Wanderungen durch die Mark Brandenburg
und die »Taufe« war fertig. Die Bearbei-
tungskunst bleibt aber unter allen Umständen er-
staunenswert, wenn man erwägt, wie geringe techni-
sche Hülfsmittel damals zu Gebote standen. Jetzt
1575
begegnet man solchen »Taufen« nur sehr selten
noch.
Gielsdorf
Gielsdorf – durch den schönen Ihland-See von Wil-
kendorf getrennt – ist seit 400 Jahren im Besitze der
Familie. In einen der alten Kirchenpfeiler wurde, mit
Bezugnahme darauf, eine Steintafel eingemauert, die
folgende Inschrift trägt: »Zur Erinnerung an die
1460 unter Kurfürst Friedrich geschehene Belehnung
des Werner Pfuel mit Gielsdorf und an den vierhun-
dertjährigen Besitz seiner Erben. Gustav von
Pfuel, 1860.«
Auch in der Gielsdorfer Kirche befindet sich ein aus-
gemeißelter Taufstein, doch ist derselbe ersichtlich
aus spätrer Zeit, nicht so groß wie der Wilkendorfer
und, statt in Granit, in bloßem Kalkstein (wahr-
scheinlich aus dem benachbarten Rüdersdorf) ausge-
führt. In Front trägt der Stein ein flach gearbeitetes
Kreuz und als Umschrift um dasselbe, in Form eines
Kranzes, die Worte: »NON GLORIOR NISI IN CRUCE
DOMINI.«
Die Emporen der alten Kirche ruhen auf kurzen,
grobgeschnitzten Holzpfeilern; in einen derselben
sind die Worte eingeschnitten: »BERTRAMB
V. PFUEL. ANNO MDCX.« Dieser Bertramb von Pfuel
war ein Vetter Kurt Bertrams von Pf., der während
1576
des Dreißigjährigen Krieges eine Rolle spielte und auf
den wir weiterhin zurückkommen.
Unter dem Altar der Gielsdorfer Kirche soll ein ande-
rer Pfuel (Christian Friedrich) bestattet sein. Eine
Stückkugel riß ihm, beim Sturm auf Kaiserswerth,
den Kopf weg, und Rumpf und Glieder wurden in
Gielsdorf begraben. Das war 1702. Er war Oberst in
einem Infanterieregiment. Sein Bild befindet sich in
Jähnsfelde. Ein Spruch in der Jahnsfelder Kirche ge-
denkt sein. Dieser von Friedrich la Motte Fouqué her-
rührende Spruch lautet:
Italien hat und Niederland
Den edlen Kämpfer oft geschaut.
In vieler wilden Schlachten Brand
Hat er das Feld mit seinem Blut betaut.
Als letzter Kranz ward ruhmvoll ihm beschert
Zu sterben, vorbewußt , im Sturm auf Kaiserswerth.
Dieses »vorbewußt« bezieht sich auf folgenden Vor-
fall, der als Tradition in der Familie fortlebt. Am Tage vor dem Sturm auf Kaiserswerth will Pfuel in sein
Zelt treten. Die vor dem Zelt stehende Schildwacht
salutiert nicht, erblaßt aber und zeigt nur auf das
Innere des Zelts. Pfuel tritt jetzt ein und sieht sich
selber, schreibend, am Tische sitzen. Er tritt hinter
die Gestalt, blickt dem ruhig Weiterschreibenden
über die Schulter und liest sein Testament. Dann
verschwindet die Gestalt. Pfuel wußte jetzt, daß er
andern Tages sterben werde. Er setzte sich auf den
Feldstuhl, auf dem eben sein Doppelgänger geses-
1577
sen, schrieb an seine Frau und nahm Abschied von
ihr. Andren Tages fiel er an der Spitze seiner Sturm-
kolonne.
Es ist sehr wahrscheinlich, daß diese Geschichte zu
Chamissos schönem Gedichte »Die Erscheinung«
Veranlassung gegeben hat. Wenigstens ist die Situa-
tion dieselbe. Chamisso war mit Fouqué befreundet,
und Fouqué seinerseits kannte die Familientradition
des ihm verwandten Pfuelschen Hauses.
1. Gegenüber dem Wandpfeiler, der diese Tro-
phäe trägt, befindet sich, in gleicher Höhe mit
den Emporen der Kirche, der ehemalig Pfuel-
sche Chor- oder Kirchenstuhl, groß und ge-
räumig, nach Art eines Zimmers. An seiner
Vorderwandung bemerken wir drei oder vier
ineinander verschlungene Goldbuchstaben,
die aller Entzifferung spotten, höchstwahr-
scheinlich aber einen Pfuelschen Namenszug
darstellen. Der Kirchenstuhl selber hat etwas
unheimlich Geheimnisvolles. Die Fenster sind
ausgenommen, und wenn man auf die Brüs-
tung einer der Nebenemporen steigt, um von
der Seite her hineinzulugen, so gewahrt man
nichts als einen rostigen Kamin, Spinnweb
und verstaubte Gewölbekappen, die unter den
aufgerissenen Dielen sichtbar werden. Der
Aufgang zu diesem Chorstuhl ist vermauert
(man erkennt noch die Stelle, wo die Treppe
mündete), und wie die Jahre wachsen, so
1578
wächst auch der Reiz der Frage: Wer hat die-
se Dielen aufgerissen? Wer bangte vor diesem
Platz? Wer hat ihn vermauert?
Jahnsfelde
Jahnsfelde ist seit 1449 in der Pfuelschen Familie,
also noch elf Jahre länger als Gielsdorf. Die hübsche
Inschrift über der Tür des Herrenhauses nimmt Be-
zug darauf und lautet:
Glück herein, Unglück
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