Wanderungen durch die Mark Brandenburg
hatte bis dahin Blau und Gold ge-
tragen) folgende Szene statt. Der Kronprinz
lud die Offiziere vor eins der Tore, wo sie ei-
nen brennenden Holzstoß fanden. Erfrischun-
gen wurden gereicht. Als alles guten Humores
war, begann der Prinz: »Nun, meine Herren,
da wir hier alle versammelt sind, dächt ich,
wir erzeugten der Goltzischen Unifonn die
letzte Ehre .« Dabei zog er Rock und Weste
aus und warf sie ins Feuer. Die Offiziere taten
desgleichen. Unter lautem Gelächter folgten
schließlich auch die Beinkleider. In neuer Uni-
form kehrte man in die Stadt zurück. Diese
Szene ist charakteristisch für den Ton, der
herrschte.
Das Rheinsberger Schloß schmückt und erweitert
sich mehr und mehr, der Tag der Übersiedelung je-
doch ist noch fern, und die bescheidenen Ruppiner
Räume müssen zunächst noch genügen. Die Stadt-
wohnung läßt viel zu wünschen übrig, aber es be-
drückt nicht, denn wenigstens die Sommermonate
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gehören dem »Garten am Wall«. Hier lebt er heitere,
mußevolle Stunden, die Vorläufer jener berühmt ge-
wordenen Tage von Rheinsberg und Sanssouci. All-
abendlich, nach der Schwere des Dienstes, zieht es
ihn nach seinem »Amalthea«1) hinaus. Der Weg
durch die häßlichen Straßen der alten Stadt ist ihm
unbequem, so hat er denn für ein Mauerpförtchen
Sorge getragen, das ihn unmittelbar aus dem Hofe
seines »Palais« auf den Wall und nach kurzem Spa-
ziergang unter den alten Eichen in die lachenden
Anlagen seines Gartens führt. Da blüht es und duftet
es; Levkojen und Melonen werden gezogen, und auf
leis ansteigender Erhöhung erhebt sich der »Tem-
pel«, der Vereinigungspunkt des Freundeskreises,
den der Kronprinz hier allabendlich um sich versam-
melt. Das Souterrain enthält eine Küche, der »Tem-
pel« selbst aber ist einer jener oft abgebildeten Pa-
villons, die auf sechs korinthischen Säulen ein flach-
gewölbtes Dach tragen und sich in den Parks und
Gärten jener Epoche einer besonderen Gunst als Eß-
zimmer erfreuten. Der Mond steht am Himmel, in
dem dichten Gebüsch des benachbarten Walls schla-
gen die Nachtigallen, die Flamme der Ampel, die von
der Decke herabhängt, brennt unbeweglich, denn
kein Lüftchen regt sich, und keine frostig abwehren-
de Prinzlichkeit stört die Heiterkeit der Freunde.
Noch ist kein Voltaire da, der seine Piquanterien mit
graziöser Handbewegung präsentiert, noch fehlen die
Algarotti, d'Argens und Lamettrie, all die berühmten
Namen einer späteren Zeit, und Offiziere seines Re-
giments sind es zunächst noch, die hier der Kron-
prinz um sich versarnmelt: von Kleist, von Rathe-
now, von Knobelsdorff2), von Schenkendorff, von
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Gröben, von Buddenbrock, von Wylich, vor allem –
Chazot3).
Das Leben, das er mit diesen Offizieren führte, war
frei von allen Fesseln der Etiquette, ja ein Übermut
griff Platz, der unsern heutigen Vorstellungen von
Anstand und guter Sitte kaum noch entsprechen
dürfte. Fenstereinwerfen, Liebeshändel und Schwär-
mer abbrennen zur Ängstigung von Frauen und
Landpastoren zählte zu den beliebtesten Unterhal-
tungsmitteln. Man war noch so unphilosophisch wie
möglich.
So kam der August 1736, um welche Zeit der Umbau
des Rheinsberger Schlosses beendet war. Von da an
beginnen die glänzenden und vielgefeierten Rheins-
berger Tage. Aber diese Rheinsberger Tage, die das
Ruppiner Leben verdunkelt haben, waren doch nicht
so völlig das Ende desselben, wie gewöhnlich ge-
glaubt wird. Vielmehr fand jetzt ein Austausch, eine
Art Rückzahlung statt, und wenn von 1733 an die
Rheinsberger Ausflüge Ruppin um die andauernde
Anwesenheit des Kronprinzen gebracht hatten, so
war von jetzt an Ruppin der Gegenstand und das Ziel beständiger, wenn auch zum Teil durch den »Dienst«
gebotener Besuche. Viele seiner Briefe geben Aus-
kunft darüber, wie teuer ihm die Stadt, in der er vier
glückliche Jahre verlebt hatte, geworden war. Ent-
weder tragen jene Briefe das Datum Ruppin und füh-
ren dadurch den Beweis längeren oder kürzeren Auf-
enthalts daselbst, oder flüchtige, von Potsdam, Berlin
und andern Punkten aus geschriebene Zeilen spre-
chen eine Sehnsucht aus nach seiner »geliebten
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Garnison«. So schreibt er im Juni 1737 an Suhm:
»Den 25. geh ich wieder nach ›Amalthea‹, meinem
Garten in Ruppin. Ich brenne vor Ungeduld, meinen
Wein, meine Kirschen und meine Melonen wieder zu
sehen«, und 1739 noch (am 16. Juni) heißt es
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