Wanderungen durch die Mark Brandenburg
viele
Tropfen Blut in meinen Adern fließen, so viele sollen
es Zeugen sein der neuen Treue und Gehorsams, die
Dero Gnade und Huld würket; Gottes Gnade und
Liebe lässet mich auch seiner Gnade hoffen; so ver-
zweifle denn auch nicht, der darum flehet und bittet,
als Ew. Majestät ungehorsam gewesener, nunmehr
aber durch Reu und Leid zu seiner Pflicht getriebener
Vasall und Untertan
Katt.«
So der Brief an den König.
Gleichzeitig schrieb er an seinen Großvater mütterli-
cherseits, den Generalfeldmarschall von Wartensle-
ben. In diesem Briefe bezieht er sich auf sein eben
an den König gerichtetes Gnadengesuch und schreibt
wörtlich: »Ihm (Gott) ist nichts unmöglich, es sind
ihm noch Mittel genug bekannt, um zu helfen; denn
er kann das Herz des Königs noch regieren und len-
ken, daß er sich so zur Gnade wiederum kehrt, als er
sich zur Schärfe bezeiget. Ist es sein Wille nicht , so sei er auch dafür gelobet; denn er kann es nicht an-1303
ders als gut mit uns meinen; darum gebe mich in
Geduld und erwarte, was Dero und andrer Vorspra-
che bei Ihro Majestät für Würkung tun werden.«
Aber alle »Vorsprache« war umsonst das Gnadenge-
such selbst blieb unbeantwortet, und am
3. November früh erschien Major von Schack von
den Gensdarmes mit einem starken Kommando sel-
bigen Regiments vor dem Wachtlokal, um den Delin-
quenten nach Küstrin zu schaffen, wo derselbe »vor
den Augen des Kronprinzen« enthauptet werden soll-
te.
Von Schack war tief erschüttert. »Ich habe Befehl
von Seiner Majestät«, so wandte er sich an Katte,
»bei Ihrer Hinrichtung zugegen zu sein. Zweimal
habe ich mich geweigert, aber ich habe zu gehor-
chen; Gott weiß es, was es mich kostet. Gebe der
Himmel, daß das Herz des Königs sich noch wenden
und ich in letzter Stunde noch die Freude haben
möchte, Ihnen Ihre Begnadigung anzukündigen.«
»Sie sind zu gütig«, antwortete Katte, »aber ich bin
mit meinem Schicksal zufrieden. Ich sterbe für einen
Herrn, den ich liebe, und habe den Trost, ihm durch
meinen Tod den stärksten Beweis der Anhänglichkeit
zu geben.«
Und danach bestieg er den Wagen, der vor dem
Wachtlokale hielt, und der Zug setzte sich, durch das
Landsberger Tor hin, auf Küstrin zu in Bewegung.
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Von Kattes Überführung nach Küstrin
Das Kommando unter Major von Schack bestand aus
dreißig Pferden, einem Rittmeister, einem Lieutenant
und zwei Unteroffizieren, die den Wagen in ihre Mitte
nahmen. In diesem selbst saßen außer Katte der
Major von Schack, der Feldprediger Müller vom Re-
giment Gensdarmes und ein Unteroffizier. Als sie bis
an den Wasserlauf der »Landwehr« gekommen, be-
gann der Feldprediger ein Singen und Beten, und
besonders war es das Lied: »Weg, mein Herz, mit
den Gedanken«, was eines Eindrucks auf Katte nicht
verfehlte. Zu guter Stunde kamen sie ins Quartier
(nur Dörfer wurden gewählt), und hier sprach Katte
den Wunsch aus, einen Abschiedsbrief an seinen
»Herrn Vater schreiben zu dürfen, den er so sehr
betrübet habe«. Dies wurde ihm bewilligt, und man
ließ ihn allein, um sich zu sammeln. Aber es wollte
ihm nicht gelingen, und als Major von Schack nach
einiger Zeit wieder bei ihm eintrat, fand er ihn noch
auf und ab gehend. Und dabei klagte er, »daß es so
diffizil wäre und daß er vor Betrübnis keinen Anfang
finden könne«. Von Schack sprach ihm zu, und er
setzte sich nun hin und schrieb. Dieser Brief aber
war folgenden Inhalts:
»In Tränen, mein Vater, möcht ich zerrinnen, wenn
ich daran gedenke, daß dieses Blatt Ihnen die größte
Betrübnis, so ein treues Vaterherze empfinden kann,
verursachen soll; daß die gehabte Hoffnung meiner
zeitlichen Wohlfahrt und Ihres Trostes im Alter mit
einmal verschwinden muß, daß Ihre angewendete
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Mühe und Fleiß in meiner Erziehung zu der Reife des
gewünschten Glücks sogar umsonst gewesen, ja daß
ich schon in der Blüte meiner Jahre mich neigen
muß, ohne vorher Ihnen in der Welt die Früchte Ihrer
Bemühungen und meiner erlangten Wissenschaften
zeigen zu können. Wie dachte ich nicht, mich in der
Welt emporzuschwingen und Ihrer gefaßten Hoff-
nung ein Genüge zu leisten; wie glaubte ich nicht,
daß es mir an meinem zeitlichen Glück und Wohl-
fahrt nicht fehlen könnte; wie war ich nicht einge-
nommen von der Gewißheit meines großen Anse-
hens! Aber alles umsonst! Wie nichtig sind nicht der
Menschen Gedanken: mit einmal fällt alles über
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