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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ei-
    nen Haufen, und wie traurig endiget sich nicht die
    Szene meines Lebens, und wie gar unterschieden ist
    mein jetziger Stand von dem , womit meine Gedan-
    ken schwanger gegangen; ich muß, anstatt den Weg
    zu Ehren und Ansehen, den Weg der Schmach und
    eines schändlichen Todes wandeln. Aber wie unbe-
    greiflich, o Herr, sind deine Wege und unerforschlich
    deine Gerichte. Wohl recht heißet es: ›Gottes Wege
    sind nicht der Menschen Wege, und der Menschen
    Wege sind nicht Gottes Wege.‹ Würd ich nicht etwan
    in der Sicherheit fortgegangen, bei allem Glück und
    Wohlleben Gott vergessen und ihn hintenangesetzt
    haben? Würd ich nicht bei den guten Tagen den Weg
    des Fleisches, der Sünden und der Wollust dem We-
    ge zu Gott vorgezogen haben? Ja gewiß hätte mich
    solches viel mehr von Gott ab- als zu ihm geführt.
    Die verdammte Ambition, die einem von der Kindheit
    auf, ohne den rechten Begriff davon zu geben, ein-
    geflößet wird, würde immer weitergegangen sein und

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    zuletzt dem eitlen Verstande zugeschrieben haben,
    was doch einzig und allein von Gott kommt. Solchem
    hat der gütige und gerechte Gott wollen zuvorkom-
    men und – da ich seiner öftern und vielfältigen Re-
    gung nicht Gehör gegeben – auf solche Art mich fassen müssen, daß ich mich nicht weiter ins Verderben
    stürzte und gar die ewige Verdammnis mir zuzöge.
    Darum sei er auch dafür gelobet! Fassen Sie sich
    demnach, mein Vater, und glauben Sie sicherlich,
    daß Gott mit mir im Spiel, ohne dessen Willen nichts
    geschehen, auch nicht einmal ein Sperling auf die
    Erde fallen kann! Er ist es ja, der alles regieret und
    leitet durch sein heiliges Wort; darum kommt auch
    dieses mein Verhältnis von ihm her. Ist gleich die Art
    des Todes bitter und herbe, so ist die Hoffnung und
    die Gewißheit der künftigen Seligkeit desto süßer
    und angenehmer! Ist es gleich mit Schimpf und
    Schmach verknüpfet, so ist es doch nicht im Ver-
    gleich der künftigen Herrlichkeit! Trösten Sie sich,
    mein Vater! Hat Ihnen doch Gott mehr Söhne gege-
    ben, denen er vielleicht mehr Glück in dieser Welt
    geben wird, und Ihnen, mein Vater, die Freude in
    denenselben erleben lassen, die Sie vergebens an
    mir gehoffet. Welches ich Ihnen von Grund meiner
    Seele wünsche. Unterdessen danke mit kindlichem
    Respekt für alle mir erwiesene Vatertreue, von mei-
    ner Kindheit an bis zur jetzigen Stunde. Gott der
    Allerhöchste vergelte Ihnen tausendfach die mir er-
    zeigte Liebe und ersetze Ihnen durch meine Brüder,
    was bei mir rückständig geblieben. Er erhalte und
    bewahre Sie bis in Ihr hohes und graues Alter und
    speise Sie mit Wohlergehen und tränke Sie mit der
    Gnade seines Geistes.

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    Ihr bis in den Tod getreuer Sohn Hans Hermann von
    Katt.
    Nachschrift . Was soll ich aber ihnen, liebwerteste Mama, die ich so sehr, als hätte uns das Band der
    Natur verbunden« (sie war seine Stiefmutter), »ge-
    liebet, und Euch, liebwerteste Geschwister, wie soll
    ich mein Andenken bei Euch stiften? Mein Zustand
    läßt nicht zu, alles, was ich auf dem Herzen habe,
    Euch vorzustellen; ich stehe vor der Pforte des To-
    des, muß also bedacht sein, mit einer gereinigten
    und geheiligten Seele einzugehen, kann also keine
    Zeit versäumen.
    H. H. v. K.«

    Als Katte mit diesem flüchtig und auf bloße Zettel
    niedergeschriebenen Briefe geendigt hatte, wollte er
    an eine Abschrift desselben gehen, aber der Prediger
    riet ihm ab: »seine Zeit wäre zu edel, und er möcht
    es nur lassen; sein Herr Vater sähe ja doch seine
    Meinung«. So begab er sich und bat den von Schack,
    den Brief späterhin rein abschreiben zu lassen. Da-
    nach aß er ein weniges, trank ein Glas korsikani-
    schen Wein und nahm die geistlichen Unterredungen
    wieder auf, bei welcher Gelegenheit er ebenso große
    Fassung und Ergebung wie Kenntnis und Geistes-
    schärfe zeigte. »Er gehe mit Freuden in den Tod«, so
    sagte er, »und wenn er die Wahl zu leben oder ster-
    ben hätte, so woll er das letztere wählen, denn es
    möchte ihm nicht immer die Zeit werden, sich so gut

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    vorzubereiten wie jetzt.« Unter solchen Gesprächen
    verging der Abend. Gegen zehn Uhr bat ihn von
    Schack, sich niederzulegen, was er anfänglich nicht
    mochte. Zuletzt aber tat er es und genoß eines fes-
    ten Schlafes.
    Am anderen Morgen ging es weiter. Er war mitteil-
    sam wie den Tag zuvor und sprach viel darüber, daß
    man ihn für einen Atheisten gehalten. Das sei er nie
    gewesen, ja er dürfe vielmehr

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