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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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einerseits und wie klein und be-
    scheiden die Ansprüche der eintreffenden Äbte ande-
    rerseits annehmen mögen. Wir treffen also wohl das
    Richtige, wenn wir die Ansicht aussprechen, daß re-
    gelmäßige Beschickungen des Generalkapitels nicht stattfanden, anderweitige Beziehungen aber, wenn
    auch nicht immer, so doch vielfach , unterhalten wur-1647
    den. Mehrere Urkunden tun solcher Beziehungen
    direkt Erwähnung, und auch anderes spricht dafür,
    daß unser märkisches Kloster in Cîteaux einen guten
    Klang hatte und mit Vorliebe am Bande auszeich-
    nender Abhängigkeit geführt wurde. Schon die Lage
    Lehnins, an der Grenze aller Kultur , kam ihm zustatten. Die näher an Cîteaux gelegenen Klöster waren
    Klöster wie andere mehr; während allen denjenigen
    eine gesteigerte Bedeutung beiwohnen mußte, die,
    als vorgeschobenste Posten, in die kaum bekehrte
    slawisch-heidnische Welt hineinragten. Ist doch der
    polnische Zweig immer ein Liebling der römischen
    Kirche geblieben. Die Analogien ergeben sich von
    selbst.
    Die Lehniner Äbte hatten Bischofsrang, und sie
    wohnten und lebten demgemäß. Das Lehniner
    Abthaus, das, an der Westfront der Kirche gelegen,
    bis diesen Augenblick steht, zeigt zwar keine großen
    Verhältnisse, aber dies darf uns nicht zu falschen
    Schlüssen verleiten. Es war überhaupt keine Zeit der
    großen Häuser. Außerdem hatten die Lehniner Äbte,
    ebenso wie die Bischöfe von Havelberg und Lebus,
    ihr »Stadthaus« in Berlin, und es scheint, daß dies
    letztere von größeren Verhältnissen war. Ursprüng-
    lich stand es an einer jetzt schwer zu bestimmenden
    Stelle der Schloßfreiheit, höchstwahrscheinlich da,
    wo sich jetzt das große Schlütersche Schloßportal
    erhebt; der Schloßbau unter Kurfürst Friedrich dem
    Eisernen aber führte zu einer tauschweisen Ablösung
    dieses Besitzes, und das Stadthaus für die Lehniner
    Äbte ward in die Heiligegeiststraße verlegt (jetzt 10
    und 11, wo die Kleine Burgstraße torartig in die Hei-

    1648
    ligegeiststraße einmündet). Das Haus markiert sich
    noch jetzt als ein alter Bau.
    Länger als viertehalbhundert Jahre gab es Äbte von
    Lehnin, und wir können ihre Namen mit Hülfe zahl-
    reicher Urkunden auf und ab verfolgen. Dennoch hält
    es schwer, die Zahl der Äbte, die Lehnin von 1180
    bis 1542 hatte, mit voller Bestimmtheit festzustellen.
    Durch Jahrzehnte hin begegnen wir vielfach einem
    und demselben Namen, und die Frage entsteht, ha-
    ben wir es hier mit ein und demselben Abt, der zufäl-
    lig sehr alt wurde, oder mit einer ganzen Reihe von
    Äbten zu tun, die zufällig denselben Namen führten
    und durch I., II., III. füglich hätten unterschieden
    werden sollen. Das letztere ist zwar in den meisten
    Fällen nicht wahrscheinlich, aber doch immerhin
    möglich, und so bleiben Unsicherheiten. Nehmen wir
    indes das Wahrscheinliche als Norm, so ergeben sich
    für einen Zeitraum von 362 Jahren dreißig Äbte, wo-
    nach also jeder einzelne zwölf Jahre regiert haben
    wurde, was eine sehr glaubliche Durchschnittszahl
    darstellt. Von allen dreißig hat es kein einziger zu
    einer in Staat oder Kirche glänzend hervorragenden
    Stellung gebracht; nur Mönch Kagelwit, der aber nie
    Abt von Lehnin war, wurde später Erzbischof von Magdeburg. Einige indessen haben wenigstens an
    der Geschichte unseres Landes, oft freilich mehr pas-
    siv als aktiv, teilgenommen, und bei diesen, wie
    auch beim Abte Arnold, dessen privates Schicksal
    uns ein gewisses Interesse einflößt, werden wir in
    nachstehendem länger oder kürzer zu verweilen ha-
    ben.

    1649
    Wir beginnen mit Johann Sibold, dem ersten Abt,
    von etwa 1180 bis 1190.
    Abt Sibold, von 1180 bis 1190
    Abt Sibold oder Siboldus war der erste Abt von Leh-
    nin, und in derselben Weise, wie der älteste Teil des
    Klosters am besten erhalten geblieben ist, so wird
    auch von dem ersten und ältesten Abt desselben am
    meisten und am eingehendsten erzählt. Die Erinne-
    rung an ihn lebt noch im Volke fort. Freilich gehören
    alle diese Erinnerungen der Sage und Legende an.
    Historisch verbürgt ist wenig oder nichts. Aber ob
    Sage oder Geschichte, darf gleichgültig für uns sein,
    die wir der einen so gerne nachforschen wie der an-
    dern.
    Abt Sibold, so erzählen sich die Lehniner bis diesen
    Tag, wurde von den umwohnenden Wenden erschla-
    gen, und im Einklange damit lesen wir auf einem
    alten, halb verwitterten Bilde im Querschiff der Kir-
    che: »Seboldus, primus abbas in Lenyn, a slavica
    gente

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