Wanderungen durch die Mark Brandenburg
vielleicht an die bekannte kleine Brunnenfi-
gur in Brüssel.
Der Reiz aller dieser Werke der Skulptur und Archi-
tektur ist nicht groß, und wenn es doch einen Zauber
hat, in dieses Brunnental einzukehren, so muß es ein
anderes sein, was uns an dieser Stelle erquickt und
labt. Und ich glaube zu wissen, was es ist. Es ist das
Gefühl eines vollen Geschützt- und Geborgenseins,
die Stille dieses Tales, vor allem seine Herbstes stille.
Gewiß, daß es hier auch schön ist, wenn die Saison
auf ihrer Höhe steht, die Brunnenmusik ihre Märsche
spielt, die Toiletten rauschen und die jungen Paare
kichern – aber die schönste Zeit bleibt doch immer
die, wo der Herbst hier einzieht, wo die letzte Som-
merrose hinüber ist und selbst die Malve hinblaßt,
um der Aster das Feld zu räumen.
Und ein solcher Herbstestag ist heute. Hoch in der
Luft, über die Berge hin, zieht der Wind, und mitun-
ter ist es, als kläng er bis ins Tal hernieder. Aber wir hören nur den Streit hoch oben, die Luft unten steht
unbewegt. Die Vögel singen nicht mehr oder sind
schon fort, nur noch das Sonnenlicht hüpft in den
Zweigen. Die Tannenäpfel fallen nieder auf den
Kiesweg des Parks, aber nicht losgelöst von der
Schüttelhand des Windes, nur losgelöst von Alter
und eigner Schwere. Die Quellen rauschen, die
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Sommerfäden ziehen, Bilder kommen und gehen.
Dem Ohre klingt es wie leise Musik.
Von wannen kommt sie? Ist es die Luft, die klingt,
oder ist es das eigene Herz?
1. Ist dieser Bericht zuverlässig, und es liegt
kein Grund vor, dies zu bezweifeln, so wirft
der hier erzählte Vorgang ein interessantes
und mancherlei erklärendes Licht auf die bei-
nahe gleichzeitigen Vorkommnisse in Berlin.
1706 stürzte am Schloß der von Schlüter er-
baute Münzturm ein, und von da ab begann
die siegreiche Kabale seiner Gegner. Das Ver-
fahren gegen Schlüter ist immer als hart und
ungerecht verurteilt worden. Bringt man nun
aber andererseits in Anschlag, daß fast unmit-
telbar darauf, im Sommer 1707, das Münz-
turm-»Malheur« sich in Freienwalde wieder-
holte , so erscheint das harte Verfahren gegen
Schlüter um vieles verzeihlicher. Die Kabale
bleibt verwerflich, aber der König urteilte
nach dem Augenschein. (Neue Arbeiten Pro-
fessor Adlers haben aus den damaligen Berli-
ner Bauakten ohnehin dargetan, daß Schlüter,
bei all seiner Größe und Genialität, doch kei-
neswegs schuldlos war und daß er in allem,
was konstruktive Kenntnis angeht, hinter sei-
nem ihm sonst in keiner Weise ebenbürtigen
Rivalen Eosander von Göthe zurückblieb.)
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4. Der Rosengarten. Der Baa-See
Und wo der Rosengarten war,
Da soll der Liliengarten werden.
Uhland
Das Brunnental ist still und windgeschützt, aber in
seinem Rücken liegt eine stillere Stelle – der Fried-
hof. Es ist ein kleiner, von einer niedrigen Steinmau-
er eingefaßter, mitten im Wald gelegener Begräbni-
sort, so recht ein Platz, wo
– jeder eitle Kummer
Dir wie ein Traum zerfließt
Und dich der letzte Schlummer
Im Bienenton begrüßt –
ein Platz, der uns mit dem Gedanken des Scheidens
versöhnt und uns im Tiefsten empfinden läßt:
Die Ruh ist wohl das beste
Von all dem Glück der Welt.
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Die Tür, einladend, steht immer offen, die Waldblu-
men blühen draußen und drinnen, und die Buchen
legen von außen her ihre grüne Hand auf die Gräber,
als wollten sie den Schlummer derer, die drunten
ruhn, noch ruhiger machen.
Es ist dies die Begräbnisstätte nicht für Freienwalde
selbst, sondern für die, die als Gäste kamen, um
Genesung zu suchen und sie schließlich an dieser
Stelle zu finden.
Dieser Friedhof heißt der Rosengarten .
Er heißt so, nicht aus Laune oder Einfall, vielmehr
führte der ganze Fleck Landes diesen Namen, lange
bevor der erste Gast in diesen Garten einzog. Es hat
das folgenden Zusammenhang. Die weiten Waldre-
viere, die Freienwalde nach Westen hin umgeben
und alle Talschluchten mit Laubholz füllen, waren in
alten Zeiten schon mit weiß und rot und gelb blü-
henden Wildrosen dicht überwuchert, und wer um
die Johanniszeit durch diese Schluchten hinschritt,
dem war es, als flögen bunte Schmetterlinge vor ihm
her. Die Stelle aber, wo die Rosensträucher am dich-
testen standen und einen kleinen Wald im Walde
bildeten, diese Stelle lag im Rücken des Brunnentals
und hieß der »Rosengarten«. Die Sträucher ver-
schwanden allmählich, das erste Grab erhob
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