Wanderungen durch die Mark Brandenburg
zu kei-
nem andern Behuf, als um dem Kloster den Toten-
schein zu schreiben. Draußenstehende fingen an, es in ihre »Obhut« zu nehmen, man stellte es unter
Kuratel. Es wurde dieses »Inobhutnehmen« von Abt
und Kloster auch durchaus als das empfunden, was
es war, und ein schwacher Versuch der Auflehnung,
ein passiver Widerstand, wurde geübt. Als es sich
darum handelte, einem der Klosterdörfer einen neu-
en Geistlichen zu geben, wurde der alte Abt Valentin
aufgefordert, die übliche Präsentation, die Einfüh-
rung des Geistlichen in die Gemeinde, zu überneh-
men. Abt Valentin lehnte dies ab, weil er es ver-
schmähte, der Beauftragte, der Abgesandte protes-
tantischer Kirchenvisitatoren zu sein. Darüber hinaus
aber ging er nicht. Zu hofmännisch geschult, um
dem Sohn und Nachfolger seines heimgegangenen
Kurfürsten eine ernste Gegnerschaft zu bereiten, zu
schwach für den Kampf selbst, wenn er ihn hätte
kämpfen wollen, unterwarf er sich dem neuen Re-
giment, und schon zu Neujahr 1542 bittet er den
Kurfürsten nicht nur: »ihm und seinem Kloster auch
bei veränderten Zeitläuften allezeit ein gnädigster Herre zu sein«, sondern fügt auch den Wunsch bei,
»daß Seine Kurfürstliche Durchlaucht ihm und seinen
1677
Fratribus, wie bisher, etliches Wildpret verehren mö-
ge«.
So verläuft der Widerstreit fast in Gemütlichkeit, bis
im Laufe desselben Jahres der alte Abt das Zeitliche
segnet. Sein Tod macht den Strich unter die Rech-
nung des Klosters. Keine Rücksichten auf den »alten
Gevatter des Vaters« hemmen länger die Aktion des
Sohnes, und der Befehl ergeht an die Mönche: kei-
nen neuen Abt zu wählen. Den Mönchen selber wird freigestellt, ob sie »bleiben oder wandern« wollen,
und die Mehrzahl, alles was jung, gescheit oder tat-
kräftig ist, wählt das letztere und wandert aus.2)
Die Alten blieben. Ob sie im Kloster selber ruhig wei-
terlebten oder aber, wie andrerseits versichert wird,
in dem dritthalb Meilen entfernten, dicht bei Paretz
gelegenen Klosterdorfe Neu Töplitz sich häuslich nie-
derließen, ist nicht mehr mit voller Gewißheit festzu-
stellen gewesen. Gleichviel aber, wo sie den Rest
ihrer Tage beschlossen, sie beschlossen sie ruhig,
friedfertig, ergeben, ohne jede Spur von Märtyrer-
schaft, ohne den kleinsten Schimmer von jenem
Goldglanz um ihr Haupt, den zu allen Zeiten das Ein-
stehn für eine Idee verliehen hat.
Die letzten Lehniner standen für nichts ein als für
sich selbst, und das letzte Lebenszeichen, das wir,
überliefert von ihnen, besitzen, ist eine Bitte des
»Priors, Subpriors und Seniors, so zu Lehnin verhar-
ren«, worin sie ihren gnädigsten Herrn und Kurfürs-
ten ersuchen, unter vielen andern Dingen jedem ein-
zelnen auch folgendes zu gewähren:
1678
Mittagessen: vier Gerichte; Abendessen: drei Gerich-
te; Bier: eine Tonne wöchentlich; Wein: acht Tonnen
jährlich; außerdem zu Neujahr und zu Mitfasten ei-
nen Pfefferkuchen .
So erlosch Lehnin. Das vierhundertjährige Klosterle-
ben, das mit der Ermordung Abt Sibolds begonnen
hatte, schrieb zum Schluß einen Bitt- und Speisezet-
tel, es den Räten ihres gnädigsten Kurfürsten über-
lassend, »an den abgemeldeten Artikeln zu reformie-
ren nach ihrem Gefallen«.
1. Dieser Altarschrein, der jetzt eine Zierde und
Sehenswürdigkeit des schönen Brandenburger
Domes bildet, hat eine Höhe von etwa neun
Fuß bei zirka zwölf Fuß Breite. Die Einrichtung
ist die herkömmliche: ein Mittelstück mit zwei
Flügel- oder Klapptüren, die je nach Gefallen
geöffnet oder geschlossen werden können.
Das Mittelstück zeigt in seiner schreinartigen
Vertiefung die Gestalt der Heiligen Jungfrau;
rechts neben ihr Paulus mit dem Schwert, zur
Linken Petrus mit dem Schlüssel. Diese drei
Figuren sind Holzschnitzwerk, bunt bemalt,
mehr derb charakteristisch als schön. Der ho-
he Kunstwert des Schreins besteht lediglich in
der Schönheit der Malereien, die sich auf bei-
den Flügeln, und zwar auf der Vorder- wie auf
der Rückseite derselben, befinden. Sind diese
Flügel, wie gewöhnlich, geöffnet, so erblicken
wir die beiden besonderen Schutzheiligen der
1679
Zisterzienser, dein heiligen Benedikt, aus des-
sen Orden sie hervorgingen, und den heiligen
Bernhard, der den Orden zu höchstem Glanz
und Ansehen führte. (Die Zisterzienser wer-
den deshalb auch oft Bernhardiner genannt.)
Neben den beiden Heiligen stehen die Gestal-
ten der Maria
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