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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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französischer Sprache
    Abschied nahm, mit nicht geringer Wehmut.1) Er hör-
    te ferner seine abgefaßte Todessentenz durch den
    Herrn Geheimrat Gerbett unerschrocken vorlesen. Da
    solche geendiget, nahm er vollends Abschied von
    denen Herren Offiziers, besonders von dem von As-
    seburg, von Holzendorf, und dem ganzen Kreise,
    empfing die letzte Absolution und die priesterliche
    Einsegnung mit großer Devotion, entkleidete sich
    selber bis aufs Hemd, entblößte sich den Hals, nahm
    seine Haartour vom Haupte, bedeckte sich mit einer
    weißen Mütze, welche er zuvor zu dem Ende bei sich
    gesteckt hatte, kniete nieder auf den Sandhaufen
    und rief: ›Herr Jesu, nimm meinen Geist auf!‹ Und
    als er solchergestalt seine Seele in die Hände seines
    Vaters befohlen, ward das erlösete Haupt mit einem
    glücklich geratenen Streich durch die Hand und
    Schwert des Scharfrichters Coblentz vom Leibe ab-
    gesondert; ein Viertel auf acht Uhr, den
    6. November 1730. Dabei mir einfiel, was stehet
    2. Makkabäer 7, Vers 40: ›Also ist dieser fein dahin-
    gestorben und hat seinen Trost allein auf Gott ge-

    1315
    stellt.‹ Ich nahm ferner nichts mehr wahr als einige
    Zuckungen des Körpers, so vom frischen Geblüt und
    Leben herrührten. Wenig zusammengelaufene Leute
    sah man außer dem Kreise, auf dem Walle und in
    denen Fenstern, und noch weniger von Extraktion
    waren zugegen, weil viele teils solches nicht geglau-
    bet, teils nicht gewußt, teils es anzusehen Bedenken
    getragen.
    Der Körper und Haupt ward mit einem schwarzen
    Tuch bedecket, bis er von denen besten und vor-
    nehmsten Bürgern dieser Stadt aufgehoben, in einen
    beschlagenen Sarg geleget und auf hiesigem Gottes-
    acker in der sogenannten ›Kurzen Vorstadt‹ neben
    einen andern Offizier von hiesiger Garnison, so nicht
    lange vorher beerdigt ward, eingesenket wurde.
    Nachmittags um zwei Uhr.«
    Dieser Gottesacker, vom »Hohen Kavalier« aus
    sichtbar, liegt in erheblicher Entfernung von der
    Stadt, jenseits der Warthe. Hier ruhte der Tote, bis
    der Familie zugestanden war, ihn wieder ausgraben
    und auf dem Rittergute Wust, in der Nähe von Jeri-
    chow, bestatten zu lassen. Wann dies geschah, ist nicht bestimmt ersichtlich. Der Sarg aber wurde nach
    dem genannten Gute (Wust) hinübergeführt und
    steht daselbst bis diesen Tag in der Familiengruft der
    Kattes.
    Über diese Gruft selbst habe ich an anderer Stelle
    berichtet.

    1316
    Wo stand Kronprinz Friedrich?
    Wo fiel Kattes Haupt?
    Diese Fragen, hundertfältig erhoben, sind bis in die
    neueste Zeit hinein keineswegs auch nur mit annä-
    hernder Sicherheit beantwortet worden. Erst Divisi-
    onsprediger Hoffbauer zu Küstrin ist in einer
    1867 erschienenen Publikation diesen zwei Fragen
    gründlich nähergetreten, gründlicher als irgendwer
    vor ihm, und glaubt, auf die Frage 1: »Wo stand der
    Kronprinz?«, eine fast absolut richtige, auf die Fra-
    ge 2 aber: »Wo fiel Kattes Haupt?«, eine wenigstens
    mit hoher Wahrscheinlichkeit richtige Antwort gefun-
    den zu haben.

    Wo stand der Kronprinz? An dem letzten Hochparter-refenster der Schloßfront, wenn man von Bastion
    König auf Bastion Brandenburg zuschreitet. Diese
    große »Front des Schlosses«, immer am Wasser hin,
    ist aber ein ziemlich kompliziertes Ding und besteht
    aus einer eigentlichen und uneigentlichen Front. Die eigentliche Front gehört dem corps de logis an. Und
    in dieser eigentlichen Front oder dem corps de logis
    befindet sich das historische Fenster nicht .
    An das corps de logis lehnt sich indessen rechtwinke-
    lig noch ein architektonisch unvermittelter Seitenflü-
    gel, dessen Giebel nunmehr den Eindruck macht, als gehöre er mit in die große Wall- und Wasserfront des
    Schlosses hinein. Dieser Eindruck würde noch ent-

    1317

    schiedener sein, wenn erwähnter Seitenflügelgiebel
    nicht um ein paar Schritte zurückträte , so daß wir, in ein paar Linien ausgedrückt, nebenstehendes Bild
    gewinnen.

    An der offengelassenen und mit einem F. (Fenster)
    bezeichneten Stelle dieses Seitenflügelgiebels oder,
    was dasselbe sagen will, dieses uneigentlichen Teiles der gesamten Schloßfront stand der Kronprinz.
    Dafür, daß es gerade dieses Zimmer und kein anderes war, sprechen – neben der in Küstrin lebendig

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    gebliebenen Tradition – einerseits die Angaben des
    Generals von Münchow ( Sohnes des vorgenannten
    Kammerpräsidenten), der als etwa siebenjähriger
    Knabe jene Schreckenstage miterlebte, andererseits,
    wenn auch nur

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