Wanderungen durch die Mark Brandenburg
aus der Anklage selbst entnehmen
können, in dem Parteihaß, der eben damals die gan-
ze Mark in zwei Lager teilte. Es war die bayerische Zeit . Dies sagt alles. Es waren die Tage, wo die Berliner den Propst von Bernau erschlugen und die
Frankfurter den Bischof von Lebus verjagten; es wa-
ren die Tage des Bannes und des Interdikts, Tage,
die dreißig Jahre währten und in denen sich das Volk der Kirche so entfremdete, daß es verwundert aufhorchte, als zum ersten Male wieder die Glocken
durchs Land klangen. Der alte Kampfesruf »Hie Welf,
hie Waibling!« schallte wieder allerorten, und »bay-
risch oder päpstlich« klang es vor allem auch in der
Mark Brandenburg. Lehnin, gehegt und gepflegt vom
Kaiser und seiner Partei, war bayrisch , der märkische Adel, vielfach zurückgesetzt, war antibayrisch . Aus 1662
diesem Zustande ergaben sich Konflikte zwischen
dem Kloster und dem benachbarten Adel fast wie
von selbst, und die Ermordung Falkos, die nach den
Aussagen Dietrichs von Ruppin einfach als ein bruta-
ler Bruch der Gastfreundschaft erscheint, war mögli-
cherweise nur blutige Abwehr, nur ein Rachenehmen
an einem Eindringling, der sich stark genug geglaubt
hatte, den Klosterfrieden brechen zu dürfen. Ritter
Falko und die Seinen, wenn sie wirklich Gäste des
Klosters waren, waren vielleicht sehr ungebetene
Gäste, Gäste , die sich nach eigenem Dafürhalten im Kloster einquartiert hatten, vielleicht im Komplott mit der Minorität , die höchstwahrscheinlich zum Papste hielt.1)
Dies alles sind freilich nur Hypothesen. Aber wenn
sie auch nicht absolut das Richtige treffen, so lehnen
sie sich doch an Richtiges an und schweifen wohl
nicht völlig in die Irre.
Was immer indes das Motiv dieses Mordes gewesen
sein möge, entschuldbarer Parteihaß oder niedrigste
Ruchlosigkeit, soviel erhellt aus dieser Überlieferung, daß die Kloster-Lehninschen Tage nicht immer interesselos verliefen und daß, wenn wir dennoch im
großen und ganzen einer gewissen Farblosigkeit be-
gegnen, der Grund dafür nicht darin zu suchen ist,
daß überhaupt nichts geschah, sondern lediglich dar-
in, daß das Geschehene nicht aufgezeichnet, nicht
überliefert wurde.
Mönch Hermann, der mit seinem Anhang an die Stät-
te des Mordes vordringt, die Verwundeten in ihren
1663
Strohverstecken tötet oder töten läßt, dann selber,
während zehnjähriger Fehde, in Schlafsaal und Re-
fektorium die Waffenrüstung Falkos trägt – das gibt
schon Einzelbilder, denen es keineswegs an Farbe
fehlt, auch nicht an jenem Rot, das nun mal die
Haupt- und Grundfarbe aller Geschichte ist.
Über den Ausgang des Abtes Hermann erfahren wir
nichts; sehr wahrscheinlich, daß er noch eine Reihe
von Jahren dem Kloster vorstand. Erst 1352 finden
wir den Namen eines Nachfolgers verzeichnet.
1. Daß die Majorität des Klosters und dadurch
das Kloster selbst entschieden bayrisch war,
ergibt sich unter anderm daraus, daß Papst
Clemens in seiner Bannbulle vom
14. Mai 1350 eigens Veranlassung nahm, dem
Kloster seine Hinneigung zur Sache des bayri-
schen Hauses vorzuwerfen . Auch das Erschei-
nen des Klage führenden Mönchs vor dem
Papst , während ihm doch andere Tribunale,
weltliche wie geistliche, soviel näher gelegen
hätten, spricht dafür, daß der zu verklagende
Abt Hermann, samt der Majorität des Klosters
(der Loburg-Partei), antipäpstlich , das heißt
also bayrisch war.
1664
Abt Heinrich Stich (etwa von
1399 bis 1430)
Heinrich Stich, vor seiner Abtwahl Kellermeister (cel-
lerarius) des Klosters, wurde sehr wahrscheinlich im
Jahre 1399 zum Abt gewählt. Seine Regierung fällt in
die sogenannte » Quitzow-Zeit «, und wir werden in nachstehendem zu berichten haben, wie vielfach
gefährdet Kloster Lehnin damals war und wie glück-
lich es, großenteils durch die umsichtige Leitung sei-
nes Abtes, aus allen diesen Gefahren hervorging. Die
Geschichte jener Epoche, soweit sie das Kloster be-
rührt, entnehmen wir den Aufzeichnungen Heinrich
Stichs selber, der im Jahre 1419 ein Gedenkbuch
anzulegen begann, in welchem er, zurückgehend bis
auf das Jahr 1401, über die Streitigkeiten des Klos-
ters mit seinen Nachbarn berichtet. Einiges ergänzen
wir aus einer andern, ziemlich gleichzeitigen Chronik.
Das Kloster hielt es all die Zeit über, seinen Traditionen getreu, mit der Landesobrigkeit , das heißt also, Abt und Mönche waren im allgemeinen gegen die
Quitzows . Da indessen die
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