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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Dinge, die nicht bloß in Lehnin, sondern überall
    innerhalb der klösterlichen Welt ihre Gültigkeit hat-
    ten, so wolle man dabei in Erwägung ziehen, daß wir
    eben noch, im Verlauf unserer »Wanderungen«, ver-
    schiedene andere Klöster zu besprechen haben wer-
    den und daß das Allgemeingültige in betreff dersel-
    ben doch an irgendeiner Stelle wenigstens andeu-tungsweise gesagt werden muß.
    Die Äbte von Lehnin standen an der Spitze ihres
    »Klosterkonvents«, das heißt ihrer Mönchsbrüder-
    schaft, aus der sie, sobald die Vakanz eintrat, durch
    freie Wahl hervorgingen. Ihnen zur Seite oder unter
    ihnen standen der Prior, der Subprior, ein Präzeptor,
    ein Senior und ein Cellerarius (Kellermeister), der,
    wie es scheint, im Lehniner Kloster die Stelle des
    Bursarius (Schatzmeister) vertrat. Daran schlossen
    sich zwanzig bis dreißig Fratres, teils Mönche, teils
    Novizen, teils Laienbrüder. Die Tracht der Mönche
    war die übliche der Zisterziensermönche: weißes
    Kleid und schwarzes Skapulier.
    Das Ansehen und die Gewalt des Abtes waren außer-
    halb und innerhalb des Klosters von großem Belang.
    1450 wurde den Äbten zu Lehnin vom Papste der
    bischöfliche Ornat zugestanden. Seitdem trugen sie
    bei feierlichen Gelegenheiten die bischöfliche Mitra,
    das Pallium und den Krummstab. Auf den Landtagen
    saßen sie auf der ersten Bank, unmittelbar nach den
    Bischöfen von Brandenburg und Havelberg. Inner-

    1645
    halb des Klosters war der Abt selbstverständlich der
    oberste Leiter des Ganzen, kirchlich wie weltlich. Er
    sah auf strenge Ordnung in dem täglichen Leben und
    Wandel der Mönche, er beaufsichtigte den Gottes-
    dienst, er kontrollierte die Verwaltung des Klosters,
    des Vermögens, der Einkünfte desselben, er vertrat
    das Kloster geistlichen und weltlichen Mächten ge-
    genüber. Er regierte. Aber diese Regierung war weit-
    ab davon, eine absolute, verantwortungslose Herr-
    schaft zu sein. Wie er über dem Konvente stand, so
    stand doch auch der Konvent wieder über ihm, und
    Klagen über den Abt, wenn sie von Draußenstehen-
    den erhoben wurden, kamen vor den Konvent und
    wurden von diesem entschieden. Waren die zu erhe-
    benden Klagen jedoch Klagen des Konventes selbst,
    so konnte letzterer freilich in seiner eignen Angele-
    genheit nicht Recht sprechen, und ein anderes Tri-
    bunal hatte zu entscheiden. Dies Tribunal, der Fälle
    zu geschweigen, wo es der Landesherr war, war
    entweder das Mutterkloster oder das große Kapitel in
    Cîteaux oder der Magdeburger Erzbischof oder end-
    lich der Papst. Solche Auflehnungen und infolge der-
    selben solche Appellationen an die obere Instanz
    zählten keineswegs zu den Seltenheiten, wiewohl die
    Lehniner Verhältnisse, in vielleicht etwas zu optimis-
    tischer Auffassung, im allgemeinen als mustergültige
    geschildert werden. Der Abt Arnold, von dem wir
    später ausführlicher hören werden, wurde infolge
    solcher Auflehnung abgesetzt.
    Dieser Abt-Arnold-Fall, der durch Beauftragte des
    Generalkapitels in Cîteaux untersucht und entschie-
    den wurde, führt zu der nicht uninteressanten Frage:

    1646
    ob solche Beziehungen zu Cîteaux, zu dem eigentli-
    chen, ersten und ältesten Ausgangspunkt aller Zis-
    terzienserklöster, etwas Regelmäßiges oder nur et-
    was Ausnahmsweises waren. Die Ordensregel, die
    Charta caritatis, das Gesetzbuch der Zisterzienser,
    schrieb allerdings vor, daß einmal im Jahre alle
    Zisterzienseräbte in Cîteaux zusammenkommen und
    beraten sollten, aber diese Anordnung stammte noch
    aus einer Zeit, wo die räumliche Ausdehnung, die
    expansive Kraft des Ordens, die halb Europa umfaß-
    te, ebensowenig mit Bestimmtheit vorauszusehen
    war wie sein intensives Wachstum bis zur Höhe von
    2000 Klöstern. Zu welcher Versammlung, bei nur
    annähernd regelmäßiger und allgemeiner Beschi-
    ckung, wäre ein solches Generalkapitel notwendig
    angewachsen! Freilich die Hindernisse, die die bloß
    räumliche Entfernung schuf, müssen wir uns hüten
    zu überschätzen. Die Kaiserfahrten, die Kreuzzüge,
    die Pilgerreisen nach Rom und dem Heiligen Grabe
    zeigen uns genugsam, daß man damals, sobald nur
    ein rechter Wille da war, vor den Schrecken und Hin-
    dernissen, die der Raum als solcher schafft, nicht
    erschrak; aber Cîteaux selbst, ganz abgesehen von
    allen andern leichter oder schwerer zu überwinden-
    den Schwierigkeiten, hätte solche allgemeine Beschi-
    ckung kaum bewältigen können, wie groß wir auch
    die bauliche Anlage

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