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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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zieht.

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    5. Hans Sachs von Freienwalde

    Ich habe schon wieder auf Lieder gedacht,
    Ich fühle so frisch mich, so jung.
    Chamisso

    Die Straßen in Freienwalde sind Hügelstraßen und
    führen bergauf und bergab. Die belebteste dersel-
    ben, die Berliner Straße, haben wir eben ihrer gan-
    zen Länge nach passiert und noch immer nicht ge-
    funden, was wir suchen. Aber das muß es sein – es ist das letzte Haus. Ein Berg und eine Kirche bilden
    den Hintergrund, nach der Straße zu stehen drei Lin-
    den, und inmitten dieser Landschaftsrequisiten er-
    hebt sich ein alter Fachwerkbau, an dem ein erkerar-
    tig vorspringendes Fenster und zwei Rosenbäume so
    ziemlich das Beste sind. Die Rosenbäume fassen das
    Fenster ein, aber sie müssen den schmalen Raum
    mit zwei Aushängebrettern teilen, auf denen wir im
    Lapidarstil lesen: »Schirme repariert; Drechslerarbeit
    in Holz und Horn.« Dazu eine große, in Holz ge-
    schnittene Tahakspfeife, die als Ornament deutungs-
    reich über dem Ganzen schwebt.
    Das ist allerdings, was wir suchen. Hier wohnt Karl
    Weise, Poet und Drechslermeister von Freienwalde,

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    Drechselt Pfeifen in guter Roh
    Und macht auch wohl 'nen Vers dazu.
    Das Ganze hat das Anheimelnde einer Poetenwoh-
    nung alten Stils, und wir treten guten Mutes ein. Ei-
    ne Türklingel – nicht eine von den geräuschvollen,
    die, einmal in Bewegung gesetzt, wie ein bellender
    Dorfspitz gar kein Ende finden können, sondern eine
    von den leisen, wohlerzogenen – kündigt unser Ein-
    treten an, und eh wir uns noch in dem Halbdunkel,
    für das die draußen stehenden drei Linden ausgiebig
    sorgen, zurechtgefunden haben, erscheint aus der
    Werkstatt her, wo wir eben noch das Schnurren des
    Rades hörten, ein stattlicher Mann, hemdsärmlig, in
    Arbeitskostüm, und sieht uns freundlich fragend an.
    Er ist brünett, groß, breitschultrig, in seiner ganzen
    Erscheinung von südslawischem Typus und nach
    Teint, Haltung und Schnurrbart viel eher ein Sere-
    schaner-Hauptmann als ein Drechslermeister oder
    Poet. Nichtsdestoweniger ist er beides, und in dem
    friedliebendsten Dialekt der Welt, im reinen Hallen-
    sisch, erkundigt er sich nach unsrem Begehr.
    Wir reichen ihm die Hand, sagen ihm, daß wir als
    gelegentlich ebenfalls Versbeflissene gekommen wä-
    ren, »um das Handwerk zu grüßen«, und daß wir
    vorhätten, wenn irgend möglich, den Abend mit ihm
    draußen zu verplaudern.
    Unser Poet schlägt ein, die eben untergehende Son-
    ne mahnt ohnehin an Feierabend, und sich auf Minu-
    ten bei uns entschuldigend, führt er uns zunächst in

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    das nebenan gelegene Zimmer, das mit seinen ge-
    schmückten Wänden die Honneurs des Hauses
    macht.
    Wir benutzen diese Pause, uns in dem Putz- und
    Empfangszimmer neugierig umzusehen, und sind
    überrascht von der Sinnigkeit der Anordnung. Wenn
    das ganze Haus ein Poetenhaus ist so ist dies das
    Poetenstübchen. Blumen und Bilder wechseln unter-
    einander ab; Geranium und Primel blicken schüch-
    tern zu einer gipsernen Flora auf, Efeutöpfe spannen
    ihren grünen Bogen über Schrank und Spiegel, und
    zwischen allermodernste Farbendrucke drängen sich,
    in breitem Ebenholzrahmen, ein paar altfranzösische
    Stiche: »Vue des environs de Saverne; dedié à Ma-
    dame la Marquise de Vilette, Dame de Ferney-
    Voltaire«. Das scheint nicht zueinander zu passen,
    aber es paßt alles sehr gut. Was unsere modernen
    Zimmereinrichtungen so langweilig macht, das ist
    das Schablonenhafte und das Beziehungslose . Hier hat alles eine Beziehung, eine Geschichte, wäre diese
    Beziehung oft auch keine andere als innerhalb der
    Kleinwelt eine mühevolle Eroberungsgeschichte.
    Unser Poet hat sich inzwischen reisefertig gemacht
    und bietet uns freundlich seine Führerdienste an.
    Wer wäre dazu geeigneter als er, der nicht nur alle
    Wege und Stege der Umgegend kennt, sondern auch
    die schönsten Punkte in Berg und Tal besungen hat;
    die vorgeschrittene Stunde aber macht es uns wün-
    schenswert, auf entferntere Touren zu verzichten,
    und unsere Wünsche bescheidentlich in ein »je nä-
    her, je besser« kleidend, schreiten wir dem unmit-

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    telbar vor der Stadt gelegenen Schloßgartenberg zu,
    dessen bauliche Anlagen (Schloß, Pavillon etc.) wir
    schon in einem früheren Kapitel kennenlernten.
    Aber heute lassen wir Schloß und Pavillon am Ab-
    hange des Berges liegen und steigen höher hinauf,
    wo schmale, durchs Parkholz geschlagene Wege in
    endlosen Windungen die obere Hälfte des

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