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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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umwohnende Volk
    längst gewohnt sei die Klosterbrüder anzusehen,
    weshalb denn auch all die Zeit über der Notschrei
    zugenommen habe, daß die Lehninschen Mönche
    vertrieben und durch Ordensbrüder von besserem
    Lebenswandel ersetzt werden möchten. Bei Gelegen-
    heit dieser Fehden und Kämpfe seien übrigens die
    beweglichen und unbeweglichen Güter des Klosters
    vielfach veräußert und verpfändet worden.
    Die Urkunde berichtet ferner, daß ein Laienbruder,
    der bei der Ermordung Falkos mit zugegen war und
    hinterher den Mut hatte auszusprechen: »daß dieser
    Mord auf Befehl des Abts und seiner Partei stattge-
    funden«, ins Gefängnis geworfen und innerhalb zehn
    Tagen von den Mönchen der Loburgschen Partei er-

    1659
    mordet worden sei. Das päpstliche Schreiben meldet
    endlich, daß, nach den Aussagen Dietrichs von Rup-
    pin, der an der Ermordung Falkos und der Seinen
    vorzugsweise beteiligte Mönch Hermann jetzt Abt
    des Klosters sei, wobei die herrschende Mönchspartei
    von dem vorgeschriebenen Wahlmodus abermals
    Umgang genommen und die gesetzlich geregelte
    Einführung unterlassen habe. Abt Hermann, dessen
    Wahl jeder Gesetzlichkeit und Gültigkeit entbehre,
    habe, wie sein Vorgänger, das Vermögen des Klos-
    ters verschleudert, die Ordensregeln mißachtet und
    ein dissolutes Leben geführt, und als besagter Abt
    endlich willens gewesen sei, ihn, den »Dietrich von
    Ruppin«, wegen Dispenses und wegen Absolution für
    die oben geschilderten Verbrechen an die päpstliche
    Kurie abzusenden, habe er ihn – lediglich weil er zu-
    vor Rücksprache mit dem Abte eines anderen vorge-
    setzten Klosters genommen habe – durch einige
    Mönche und Konversen gefangennehmen, in Eisen
    legen und neun Monate lang in den Kerker werfen
    lassen, alles mit der ausgesprochenen Absicht, ihn
    durch schwere Peinigungen vom Leben zum Tode zu
    bringen. Einen andern Konversen des Klosters aber,
    mit Namen Geraldus, habe Abt Hermann wirklich
    töten lassen.
    Die Urkunde schließt dann mit einer Aufforderung an
    die obengenannten Äbte von Kolbatz, Stolp und
    Neukampen, den Fall zu untersuchen und darüber zu
    befinden, damit die Angeklagten, wenn ihre Schuld
    sich herausstellen sollte, vor dem Päpstlichen Stuhle
    erscheinen und daselbst ihren Urteilsspruch gewärti-
    gen möchten.

    1660
    Soweit der Inhalt der Urkunde von 1339. Ob die Äbte
    sich des mißlichen Auftrags entledigt und, wenn so
    geschehen, welche Entscheidung sie getroffen oder
    welchen Bericht sie an Papst Benedikt gerichtet ha-
    ben, darüber erfahren wir nichts. Übrigens dürfen wir
    vermuten, daß, gleichviel, ob die Untersuchung
    stattfand oder nicht, die Dinge unverändert ihren
    Fortgang genommen haben werden. Und wahr-
    scheinlich mit Recht. Wir setzen nämlich in die Mit-
    teilungen des Mönches Dietrich von Ruppin keines-
    wegs ein unbedingtes Vertrauen und vermuten darin
    vielmehr eine jener halbwahren Darstellungen, die
    meist da Platz greifen, wo die Dinge von einem ge-
    wissen Parteistandpunkt aus angesehen oder, wie
    hier, Anklagen in zum Teil eigner Angelegenheit er-
    hoben werden. Abt Hermann scheint uns weit mehr
    ein leidenschaftlicher Parteimann als ein Verbrecher gewesen zu sein.
    Stellen wir alle Punkte von Belang zusammen, die
    sich aus den Aussagen Dietrichs von Ruppin erge-
    ben, so finden wir
    1. daß im Kloster zwei Parteien waren, von denen die
    stärkere die schwächere terrorisierte und die Äbte
    aus ihrer, der Majorität, Mitte wählte;
    2. daß Ritter Falko von der stärkeren oder Loburg-
    schen Partei ermordet wurde;
    3. daß das Kloster nach Dispens und Absolution von
    seiten des Papstes verlangte und

    1661
    4. daß Dietrich von Ruppin abgeordnet wurde, um
    die Absolution einzuholen, wegen vorgängiger Plau-
    derei aber ins Gefängnis geworfen wurde.
    Unter diesen vier Punkten involviert der zweite, die
    Ermordung Falkos, ein schweres und unbestreitbares
    Verbrechen. Der Umstand indessen, daß Abt Her-
    mann für sich und sein Kloster nach der Absolution
    des Papstes verlangte, deutet darauf hin, daß das
    Geschehene mehr den Charakter einer sühnefähigen
    Schuld als den einer schamlosen Missetat hatte.
    Denn sollte die Gnade des Papstes angerufen wer-
    den, so mußten notwendig Umstände vorauf- oder
    nebenhergegangen sein, die imstande waren, eine
    Brücke zu bauen und für die Schuld bei der Gnade zu
    plädieren. Solche entschuldigenden Umstände waren
    denn wohl auch wirklich da und lagen, wie wir mehr
    oder weniger

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