Wanderungen durch die Mark Brandenburg
neuerer Anfügungen zu geschweigen,
gehören drei verschiedenen Regierungszeiten an und
werden danach genannt. Man unterscheidet bis die-
sen Tag einen kurfürstlichen, einen altköniglichen
und einen neuköniglichen Flügel. An Schönheit las-
sen alle drei gleichviel zu wünschen übrig; die »Ko-
lonnade« jedoch, die sich, unserer ehemaligen
Stechbahn nicht unähnlich, unter diesen Flügeln hin-
zieht, gibt, neben manchem andern, dem Ganzen
einen aparten und zugleich gemütlichen Charakter
und veranschaulicht uns auf einen Blick die Ge-
schichte der verschiedenen Epochen des Bades ü-
berhaupt.
Diese Geschichte ist in kurzem die folgende.
Wann zuerst des Bades Erwähnung geschieht, ist
nicht mit voller Gewißheit festzustellen. Leonhart
Thurneysser, der bekannte Alchimist, schrieb zwar
schon um 1572: »Zwischen Freienwalde und Neu-
stadt, am Gebirge, ist ein Flüßlein, das führt Rubin-
lein mit sich, gar klein, aber schön an Farbe« – es
bleibt indessen zweifelhaft, ob unter diesem Flüßlein
das Quellgewässer des Freienwalder Gesundbrun-
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nens zu verstehen ist. Wenigstens fehlen jetzt die
»Rubinlein«, die kleinen wie die großen.
Es scheint, daß man in alten Zeiten die Quelle ein-
fach in die Talschlucht ausströmen und ihren Weg
sich suchen ließ. Nur bei den armen Leuten der
Nachbarschaft genoß der »Brunnen« schon damals
eines gewissen Ansehns, und man trank ihn als ein
bewährtes Mittel gegen hartnäckige Fieber. Was da-
bei wirksam war, ist schwer zu sagen. Auch Augen-
kranke kamen. Sie legten von dem braunen Ocker-
schlamm auf das Auge und sahen nach kurzer Zeit
wieder klarer und besser. Schwerlich war es der
braune Eisenschlamm als solcher, der so vorteilhaft
wirkte, vielmehr die anhaftende Flüssigkeit, die Ei-
senvitriol enthielt. Gehört doch der Zinkvitriol (eine
Art Geschwisterkind des obengenannten Eisensalzes)
bis diese Stunde noch zu den bevorzugten Mitteln
der Augenheilkunde.
Jedenfalls war der Ruf und Ruhm des Freienwalder
Quells allerlokalster Natur, bis 1684 die Kunde nach
Berlin und bis in das kurfürstliche Schloß drang, daß
in Freienwalde ein »mineralisches Wasser« entdeckt
worden sei. Einige mit Fieber und Lähmung Behafte-
te seien gesund geworden. Der Kurfürst, bereits in
seinen alten Tagen und von der Gicht schwer ge-
plagt, schöpfte Hoffnung, daß ihm vielleicht das eig-
ne Land gewähren möchte, was ihm so viele fremde
Heilquellen bis dahin versagt hatten, und er schickte
seinen Kammerdiener und Chemikus, den als Entde-
cker des Phosphors berühmt gewordenen Kunckel,
nach Freienwalde, um sich von der mineralischen
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Kraft des neu entdeckten Quells zu überzeugen. Der
Bericht lautete günstig, und noch im selben Jahre
trafen der Kurfürst und seine Gemahlin als erste
Brunnengäste im Bade zu Freienwalde ein.
Nun brachen glänzende Tage an. Der Ruf von der
Heilkraft des Brunnens verbreitete sich bis in ferne
Gegenden, und im nächsten Jahre, 1685, fanden sich
1500 Gäste in Freienwalde zusammen. Freilich waren
es nicht samt und sonders Brunnengäste . »Der Kur-fürst, der auch in diesem Jahre zur Kur erschienen
war, ließ zehn Wispel Getreide verbacken und die
Brote samt einer Geldbeisteuer wöchentlich zweimal
verteilen« – woraus genugsam zu ersehen ist, daß
die kurfürstliche Gegenwart allerhand armes Volk
herbeigelockt hatte, nur um von der Mildtätigkeit des
Fürsten Nutzen zu ziehen. 1686 wurde das erste und
älteste »Brunnenhaus« gebaut, dasselbe, das unter
dem Namen der »kurfürstliche Flügel« bis diesen Tag
existiert. Dazu kamen allerhand Vorkehrungen und
Einrichtungen: zwei Betstunden täglich, zwei Jahr-
märkte die Woche; eine Brunnenkapelle und ein
Brunnenkoch. Was diesen letzteren angeht, so hatte
er die Verpflichtung, für anderthalb Silbergroschen
ein »gutes Mittagbrot« zu liefern. Freilich nur für die Armen. Der Kurfürst tat in allem, was er konnte. Das
nächste Jahr machte er seinen letzten Besuch.
Unter der Regierung seines Nachfolgers, König Fried-
richs I., hielt sich Freienwalde im wesentlichen auf
der Höhe seines Ansehens. Die Heilkraft des Brun-
nens stand noch in so gutem Rufe, daß das Wasser
desselben behufs mineralischer Bäder für den König
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nach Altlandsberg und Niederschönhausen gebracht
wurde. 1704 und die zwei folgenden Jahre kam er
selbst und bezog 1706 das »Schloß am Brunnen«,
das schon in dem vorhergehenden Jahre
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