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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Gesellschaft und an lautem Ge-
    spräch über den Tisch hin; es lag ihm an stiller
    Zwiesprach mit denen, die nicht mehr waren. Ihm
    waren diese weiten Räume nicht öde, und wenn er 1480
    nachts oder am hellen Mittage sie durchschritt, ver-
    nahm er ein Flüstern und stand still, ob er's erlau-
    schen könne. Vergeblich hingen die Blicke seiner
    Frau an ihm und baten um Rückkehr zu den Men-
    schen.
    Endlich kam Hülfe.
    Es war Hochsommer, und die Hitze des Tags hatte
    den General in die Wald- und Wiesengründe geführt,
    die den Kossenblatter See nach Süden hin umziehen.
    Es wurde drückend schwül, und um die vierte Stunde
    brach das Unwetter los. Als die Donner heraufzogen,
    war es, als rollten schwere Wagen durch alle Säle
    und Korridore. Einzelne Windstöße fuhren gegen das
    Schloß, und die entsetzten Frauen hörten jetzt, wie
    nah und fern und oben und unten ein gespenstisches
    Klappen von Fenstern und Türen begann. An hundert
    Stellen zugleich wollte der Böse herein. Das Blitzen
    wurd immer heftiger, und Herrin und Dienerin flohen
    aus ihren Zimmern in den langen schmalen Korridor
    hinaus, der auf den Schloßhof niederblickt. Der Flü-
    gel gegenüber stand wie in Nacht. Aber plötzlich war
    es, als fiel' ein Feuer vom Himmel, und der Schloßhof
    stand wie in Flammen, und die Dienerin schrie laut
    auf: »Dort sitzt sie!«... Es war ihr, als habe sie die
    alte Reichsgräfin gesehen, im Rollstuhl, unter der
    Balkontür und in die Flammen des Hofes starrend.
    Dieser Nachmittag entschied.
    Die Gäste verließen Schloß Kossenblatt, und alles
    war wieder wie zuvor. Spinnen und Ameisen began-

    1481
    nen ihre stille Wirtschaft, und niemand anders
    sprach ein als der Wind im Kamin.
    Aber aus der Geschichte unserer Tage haben wir
    noch einmal um anderthalb Jahrhunderte zurückzu-
    gehen in die Tage des letzten Grafen Barfus und in
    aller Kürze jener dritten Epoche Schloß Kossenblatts zu gedenken: der Zeit Friedrich Wilhelms I.

    Im Jahre 1735 kam König Friedrich Wilhelm I. auf
    einer Jagd von Königs Wusterhausen aus in die Kos-
    senblatter Gegend, sah das schöne Schloß und for-
    derte den Besitzer auf, ihm seine Besitzung zu ver-
    kaufen. Als dieser Antrag abgelehnt wurde, wurden
    nichtsdestoweniger alle Mittel in Bewegung gesetzt
    sich des ganzen Güterkomplexes zu versichern. Es
    fand sich auch bald ein Weg, da er sich durchaus
    finden sollte . Der Verlauf war folgender. Graf Barfus hatte dem Unterhändler des Königs gegenüber von
    180 000 Talern gesprochen, nur um loszukommen,
    in der festen Voraussicht, daß diese hohe Summe nie
    bewilligt werden würde, worin er auch recht behielt.
    Vielmehr begnügte sich der König damit, den Grafen
    wissen zu lassen, daß der Preis seiner Güter, nachdem er überhaupt einmal auf den Verkauf derselben
    eingegangen sei, nicht länger einseitig durch ihn
    selbst bestimmt werden könne. Es geböte sich jetzt
    eine Taxierung . Hiernach kam denn auch im Janu-
    ar 1736 ein Kauf zustande, ohne daß die belehnten
    Agnaten befragt worden wären. Der König bewilligte
    125 000 Taler, schlug Kossenblatt zur Herrschaft

    1482
    Königs Wusterhausen und überwies es, gleich nach
    der Übergabe, seinem zweiten Sohne, dem Prinzen
    August Wilhelm. Ob dieser je dort residiert hat, ist
    zweifelhaft. Der Prinz bevorzugte das in Nähe seiner
    Garnison Spandau gelegene Schloß Oranienburg und
    begnügte sich damit, seinen Namenszug A. W. an
    dem großen Frontbalkon des ehemaligen Barfusen-
    Schlosses anbringen zu lassen.

    Prinz August Wilhelm verschmähte Kossenblatt, aber
    der König selbst scheint während seiner letzten Le-
    bensjahre viele Wochen und Monate daselbst zuge-
    bracht zu haben. Wenn der Ausdruck gestattet ist: er
    saß hier seine Gicht ab, und Kossenblatt wurde der
    Hauptschauplatz jener Kunstübungen, deren Resulta-
    te die bekannte Inschrift tragen: »In tormentis pin-
    xit.« 1)

    Nach diesen historischen Vorbemerkungen schicken
    wir uns zu einem Besuche des Schlosses selber an.
    Es wirkt im Näherkommen nicht ungünstig, und erst
    die Rückseite des Baues zeigt uns seine Schwächen:
    zu lange Flügel und einen zu schmalen Schloßhof.
    Ebendiese Rückseite hat auch den Blick auf die Spree
    und eine kümmerliche dahinter gelegene Baumanla-
    ge, die den Namen »Lustgarten« führt. In diesem
    wurde der König in seinem Rollstuhl auf und ab ge-
    fahren, und die zugeschrägte Doppelrampe, die sich

    1483
    bis diesen Tag in Hufeisenform an die Schloßflügel
    legt,

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