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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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zeigt am deutlichsten, mit welcher Sorglichkeit
    all und jedes eingerichtet war, um die schlechte Lau-
    ne des von Gicht und Wassersucht geplagten Königs
    nicht noch schlechter zu machen.

    Wir haben jetzt das Schloß umschritten und treten
    ein. Der Eindruck, den es in seinem Innern macht,
    ist der des Stattlichen, aber zugleich der höchsten
    Trübseligkeit. Es ist ein imposantes Nichts, eine wür-
    devolle Lehre – die Dimensionen eines Schlosses und
    die Nüchternheit einer Kaserne. Aber erst in den
    Zimmern der Beletage erreicht die Trübseligkeit ih-
    ren höchsten Grad. Hechtgrau gestrichene Türen
    tragen allerhand Inschriften in gelber Ölfarbe, und
    den Korridor des linken Flügels hinunterschreitend,
    lesen wir nach der Analogie von Kasernenstube Nr. 3
    oder 4: »Ihro Hoheit Kronprinzessin«, »Ihre Hohei-
    ten Prinzessin Ulrike und Amalie«, »Ihre Königlichen
    Hoheiten Prinz Heinrich und Ferdinand«, »Oberhof-
    meisterin«, »Fräuleinskammer« etc. Dazwischen
    immer »Garderobezimmer«, aber, sooft wir öffnen,
    alles in dieselbe weiße Tünche getaucht.
    Wir kehren nun aus dem ersten Stock in das Erdge-
    schoß zurück. Hier wohnte der König, und mancher-
    lei erinnert noch an seine Neigungen und seine Tä-
    tigkeit. In dem großen Eckzimmer des linken Flügels
    sind die Wände bis zu beträchtlicher Höhe mit klei-
    nen holländischen Kacheln bekleidet: glasierte Täfel-
    chen mit blauen Figuren darauf. Dies war ersichtlich

    1484
    das Staats- und Empfangszimmer, denn über dem
    Kamine hängt ein Portrait Ludwigs XIV. in weit nach-
    schleppendem Hermelin. Die Farben des Bildes sind
    halb abgefallen, aber auch der haftengebliebene Rest
    ist immer noch das einzige, was in dem ganzen wei-
    ten Schloß an Kunst erinnert und an Genius mahnt.
    In demselben Staats- und Empfangszimmer befindet
    sich noch ein Dutzend anderer Portraits: die in tor-
    mentis gemalten Bilder des Königs selbst. Das Mil-
    deste, was man von ihnen sagen kann, ist: sie ver-
    leugnen die Stunde ihres Ursprungs nicht. Freilich
    haben auch sie ihre Verehrer gefunden. Einige unbedingte Friedrich-Wilhelm-Bewunderer haben die gan-
    ze Frage auf das Gebiet der Energie gespielt und von
    diesem Standpunkt aus mit einem gewissen Rechte
    gesagt: »So malte ein Mann, der nicht malen konnte.
    Und so malte er unter Schmerzen und – jeden Tag ein Bild.«
    Vor diesem Raisonnement verneigt sich die Kritik.
    Alle diese Bilder des Königs rühren aus den Jahren
    1736, 1737 und 1738 her. Es sind sämtlich Portraits
    (Bruststücke), und zwar einundvierzig an der Zahl,
    von denen sich zweiunddreißig in den Zimmern,
    neun aber im Korridor befinden. Alle in Rahmen von
    geheiztem Eichenholz. So häßlich die Bilder sind und
    so unfähig, ein künstlerisches Wohlgefallen zu we-
    cken, so wecken sie doch immerhin ein gewisses
    künstlerisches Interesse . Der Hang zum Charakteristischen ist unverkennbar. In dem einen Zimmer hän-
    gen zum Beispiel zwei seiner Judenköpfe nebenein-

    1485
    ander. Man sieht deutlich, daß ihm der erste Kopf
    nicht jüdisch genug erschienen war und daß er sich
    zum zweitenmal an die Arbeit machte, um den nati-
    onalen Typus entschiedener herauszuarbeiten. Ein-
    mal ist ihm sogar ein hübscher Kopf geglückt: die
    Frau seines Ersten Kammerdieners. Hübsch cum
    grano salis.
    Außer den Bildern des Königs, die neuerdings, wenn
    ich nicht irre, nach Königs Wusterhausen hinüberge-
    schafft worden sind, bewahrt Schloß Kossenblatt
    auch die Staffelei, worauf die Bilder gemalt wurden.
    Daneben einen Eichentisch und um den Tisch herum
    eine Anzahl schwerer Holzstühle nach Art unserer
    jetzigen Gartensessel. Alles solid und primitiv.
    Wir durchschnitten endlich auch den Rest des Erdge-
    schosses und fanden seine Räume, wie wir die des
    ersten Stockes gefunden hatten: groß, öde, weiß.
    Dazu hohe Fenster und hohe Kamine. Sie hatten bloß
    ein charakteristisches Zeichen, und dieses Zeichen
    mehrte nur unser Grauen. In jedem Zimmer lag ein
    toter Vogel, in manchem zwei, auch drei. In Sturm-
    nächten hatten sie Schutz gesucht in den Rauchfän-
    gen, und immer tiefer nach unten steigend, waren
    sie zuletzt wie in eine Vogelfalle hineingeraten.
    Und hier vergebens einen Ausweg suchend, hin und
    her flatternd in dem weiten Gefängnis, waren sie
    verhungert.

    1486
    Spät am Abend mahlte sich unser Fuhrwerk wieder
    durch den Sand zurück. Es war kühl geworden, und
    der Sternenhimmel gab auch dieser Öde einen poetischen Schimmer.

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