Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
und die »Taufe« war fertig. Die Bearbei-
    tungskunst bleibt aber unter allen Umständen er-
    staunenswert, wenn man erwägt, wie geringe techni-
    sche Hülfsmittel damals zu Gebote standen. Jetzt

    1575
    begegnet man solchen »Taufen« nur sehr selten
    noch.

    Gielsdorf
    Gielsdorf – durch den schönen Ihland-See von Wil-
    kendorf getrennt – ist seit 400 Jahren im Besitze der
    Familie. In einen der alten Kirchenpfeiler wurde, mit
    Bezugnahme darauf, eine Steintafel eingemauert, die
    folgende Inschrift trägt: »Zur Erinnerung an die
    1460 unter Kurfürst Friedrich geschehene Belehnung
    des Werner Pfuel mit Gielsdorf und an den vierhun-
    dertjährigen Besitz seiner Erben. Gustav von
    Pfuel, 1860.«
    Auch in der Gielsdorfer Kirche befindet sich ein aus-
    gemeißelter Taufstein, doch ist derselbe ersichtlich
    aus spätrer Zeit, nicht so groß wie der Wilkendorfer
    und, statt in Granit, in bloßem Kalkstein (wahr-
    scheinlich aus dem benachbarten Rüdersdorf) ausge-
    führt. In Front trägt der Stein ein flach gearbeitetes
    Kreuz und als Umschrift um dasselbe, in Form eines
    Kranzes, die Worte: »NON GLORIOR NISI IN CRUCE
    DOMINI.«
    Die Emporen der alten Kirche ruhen auf kurzen,
    grobgeschnitzten Holzpfeilern; in einen derselben
    sind die Worte eingeschnitten: »BERTRAMB
    V. PFUEL. ANNO MDCX.« Dieser Bertramb von Pfuel
    war ein Vetter Kurt Bertrams von Pf., der während

    1576
    des Dreißigjährigen Krieges eine Rolle spielte und auf
    den wir weiterhin zurückkommen.
    Unter dem Altar der Gielsdorfer Kirche soll ein ande-
    rer Pfuel (Christian Friedrich) bestattet sein. Eine
    Stückkugel riß ihm, beim Sturm auf Kaiserswerth,
    den Kopf weg, und Rumpf und Glieder wurden in
    Gielsdorf begraben. Das war 1702. Er war Oberst in
    einem Infanterieregiment. Sein Bild befindet sich in
    Jähnsfelde. Ein Spruch in der Jahnsfelder Kirche ge-
    denkt sein. Dieser von Friedrich la Motte Fouqué her-
    rührende Spruch lautet:
    Italien hat und Niederland
    Den edlen Kämpfer oft geschaut.
    In vieler wilden Schlachten Brand
    Hat er das Feld mit seinem Blut betaut.
    Als letzter Kranz ward ruhmvoll ihm beschert
    Zu sterben, vorbewußt , im Sturm auf Kaiserswerth.
    Dieses »vorbewußt« bezieht sich auf folgenden Vor-
    fall, der als Tradition in der Familie fortlebt. Am Tage vor dem Sturm auf Kaiserswerth will Pfuel in sein
    Zelt treten. Die vor dem Zelt stehende Schildwacht
    salutiert nicht, erblaßt aber und zeigt nur auf das
    Innere des Zelts. Pfuel tritt jetzt ein und sieht sich
    selber, schreibend, am Tische sitzen. Er tritt hinter
    die Gestalt, blickt dem ruhig Weiterschreibenden
    über die Schulter und liest sein Testament. Dann
    verschwindet die Gestalt. Pfuel wußte jetzt, daß er
    andern Tages sterben werde. Er setzte sich auf den
    Feldstuhl, auf dem eben sein Doppelgänger geses-

    1577
    sen, schrieb an seine Frau und nahm Abschied von
    ihr. Andren Tages fiel er an der Spitze seiner Sturm-
    kolonne.
    Es ist sehr wahrscheinlich, daß diese Geschichte zu
    Chamissos schönem Gedichte »Die Erscheinung«
    Veranlassung gegeben hat. Wenigstens ist die Situa-
    tion dieselbe. Chamisso war mit Fouqué befreundet,
    und Fouqué seinerseits kannte die Familientradition
    des ihm verwandten Pfuelschen Hauses.

    1. Gegenüber dem Wandpfeiler, der diese Tro-
    phäe trägt, befindet sich, in gleicher Höhe mit
    den Emporen der Kirche, der ehemalig Pfuel-
    sche Chor- oder Kirchenstuhl, groß und ge-
    räumig, nach Art eines Zimmers. An seiner
    Vorderwandung bemerken wir drei oder vier
    ineinander verschlungene Goldbuchstaben,
    die aller Entzifferung spotten, höchstwahr-
    scheinlich aber einen Pfuelschen Namenszug
    darstellen. Der Kirchenstuhl selber hat etwas
    unheimlich Geheimnisvolles. Die Fenster sind
    ausgenommen, und wenn man auf die Brüs-
    tung einer der Nebenemporen steigt, um von
    der Seite her hineinzulugen, so gewahrt man
    nichts als einen rostigen Kamin, Spinnweb
    und verstaubte Gewölbekappen, die unter den
    aufgerissenen Dielen sichtbar werden. Der
    Aufgang zu diesem Chorstuhl ist vermauert
    (man erkennt noch die Stelle, wo die Treppe
    mündete), und wie die Jahre wachsen, so

    1578
    wächst auch der Reiz der Frage: Wer hat die-
    se Dielen aufgerissen? Wer bangte vor diesem
    Platz? Wer hat ihn vermauert?

    Jahnsfelde
    Jahnsfelde ist seit 1449 in der Pfuelschen Familie,
    also noch elf Jahre länger als Gielsdorf. Die hübsche
    Inschrift über der Tür des Herrenhauses nimmt Be-
    zug darauf und lautet:
    Glück herein, Unglück

Weitere Kostenlose Bücher