Wanderungen durch die Mark Brandenburg
umwohnende Volk
längst gewohnt sei die Klosterbrüder anzusehen,
weshalb denn auch all die Zeit über der Notschrei
zugenommen habe, daß die Lehninschen Mönche
vertrieben und durch Ordensbrüder von besserem
Lebenswandel ersetzt werden möchten. Bei Gelegen-
heit dieser Fehden und Kämpfe seien übrigens die
beweglichen und unbeweglichen Güter des Klosters
vielfach veräußert und verpfändet worden.
Die Urkunde berichtet ferner, daß ein Laienbruder,
der bei der Ermordung Falkos mit zugegen war und
hinterher den Mut hatte auszusprechen: »daß dieser
Mord auf Befehl des Abts und seiner Partei stattge-
funden«, ins Gefängnis geworfen und innerhalb zehn
Tagen von den Mönchen der Loburgschen Partei er-
1659
mordet worden sei. Das päpstliche Schreiben meldet
endlich, daß, nach den Aussagen Dietrichs von Rup-
pin, der an der Ermordung Falkos und der Seinen
vorzugsweise beteiligte Mönch Hermann jetzt Abt
des Klosters sei, wobei die herrschende Mönchspartei
von dem vorgeschriebenen Wahlmodus abermals
Umgang genommen und die gesetzlich geregelte
Einführung unterlassen habe. Abt Hermann, dessen
Wahl jeder Gesetzlichkeit und Gültigkeit entbehre,
habe, wie sein Vorgänger, das Vermögen des Klos-
ters verschleudert, die Ordensregeln mißachtet und
ein dissolutes Leben geführt, und als besagter Abt
endlich willens gewesen sei, ihn, den »Dietrich von
Ruppin«, wegen Dispenses und wegen Absolution für
die oben geschilderten Verbrechen an die päpstliche
Kurie abzusenden, habe er ihn – lediglich weil er zu-
vor Rücksprache mit dem Abte eines anderen vorge-
setzten Klosters genommen habe – durch einige
Mönche und Konversen gefangennehmen, in Eisen
legen und neun Monate lang in den Kerker werfen
lassen, alles mit der ausgesprochenen Absicht, ihn
durch schwere Peinigungen vom Leben zum Tode zu
bringen. Einen andern Konversen des Klosters aber,
mit Namen Geraldus, habe Abt Hermann wirklich
töten lassen.
Die Urkunde schließt dann mit einer Aufforderung an
die obengenannten Äbte von Kolbatz, Stolp und
Neukampen, den Fall zu untersuchen und darüber zu
befinden, damit die Angeklagten, wenn ihre Schuld
sich herausstellen sollte, vor dem Päpstlichen Stuhle
erscheinen und daselbst ihren Urteilsspruch gewärti-
gen möchten.
1660
Soweit der Inhalt der Urkunde von 1339. Ob die Äbte
sich des mißlichen Auftrags entledigt und, wenn so
geschehen, welche Entscheidung sie getroffen oder
welchen Bericht sie an Papst Benedikt gerichtet ha-
ben, darüber erfahren wir nichts. Übrigens dürfen wir
vermuten, daß, gleichviel, ob die Untersuchung
stattfand oder nicht, die Dinge unverändert ihren
Fortgang genommen haben werden. Und wahr-
scheinlich mit Recht. Wir setzen nämlich in die Mit-
teilungen des Mönches Dietrich von Ruppin keines-
wegs ein unbedingtes Vertrauen und vermuten darin
vielmehr eine jener halbwahren Darstellungen, die
meist da Platz greifen, wo die Dinge von einem ge-
wissen Parteistandpunkt aus angesehen oder, wie
hier, Anklagen in zum Teil eigner Angelegenheit er-
hoben werden. Abt Hermann scheint uns weit mehr
ein leidenschaftlicher Parteimann als ein Verbrecher gewesen zu sein.
Stellen wir alle Punkte von Belang zusammen, die
sich aus den Aussagen Dietrichs von Ruppin erge-
ben, so finden wir
1. daß im Kloster zwei Parteien waren, von denen die
stärkere die schwächere terrorisierte und die Äbte
aus ihrer, der Majorität, Mitte wählte;
2. daß Ritter Falko von der stärkeren oder Loburg-
schen Partei ermordet wurde;
3. daß das Kloster nach Dispens und Absolution von
seiten des Papstes verlangte und
1661
4. daß Dietrich von Ruppin abgeordnet wurde, um
die Absolution einzuholen, wegen vorgängiger Plau-
derei aber ins Gefängnis geworfen wurde.
Unter diesen vier Punkten involviert der zweite, die
Ermordung Falkos, ein schweres und unbestreitbares
Verbrechen. Der Umstand indessen, daß Abt Her-
mann für sich und sein Kloster nach der Absolution
des Papstes verlangte, deutet darauf hin, daß das
Geschehene mehr den Charakter einer sühnefähigen
Schuld als den einer schamlosen Missetat hatte.
Denn sollte die Gnade des Papstes angerufen wer-
den, so mußten notwendig Umstände vorauf- oder
nebenhergegangen sein, die imstande waren, eine
Brücke zu bauen und für die Schuld bei der Gnade zu
plädieren. Solche entschuldigenden Umstände waren
denn wohl auch wirklich da und lagen, wie wir mehr
oder weniger
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