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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Lande, noch voll-
    auf Gelegenheit gegeben. Denn der Sinn für

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    die »schöne Landschaft« ist wie die Land-
    schaftsmalerei von sehr modernem Datum.
    Namentlich in der Mark. Die eigentliche mär-
    kische Bevölkerung hat noch jetzt diesen Sinn
    beinah gar nicht, wovon sich jeder überzeu-
    gen kann, der an hübsch gelegenen Orten ei-
    ner Vergnügungspartie märkischer Stadt- und
    Dorfbewohner beiwohnt. Sie sind ganz bei ih-
    rem Vergnügen , aber gar nicht bei der »Land-
    schaft«, der sie in der Regel den Rücken zu-
    kehren. Der Berliner »Sommerwohner« ist
    nicht deshalb so bescheiden in seinen Ansprü-
    chen, weil ihm die märkische Natur nichts
    bietet, sondern weil es ihm schließlich gar
    nicht darauf ankommt, ob die Sache so oder
    so ist.

    3. Der Gesundbrunnen

    Hier an der Bergeshalde
    Verstummet ganz der Wind –
    Die Zweige hängen nieder.
    Th. Storm

    »Der Freienwalder Gesundbrunnen liegt eine kleine
    Viertelmeile von der Stadt gen Süden hin, in einem

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    von ziemlich hohen Bergen eingeschlossenen, anmu-
    tigen Tal; die Berge sind mit Eichen, Buchen, Fich-
    ten, auch niedrigem Baum- und Strauchwerk be-
    wachsen und haben viele gute Kräuter.« So schrieb
    Thomas Philipp von der Hagen, dem wir die erste
    Beschreibung Freienwaldes verdanken, vor etwa
    hundert Jahren, und wir wüßten nicht, was wir an
    dieser Darstellung zu ändern hätten.
    Aber wenn nicht das Brunnental selbst, so hat doch
    der Weg hinaus seinen Charakter verändert. Was
    damals eine »Allee« war, ist jetzt eine städtische
    »Straße« geworden, und hinter den schönen Linden-
    bäumen, die nach wie vor den Weg einfassen, erhe-
    ben sich, des Schlosses und Schloßgartens zu
    geschweigen, allerhand Villen, Hôtels und Gärten,
    aus denen hervor im Mai die weißen Blüten und im
    September die roten Äpfel lachen. Der ganze Weg
    zum Brunnen hinaus der einen oder andern unserer
    Tiergartenstraßen nicht unähnlich!
    Dieselben Hügelreihen, die den Weg zum Brunnen
    bilden, bilden schließlich auch das Brunnental selbst,
    das nichts anderes ist als eine etwas erweiterte
    Talschlucht, ein Kessel, zu dem sich der Weg verhält
    wie eine schmale Straße zu einem breiten Platz, auf
    den sie mündet.
    Es ist ein Septembernachmittag. An Linden und
    Sommerhäusern, zuletzt an der reizend gelegenen
    Pappenmühle vorbei, über deren stillen Teich die
    Schwäne ziehn, haben wir unsern Gang von der
    Stadt aus gemacht und unser Ziel: den Gesundbrun-

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    nen, erreicht. Die Saison ist schon vorüber; aber die
    Quellen sprudeln weiter, und die Nachmittagssonne
    steht ruhig über dem Tal und wärmt mit ihren Strah-
    len die schon herbstesfrische Luft. Ein Kellner, der
    die traurige Verpflichtung hat, seine Zeit hier abzu-
    warten, bis die de facto bereits beendigte Saison
    auch de jure geschlossen sein wird, begrüßt uns, wie
    der Gefangene den Schmetterling begrüßt, der an
    seinem Fenster vorüberfliegt. Wir erschienen ihm wie
    Boten aus dem Lande seiner Sehnsucht. Jedenfalls
    ließ seine Willfährigkeit nichts zu wünschen übrig,
    und gemeinschaftlich anfassend, ward an der son-
    nigsten Stelle des Gartens ein Kaffeeplatz ohne
    Zwang und Mühe arrangiert. Die Zusammensetzung
    geschah aus den üblichen Requisiten: einem weißge-
    strichenen Tisch mit einem Riß in der Mitte und ei-
    nem Stuhl mit bereits schräg gedrückter Lehne.
    Der Kaffee kam, die Sonne labte uns, alles war frisch
    und erquicklich; nur eines ging wie ein Schatten über
    das heitre Bild: der Kellner stand wie angewurzelt an
    unserem Tisch. Ich hätt ihn wegschicken können,
    aber auch das erschien mir untunlich. Es war ersicht-
    lich, er sehnte sich nach dem süßen Laut menschli-
    cher Stimme, einer Stimme, die ihn vergewissern
    konnte: »Kroll lebt noch, und das Odeum ist kein
    leerer Wahn.« Ich ließ ihn also stehen und führte
    eine jener Unterhaltungen, die man im Lauf der Jah-
    re, ohne Wissen und Wollen, führen lernt und die,
    einen gewissen öden Mittelkurs innehaltend, dem
    Angeredeten das Recht gönnen, weiterzusprechen,
    aber zugleich durchklingen lassen: er täte besser,

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    auf dieses Recht zu verzichten. Dieser Verzicht trat
    auch endlich ein, und ich war allein.
    Ich hatte einen prächtigen Platz inne, der Zufall war
    mir günstig gewesen, und dem sogenannten Kapel-
    lenberg, der das Tal schließt, den Rücken zukehrend,
    überblickte ich die ganze Anlage des Brunnens: den
    Park, die Gartenpartien, die Baulichkeiten. Diese
    Baulichkeiten,

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