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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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sich,
    andere folgten, die Steinmauer wurde gezogen –
    aber der Name blieb, und von den Gestorbenen heißt
    es sinnig und ungezwungen: »Sie schlafen im Ro-
    sengarten.«

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    Weiter in den Wald hinein, etwa eine halbe Meile im
    Rücken des Rosengartens, liegt der Baa-See , der Liebling und der Stolz der Freienwalder. Sie überschätzen ihn offenbar, vielleicht weil er das land-
    schaftlich einzig in Betracht kommende Wasserstück
    ihrer schönen, aber etwas monotonen Landschaft ist,
    vielleicht auch, weil er Versteckens spielt und nach
    Art vielumworbener Schönen sich dem Werber ent-
    zieht.
    Auch wir suchten ihn, ohne ihn finden zu können,
    und ermattet warfen wir uns nieder ins Moos und
    schlossen die Augen. Als wir wieder aufblickten,
    wurden wir waldeinwärts, aber dicht hinter uns,
    zweier Mädchengestalten gewahr, die tief in Far-
    renkraut standen und nur mit Kopf und Brust über
    das grüne Blattwerk hinwegragten. Ein Bild wie aus
    den »Fleurs animées«! Wir schwankten noch, ob wir
    sie nach dem Wege fragen sollten, als sie von selbst
    schon, barfuß und hochgeschürzt, aus dem grünen
    Gestrüpp heraustreten und uns zuriefen: »Der See
    liegt da hinauf!« Dabei machten sie eine Handbewe-
    gung nach rechts und zeigten auf die Schlucht, durch
    die wir, auf unsern Irrfahrten, eben herabgestiegen
    waren.
    Beide Mädchen waren noch jung, die jüngere, hüb-
    schere noch ein halbes Kind, und nachdem wir Be-
    grüßungsworte mit ihnen gewechselt und uns an
    dem bescheiden-kecken Ton beider gefreut hatten,
    wurden wir einig, daß sie uns bis zum Baa-See hin
    als Führer begleiten sollten.

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    Es ist immer schwer, mit jungen Dirnen in ein ein-
    fach Gespräch zu kommen und den klaren, sprudeln-
    den Ton zu treffen, in dem ihrer Seele wohl wird, wie
    der Forelle im Quellwasser; aber es ist doppelt
    schwer mitten im Wald, über dem die Mittagsschwüle
    brütet und in dem nichts vernehmbar ist als der
    Specht im Tann und dann und wann das Rufen des
    Pfingstvogels. Zu der Scheu der Geister kommt eine
    Scheu der Natur.
    Wir versuchten ein Geplauder, aber es scheiterte.
    Die Einsamkeit, die sonst so naheführt, hier zog sie
    eine Schranke. Und so gaben wir's auf, und beide
    Mädchen, fortan unbelästigt durch unsere Fragen,
    schritten vor uns her, die Schlucht hinauf. Zu beiden
    Seiten stand der Wald und schloß sich über dem
    Hohlweg, der tief und vom Regen ausgewaschen
    war. Die Wandungen rechts und links zeigten allerlei
    Wurzelgeflecht, das phantastisch aus der roten Erde
    hervorsah. Keines der beiden Mädchen blickte sich
    um, keine sprach mit der andern, aber beide hatten
    einen elastischen Gang, und wie bei guten Schlägern
    nicht die Bewegung des Armes, sondern die Biegung
    des Gelenks entscheidet, so bewegten sich auf dem
    Bilde vor uns nur Hüfte und Nacken, während der
    Unterkörper, trotz rüstigen Schreitens, in statuari-
    scher Ruhe zu verharren schien. Die ältere wollte
    gefallen, die jüngere dalberte nur, und während jene
    mit einem gewissen koketten Ernst ihre Schritte tat,
    kicherte die andere und errötete über Ohr und Hals.
    Nun kletterten sie die Wandung des Hohlweges hin-
    auf und liefen waldeinwärts. Als wir sie wiederfan-

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    den, stand die jüngere auf einem steil abfallenden
    Bergeck und hielt sich mit der linken Hand an einem
    Wacholderbusch, während sie mit der rechten in die
    Tiefe zeigte. Unten lag der Baa-See, das ersehnte
    Ziel unserer Wanderung. Wir traten heran und hiel-
    ten Umschau. Aber das Bild des Mädchens war schö-
    ner als der See; die Staffage ging über die Land-
    schaft.
    Was den Baa-See zu keiner tieferen Wirkung kom-
    men läßt, ist wohl das, daß er jener Mischgattung
    von Seen angehört, die zu finster sind, um zu erhei-
    tern, und doch wieder zu heiter, um den vollen Ein-
    druck des Schauerlichen zu machen. Viel freilich
    hängt dabei von der Beleuchtung und noch mehr
    vielleicht von der Jahreszeit ab.
    Wir sahen ihn bei Sonnenschein. Ein Boot mit zwei
    Jägerburschen fuhr über den See; der eine ruderte,
    während der andere von Zeit zu Zeit Hornsignale in
    den Wald blies.
    Ungleich schöner muß es an dieser Stelle sein, wenn
    das Laub hin ist und statt der grünen Kronen die
    grauverzweigten Buchen ihr Bild in den See werfen.
    Am schönsten aber in Sturm- und Winternächten,
    wenn der Mond grell-eisig am Himmel steht und statt
    des Jagdhorns des Jägerburschen, das eben ver-
    klingt, das Hallo des Wilden Jägers über Wald und
    See

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