Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Gesellschaft und an lautem Ge-
spräch über den Tisch hin; es lag ihm an stiller
Zwiesprach mit denen, die nicht mehr waren. Ihm
waren diese weiten Räume nicht öde, und wenn er 1480
nachts oder am hellen Mittage sie durchschritt, ver-
nahm er ein Flüstern und stand still, ob er's erlau-
schen könne. Vergeblich hingen die Blicke seiner
Frau an ihm und baten um Rückkehr zu den Men-
schen.
Endlich kam Hülfe.
Es war Hochsommer, und die Hitze des Tags hatte
den General in die Wald- und Wiesengründe geführt,
die den Kossenblatter See nach Süden hin umziehen.
Es wurde drückend schwül, und um die vierte Stunde
brach das Unwetter los. Als die Donner heraufzogen,
war es, als rollten schwere Wagen durch alle Säle
und Korridore. Einzelne Windstöße fuhren gegen das
Schloß, und die entsetzten Frauen hörten jetzt, wie
nah und fern und oben und unten ein gespenstisches
Klappen von Fenstern und Türen begann. An hundert
Stellen zugleich wollte der Böse herein. Das Blitzen
wurd immer heftiger, und Herrin und Dienerin flohen
aus ihren Zimmern in den langen schmalen Korridor
hinaus, der auf den Schloßhof niederblickt. Der Flü-
gel gegenüber stand wie in Nacht. Aber plötzlich war
es, als fiel' ein Feuer vom Himmel, und der Schloßhof
stand wie in Flammen, und die Dienerin schrie laut
auf: »Dort sitzt sie!«... Es war ihr, als habe sie die
alte Reichsgräfin gesehen, im Rollstuhl, unter der
Balkontür und in die Flammen des Hofes starrend.
Dieser Nachmittag entschied.
Die Gäste verließen Schloß Kossenblatt, und alles
war wieder wie zuvor. Spinnen und Ameisen began-
1481
nen ihre stille Wirtschaft, und niemand anders
sprach ein als der Wind im Kamin.
Aber aus der Geschichte unserer Tage haben wir
noch einmal um anderthalb Jahrhunderte zurückzu-
gehen in die Tage des letzten Grafen Barfus und in
aller Kürze jener dritten Epoche Schloß Kossenblatts zu gedenken: der Zeit Friedrich Wilhelms I.
Im Jahre 1735 kam König Friedrich Wilhelm I. auf
einer Jagd von Königs Wusterhausen aus in die Kos-
senblatter Gegend, sah das schöne Schloß und for-
derte den Besitzer auf, ihm seine Besitzung zu ver-
kaufen. Als dieser Antrag abgelehnt wurde, wurden
nichtsdestoweniger alle Mittel in Bewegung gesetzt
sich des ganzen Güterkomplexes zu versichern. Es
fand sich auch bald ein Weg, da er sich durchaus
finden sollte . Der Verlauf war folgender. Graf Barfus hatte dem Unterhändler des Königs gegenüber von
180 000 Talern gesprochen, nur um loszukommen,
in der festen Voraussicht, daß diese hohe Summe nie
bewilligt werden würde, worin er auch recht behielt.
Vielmehr begnügte sich der König damit, den Grafen
wissen zu lassen, daß der Preis seiner Güter, nachdem er überhaupt einmal auf den Verkauf derselben
eingegangen sei, nicht länger einseitig durch ihn
selbst bestimmt werden könne. Es geböte sich jetzt
eine Taxierung . Hiernach kam denn auch im Janu-
ar 1736 ein Kauf zustande, ohne daß die belehnten
Agnaten befragt worden wären. Der König bewilligte
125 000 Taler, schlug Kossenblatt zur Herrschaft
1482
Königs Wusterhausen und überwies es, gleich nach
der Übergabe, seinem zweiten Sohne, dem Prinzen
August Wilhelm. Ob dieser je dort residiert hat, ist
zweifelhaft. Der Prinz bevorzugte das in Nähe seiner
Garnison Spandau gelegene Schloß Oranienburg und
begnügte sich damit, seinen Namenszug A. W. an
dem großen Frontbalkon des ehemaligen Barfusen-
Schlosses anbringen zu lassen.
Prinz August Wilhelm verschmähte Kossenblatt, aber
der König selbst scheint während seiner letzten Le-
bensjahre viele Wochen und Monate daselbst zuge-
bracht zu haben. Wenn der Ausdruck gestattet ist: er
saß hier seine Gicht ab, und Kossenblatt wurde der
Hauptschauplatz jener Kunstübungen, deren Resulta-
te die bekannte Inschrift tragen: »In tormentis pin-
xit.« 1)
Nach diesen historischen Vorbemerkungen schicken
wir uns zu einem Besuche des Schlosses selber an.
Es wirkt im Näherkommen nicht ungünstig, und erst
die Rückseite des Baues zeigt uns seine Schwächen:
zu lange Flügel und einen zu schmalen Schloßhof.
Ebendiese Rückseite hat auch den Blick auf die Spree
und eine kümmerliche dahinter gelegene Baumanla-
ge, die den Namen »Lustgarten« führt. In diesem
wurde der König in seinem Rollstuhl auf und ab ge-
fahren, und die zugeschrägte Doppelrampe, die sich
1483
bis diesen Tag in Hufeisenform an die Schloßflügel
legt,
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