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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Hause genügte dem »Hof-
    medikus« bald nicht mehr; er kaufte einen größeren,
    vor dem Tore gelegenen Garten mit einem daransto-
    ßenden Kamp von meist dürrem Flugsandboden,
    aber mit schönen Gruppen alter Eichen und Buchen
    besetzt. Garten und Kamp umfaßten sechzehn Mor-

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    gen, und der Bebauung und Verschönerung dieses
    Fleckchens Erde waren von nun an alle seine Muße-
    stunden gewidmet. Akazien, Lärchenbäume, Pappeln
    wurden gepflanzt; Weißdorn- und Buchenhecken
    zogen sich als lebendiger Zaun um die Anlage, Ra-
    senflächen wurden geschaffen und Obstbaumplanta-
    gen angelegt. Dazwischen Fruchtsträucher aller Art.
    Gartenbau trat an die Stelle der Pflege von Nelken und Aurikeln – aus dem Blumisten war ein Gärtner geworden.
    So ging es eine Weile. Aber wie ihm das Blumenbeet
    zu beschränkt geworden war, so wurd ihm jetzt der
    Garten, trotz seiner relativen Größe, zu klein. Er
    kaufte deshalb in kurzer Zeit noch so viele Länderei-
    en hinzu, daß alles zusammen eine zwar bescheide-
    ne, aber ziemlich anständige Wirtschaft ausmachen
    konnte. Diese Wirtschaft lag nur eine Viertelstunde
    vor dem Tore, zog sich am Aller-Fluß entlang und
    umfaßte ohngefähr 110 Morgen unterm Pfluge und
    18 Morgen natürliche Wiesen. Da er kein Wirt-
    schaftsgebäude vorfand, so entwarf er einen Plan zu
    einem »Gehöft« und ließ Wohnhaus und Wirtschafts-
    gebäude nach seinem eigenen Plane aufführen. Er
    hatte dabei überall nur das Zweckmäßige, nirgends
    die Eleganz im Auge und verfuhr ganz nach der Re-
    gel des M. P. Cato: »Baue dein Gehöft so, daß es
    weder den Gebäuden an Ländereien noch den Lände-
    reien an Gebäuden fehlt.« Der Boden bestand aus
    Lehm und Sand; drei Arbeitspferde und vierzehn
    Kühe wurden angeschafft und zwei Knechte und zwei
    Mägde in Dienst genommen.

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    So war Thaer, nachdem er die Stadien des Blumisten
    und Gärtners durchgemacht hatte, zum Landwirt
    geworden. Er blieb noch Arzt, sogar ein vielbeschäf-
    tigter, vielfach ausgezeichneter (1786 ward er zum
    Leibarzt des Königs Georg III. ernannt), aber sein
    Herz, sein Sinnen und Trachten gehörte der »Wirt-
    schaft« draußen, und die Sommermonate pflegte er,
    samt seiner Familie, auf dem »Gute« zu wohnen.
    Sein Leben war ein sehr angestrengtes; die Früh-
    stunden von vier bis sieben und der Spätabend ge-
    hörten seinen landwirtschaftlichen Studien, der Tag
    seinem ärztlichen Beruf. Nur die Passion half über alles hinweg.
    Es lag ihm zunächst daran, seiner Umgebung augen-
    scheinlich darzutun, daß es einen Ackerbau gebe, der
    vollkommener und ergiebiger sei als der, welchen
    man im Celleschen Felde betreibe. Er wollte durch
    sein eignes Beispiel zeigen, wie man den Ackerbau,
    mit höchstem Unrecht, nur als ein Handwerk, ja oft
    noch geringer ansehe, in der Meinung, daß weniger
    Kunst dazu gehöre, einen Acker zu bestellen als ei-
    nen Schuh zu machen. Er wollte die Betreibung die-
    ses wichtigen, verwickelten, dieses unerschöpflich
    künstlichen Gewerbes zu wohlverdienten Ehren brin-
    gen. Er stellte sich bei seiner kleinen Wirtschaft ei-
    nen doppelten Zweck: den zum Teil widerstrebenden
    Boden in eine möglichst hohe Kulturstufe zu heben
    und vor allem eine Experimentalwirtschaft zu seiner eignen Belehrung und Förderung zur Hand zu haben.
    Selbstdenkend, aber auch Rat nicht verschmähend,
    wie gute Bücher oder bewährte Landwirte ihn boten,

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    ging er ans Werk. Er belächelte die Bauernweisheit,
    die damals, häufiger noch als jetzt, sich in dem Sat-
    ze gefiel: »Ein günstiger Regen ist besser als alles
    Geschreibse der Federfuchser«, und zu seinen Lieb-
    lingssätzen gehörte der Ausspruch Zimmermanns:
    »Ein Trommelschläger, der in zwanzig Schlachten trommelte, weiß doch weniger vom Kriege wie König
    Friedrich, als er eine gewonnen hatte.« Gegen die Trommelschläger, die in zwanzig Schlachten ge-trommelt, zog Thaer jetzt zu Felde; auch seine ärztli-
    che Praxis mochte ihm gezeigt haben, daß es mit der
    »Erfahrung« untergeordneter Naturen ein eigen Ding
    sei und daß sie nur da belehre, wo eine Neigung vor-
    handen sei, sich belehren zu lassen. Wo diese Nei-
    gung fehlt, glauben die Männer der Erfahrung wohl
    an Tücken der Natur, aber nie an Fehler des Sys-
    tems.
    Thaer begann, die Anfänge einer rationellen Land-
    wirtschaft in seinem Kopfe allmählich auszuarbeiten,
    und fing mit der Aufstellung gewisser Probleme an.
    Das erste Problem, dessen Lösung er zustrebte,

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