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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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aus der Anklage selbst entnehmen
    können, in dem Parteihaß, der eben damals die gan-
    ze Mark in zwei Lager teilte. Es war die bayerische Zeit . Dies sagt alles. Es waren die Tage, wo die Berliner den Propst von Bernau erschlugen und die
    Frankfurter den Bischof von Lebus verjagten; es wa-
    ren die Tage des Bannes und des Interdikts, Tage,
    die dreißig Jahre währten und in denen sich das Volk der Kirche so entfremdete, daß es verwundert aufhorchte, als zum ersten Male wieder die Glocken
    durchs Land klangen. Der alte Kampfesruf »Hie Welf,
    hie Waibling!« schallte wieder allerorten, und »bay-
    risch oder päpstlich« klang es vor allem auch in der
    Mark Brandenburg. Lehnin, gehegt und gepflegt vom
    Kaiser und seiner Partei, war bayrisch , der märkische Adel, vielfach zurückgesetzt, war antibayrisch . Aus 1662
    diesem Zustande ergaben sich Konflikte zwischen
    dem Kloster und dem benachbarten Adel fast wie
    von selbst, und die Ermordung Falkos, die nach den
    Aussagen Dietrichs von Ruppin einfach als ein bruta-
    ler Bruch der Gastfreundschaft erscheint, war mögli-
    cherweise nur blutige Abwehr, nur ein Rachenehmen
    an einem Eindringling, der sich stark genug geglaubt
    hatte, den Klosterfrieden brechen zu dürfen. Ritter
    Falko und die Seinen, wenn sie wirklich Gäste des
    Klosters waren, waren vielleicht sehr ungebetene
    Gäste, Gäste , die sich nach eigenem Dafürhalten im Kloster einquartiert hatten, vielleicht im Komplott mit der Minorität , die höchstwahrscheinlich zum Papste hielt.1)
    Dies alles sind freilich nur Hypothesen. Aber wenn
    sie auch nicht absolut das Richtige treffen, so lehnen
    sie sich doch an Richtiges an und schweifen wohl
    nicht völlig in die Irre.
    Was immer indes das Motiv dieses Mordes gewesen
    sein möge, entschuldbarer Parteihaß oder niedrigste
    Ruchlosigkeit, soviel erhellt aus dieser Überlieferung, daß die Kloster-Lehninschen Tage nicht immer interesselos verliefen und daß, wenn wir dennoch im
    großen und ganzen einer gewissen Farblosigkeit be-
    gegnen, der Grund dafür nicht darin zu suchen ist,
    daß überhaupt nichts geschah, sondern lediglich dar-
    in, daß das Geschehene nicht aufgezeichnet, nicht
    überliefert wurde.
    Mönch Hermann, der mit seinem Anhang an die Stät-
    te des Mordes vordringt, die Verwundeten in ihren

    1663
    Strohverstecken tötet oder töten läßt, dann selber,
    während zehnjähriger Fehde, in Schlafsaal und Re-
    fektorium die Waffenrüstung Falkos trägt – das gibt
    schon Einzelbilder, denen es keineswegs an Farbe
    fehlt, auch nicht an jenem Rot, das nun mal die
    Haupt- und Grundfarbe aller Geschichte ist.
    Über den Ausgang des Abtes Hermann erfahren wir
    nichts; sehr wahrscheinlich, daß er noch eine Reihe
    von Jahren dem Kloster vorstand. Erst 1352 finden
    wir den Namen eines Nachfolgers verzeichnet.

    1. Daß die Majorität des Klosters und dadurch
    das Kloster selbst entschieden bayrisch war,
    ergibt sich unter anderm daraus, daß Papst
    Clemens in seiner Bannbulle vom
    14. Mai 1350 eigens Veranlassung nahm, dem
    Kloster seine Hinneigung zur Sache des bayri-
    schen Hauses vorzuwerfen . Auch das Erschei-
    nen des Klage führenden Mönchs vor dem
    Papst , während ihm doch andere Tribunale,
    weltliche wie geistliche, soviel näher gelegen
    hätten, spricht dafür, daß der zu verklagende
    Abt Hermann, samt der Majorität des Klosters
    (der Loburg-Partei), antipäpstlich , das heißt
    also bayrisch war.

    1664
    Abt Heinrich Stich (etwa von
    1399 bis 1430)
    Heinrich Stich, vor seiner Abtwahl Kellermeister (cel-
    lerarius) des Klosters, wurde sehr wahrscheinlich im
    Jahre 1399 zum Abt gewählt. Seine Regierung fällt in
    die sogenannte » Quitzow-Zeit «, und wir werden in nachstehendem zu berichten haben, wie vielfach
    gefährdet Kloster Lehnin damals war und wie glück-
    lich es, großenteils durch die umsichtige Leitung sei-
    nes Abtes, aus allen diesen Gefahren hervorging. Die
    Geschichte jener Epoche, soweit sie das Kloster be-
    rührt, entnehmen wir den Aufzeichnungen Heinrich
    Stichs selber, der im Jahre 1419 ein Gedenkbuch
    anzulegen begann, in welchem er, zurückgehend bis
    auf das Jahr 1401, über die Streitigkeiten des Klos-
    ters mit seinen Nachbarn berichtet. Einiges ergänzen
    wir aus einer andern, ziemlich gleichzeitigen Chronik.
    Das Kloster hielt es all die Zeit über, seinen Traditionen getreu, mit der Landesobrigkeit , das heißt also, Abt und Mönche waren im allgemeinen gegen die
    Quitzows . Da indessen die

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