Wanderungen durch die Mark Brandenburg
versichern, daß er vor
atheistischen Büchern allezeit einen wahren Abscheu
gehabt habe. Andererseits könne er nicht leugnen,
daß er öfters »eine Thesin maintenieret«, aber bloß,
um seinen Verstand sehen zu lassen. Denn er habe
gefunden, daß solches in belebten Gesellschaften
»vor sehr artig passieret wäre«. Und so hätte er es
mitgemacht.
Auch an diesem Tage – die jedesmalige Tagesfahrt
war nur vier Meilen – kamen sie früh ins Quartier,
und er erquickte sich an Kaffee, »der überhaupt sein
bestes Labsal war«. Sowohl abends wie morgens.
Der dritte Tag war ein Regentag. Als er gegen Mittag
Küstrin erkannte, das er immer nur bei Gelegenheit
des in Sonnenburg (eine Meile östlich von Küstrin)
stattfindenden Johanniter-Ritterschlages gesehen
haben mochte, erinnerte er sich des Markgrafen Alb-
recht, damaligen Herrenmeisters, und hat von
Schack, dem Markgrafen seinen untertänigsten Re-
spekt vermelden, demselben auch danken zu wollen,
daß er ihn in den Johanniterorden aufgenommen
habe. Dieses sei die höchste Ehre gewesen, die ihm
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diese Welt erwiesen, und er wolle in schuldiger
Dankbarkeit dafür bei Gott bitten, den hohen Herrn
in seinen himmlischen Orden aufzunehmen.
Während dieses Gespräches waren sie bis an die
große Oderbrücke gekommen; der Regen ließ nach,
und die Sonne trat hervor. »Das ist mir ein gutes
Zeichen«, sagte er, »hier wird meine Gnadensonne
anfangen zu scheinen.«
Gleich danach hielten sie vor dem Tor und wurden
von dem Platzkommandanten von Reichmann emp-
fangen, der den Delinquenten in eine dicht über dem
Tor gelegene Stube führte.
Von hier aus trat er den anderen Morgen seinen letz-
ten Gang an.
Der 6. November 1730
Der nächste Morgen war für die Hinrichtung be-
stimmt. Eine Relation des Majors von Schack, die
derselbe dienstlich an den Feldmarschall von Natz-
mer richtete, enthält eine genaue Schilderung aller
Vorgänge von dem Augenblick an, wo Katte am 5.
nachmittags am Küstriner Tore eintraf. Es ist aus
dieser Relation, daß ich nachstehendes entnehme.
»... Als wir um zwei Uhr«, so schreibt von Schack,
»an das Tor kamen, fanden wir daselbst den Kom-
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mandanten. Er hielt uns an und ließ uns aussteigen.
Danach nahm er den seligen Herrn von Katt bei der
Hand und führte ihn die Treppe zum Wall hinauf,
allwo über dem Tor« (es ist das Tor zwischen Bastion
König und Bastion Königin; vergleiche die Festungs-
skizze) »eine Stube mit zwei Betten, eines für Katt
und das andere für den Feldprediger, präparieret
war. Der Kommandant sagte mir danach, daß wir
den Herrn von Katt auch an dieser Stelle noch in
Verwahrung zu halten hätten, und zeigte mir die
Punkte, wo unsre Posten am besten auszusetzen
wären. Gleicherzeit wies er mir die königliche Ordre,
aus der ich ersah, daß die Hinrichtung am andern
Morgen um sieben Uhr stattfinden und mein ganzes
Kommando (aber zu Fuß) den Herrn von Katt in ei-
nen durch 150 Mann von der Küstriner Garnison zu
bildenden Kreis hineinführen solle.
Als ich alles dieses erfahren, ging ich zu dem seligen
Herrn von Katt, nicht ohne Wehmut und Betrübnis
des Herzens, und sagte ihm, ›daß sein Ende näher
sei, als er vielleicht vermute‹. Er fragte auch uner-
schrocken, ›wann und um welche Zeit?‹ Da ich ihm
solches hinterbracht, antwortete er mir: ›Es ist mir
lieb; je eher, je lieber.‹
Darauf hat ihm der Gouverneur von Lepel Essen,
Wein und Bier geschickt, wovon er auch gegessen
und getrunken.
Etwas später schickte der Herr Präsident von Mün-
chow auch Essen und ungarischen Wein, wovon er
auch genossen. Dann aber nahm unser Feldprediger
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Müller den dasigen Garnisonprediger Besser mit zur
Hülfe und blieb in beständiger Arbeit mit ihm. Von
acht bis neun Uhr war ich mit den anderen Offiziers
bei ihm, und wir sangen und beteten mit. Weil aber
die Prediger gern mit ihm allein sein wollten, gingen
wir weg. Um zehn Uhr ließ man ihm Kaffee machen,
davon er nachgehende drei Tassen getrunken; mei-
nen Kerl (Burschen) ließ ich die ganze Nacht bei ihm,
ihm an die Hand zu gehen.
Um elf Uhr ging ich wieder zu ihm; ich konnte nicht
schlafen; aber wenn ich noch so bekümmert und
beängstet war und sah ihn nur, so richtete und mun-
terte seine Standhaftigkeit mich wieder auf. Und ich
betete und sang mit bis um ein Uhr morgens. Von
zwei bis drei Uhr sah man an der Couleur des Ge-
sichts wohl einen harten Kampf des
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