nach der Verteilung der Ländereien
    blieben ihm noch 20 000 Morgen, in betreff deren ein
    benachbarter Gutsbesitzer dem Könige bemerkte,
    »daß sich vorzügliche Domainen-Vorwerke daraus
    würden bilden lassen«. Der König sah den Ratgeber
    durchdringenden Blickes an und erwiderte scharf:
    »Wär ich, was Er ist, so würd ich auch so denken. Da
    ich aber König bin, so muß ich Untertanen haben.«
    Er gab auch diese 20 000 Morgen noch fort.
    Die Kolonisten waren nun angesetzt, und die Urbar-
    machung begann. Das nächste, was der Trockenle-
    gung folgte, war die Ausrodung . Diese Ausrodung führte zu seltsamen Szenen, wie sie seitdem, wenigstens in unserer Provinz, wohl nicht wieder beo-
    bachtet worden sind. Die ausgerodeten Bäume und
    Sträucher – da keine Gelegenheit gegeben war, die
    ganze Fülle dieses Holzreichtums zu verkaufen oder
    wirtschaftlich zu verwerten – wurden zu mächtigen
    Haufen aufgeschichtet und endlich, nachdem sie völ-
    lig ausgetrocknet waren, angezündet und verbrannt.
    Aber das Austrocknen dieser Massen dauerte oft mo-

    898
    natelang, und so kam es, daß dieselben eine will-
    kommene Zufluchtsstätte für all die Tiere wurden,
    die bei der Ausrodung aus ihren Schlupfwinkeln auf-
    gescheucht worden waren. In diesen Holz- und
    Strauchhaufen steckten nun diese Tiere drin, bis der
    Tag des Anzündens kam. Dann, wenn Qualm und
    Feuer aufschlugen, begann es, bei hellem Tages-
    schein, in dem Strauchhaufen lebendig zu werden,
    und nach allen Seiten hin jagten nun die geängstig-
    ten Tiere, wilde Katzen, Iltisse, Marder, Füchse und
    Wölfe, über das Feld. Ebenso wurde ein Vernich-
    tungskrieg gegen Wildbret und Geflügel geführt, und
    jeder Haushalt hatte Überfluß an Hirschen, Rehen,
    Hasen, Sumpfhühnern und wilden Enten. Hasen gab
    es so viel, daß die Knechte, wenn sie gemietet wur-
    den, sich ausmachten, nicht öfter als zweimal wö-
    chentlich Hasenbraten zu kriegen .
    Der Boden im Bruch war ein schönes, fettes Erdreich,
    mit vielem Humus, der sich seit Jahrhunderten aus
    dem Schlamme der Oder und aus der Verwesung
    vegetabilischer Substanzen erzeugt hatte. Dies er-
    leichterte die

Weitere Kostenlose Bücher