Wanderungen durch die Mark Brandenburg
in
einem vom Ruppiner Garten aus datierten Briefe:
»Ich werde morgen nach Rheinsberg gehn, um allda
nach meiner kleinen Wirtschaft zu sehen; hier wollen keine Melonen reif werden , so gerne wie ich auch gewollt, daß ich meinem gnädigsten Vater die Erst-linge des Jahres hätte schicken können.«
Diese beiden Briefe sind insoweit wichtig, als sie kei-
nen Zweifel darüber lassen, daß Kronprinz Friedrich
seinem »Amalthea« zu Ruppin keineswegs den Rü-
cken kehrte, vielmehr vom August 1736 an eine Art
Doppelwirtschaft führte und an die Gärten und
Treibhäuser beider Plätze die gleichen Ansprüche
erhob. Sonntags las er in Ruppin seine Predigt, während Des Champs vor der Kronprinzessin und dem
Hofe in Rheinsberg predigte.
Selbst noch unmittelbar nach der Thronbesteigung
(im Sommer 1740) sah die Stadt Ruppin den nun-
mehrigen König Friedrich II. mehrfach in ihren Mau-
ern, und bis zum Spätherbste desselben Jahres blieb
es zweifelhaft, ob Ruppin oder Potsdam oder Rheins-
berg der erklärte Lieblingsaufenthalt des neuen Kö-
nigs werden wurde. Großartige Gartenanlagen, wie
sie damals entworfen wurden, schienen für Ruppin
zu sprechen, aber die weite Entfernung von der
Hauptstadt führte schließlich zu andern Entschlüs-
sen. Die Terrassen von Sanssouci wuchsen empor, 135
und – Ruppin war vergessen. Es ist zweifelhaft, ob
der große König in seiner sechsundvierzigjährigen
Regierung es jemals wiedergesehn hat.
Die Frage bleibt uns zum Schlusse: Was wurd aus
diesen Schöpfungen, großen und kleinen, die die
Anwesenheit des Kronprinzen ins Dasein rief? Was
haben 150 Jahre zerstört, was ist geblieben?
Zunächst das Stadtpalais . 1744 schenkte es der Kö-
nig an seinen jüngsten Bruder, den Prinzen Ferdi-
nand, der zum Chef des in Ruppin garnisonierenden
Regiments ernannt worden war. In dieser seiner Ei-
genschaft als Chef des nunmehrigen Regiments Prinz
Ferdinand scheint genannter Prinz bis 1787, wo das
große Feuer die Stadt zerstörte, wenigstens zeitwei-
lig in Ruppin residiert und das vormalig kronprinzli-
che Palais bewohnt zu haben.4) Dies ergibt sich mit
einiger Gewißheit aus der Existenz zweier etwa aus
dem Jahre 1780 herstammender Bildnisse, die – bei
Gelegenheit des Brandes von 87 gerettet – einem
andern Gebäude wie dem Prinz Ferdinandschen Pa-
lais nicht wohl angehört haben können. Es sind dies
die Bildnisse der Kaiserin Katharina von Rußland und
der Königin Maria Antoinette, Portraits, die hier
schwerlich anzutreffen gewesen wären, wenn nicht
der Prinz auch noch in der Zeit nach dem Siebenjährigen Kriege wenigstens vorhergehend an dieser
Stelle geweilt hätte. Was die Portraits selber angeht,
so macht das der schönen Habsburgerin einen sehr
gefälligen Eindruck, während das der Kaiserin Katha-
rina mit dem Andreaskreuz auf der Brust nicht bloß
durch Umwandlung aus einem ursprünglieben Knie-
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stück in ein Bruststück , sondern weit mehr noch durch einen plump aufgetragenen Firnis an Wert und
Ansehen verloren hat. Die Transponierung in ein
Bruststück erfolgte, wie mir der gegenwärtige Besit-
zer vertraulich mitteilte, lediglich unter Anwendung
einer großen Zuschneideschere und war nötig, weil
die ganze untere Partie der Kaiserin schwer gelitten
hatte. Der Erzähler selbst ahnte dabei nichts von
dem Bedeutungsvollen seiner Tat, am wenigsten
aber von der historischen Gerechtigkeit, die die gro-
ße Zuschneideschere geübt hatte.
Das »Palais« selbst ist niedergebrannt, und ein apart
aussehendes Haus (das sogenannte Molliussche
Haus) ist auf dem Grund und Boden aufgeführt wor-
den, auf dem 1732 die nachbarlichen Häuser des
Obristen von Wreech und des Obristlieutenants von
Möllendorf zu einer Art von prinzlichem Palais ver-
bunden worden waren. Die Straße, die zu diesem
Hause führt, führt wie billig den Namen der Prinzen-
straße, und ein prächtiger alter Lindenbaum, der
seine Zweige vor dem poetisch dreinschauenden
grauweißen Hause ausbreitet, schafft ein Bild, wie's
dieser Stelle paßt und kleidet.
Zwischen dem Hause und der Stadtmauer liegt ein
Gärtchen. Wir passieren es und stehen vor der auf
den »Wall« hinaus führenden Mauerpforte, die der
Kronprinz allabendlich benutzte, wenn er nach dem
Dienst und der Arbeit des Tages sich erhob, um im
»Tempel« den obenbenannten Freundes- und Offi-
zierskreis um sich her zu versammeln.
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Die Tür existiert nicht mehr, und es bedarf
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