Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
zu kei-
    nem andern Behuf, als um dem Kloster den Toten-
    schein zu schreiben. Draußenstehende fingen an, es in ihre »Obhut« zu nehmen, man stellte es unter
    Kuratel. Es wurde dieses »Inobhutnehmen« von Abt
    und Kloster auch durchaus als das empfunden, was
    es war, und ein schwacher Versuch der Auflehnung,
    ein passiver Widerstand, wurde geübt. Als es sich
    darum handelte, einem der Klosterdörfer einen neu-
    en Geistlichen zu geben, wurde der alte Abt Valentin
    aufgefordert, die übliche Präsentation, die Einfüh-
    rung des Geistlichen in die Gemeinde, zu überneh-
    men. Abt Valentin lehnte dies ab, weil er es ver-
    schmähte, der Beauftragte, der Abgesandte protes-
    tantischer Kirchenvisitatoren zu sein. Darüber hinaus
    aber ging er nicht. Zu hofmännisch geschult, um
    dem Sohn und Nachfolger seines heimgegangenen
    Kurfürsten eine ernste Gegnerschaft zu bereiten, zu
    schwach für den Kampf selbst, wenn er ihn hätte
    kämpfen wollen, unterwarf er sich dem neuen Re-
    giment, und schon zu Neujahr 1542 bittet er den
    Kurfürsten nicht nur: »ihm und seinem Kloster auch
    bei veränderten Zeitläuften allezeit ein gnädigster Herre zu sein«, sondern fügt auch den Wunsch bei,
    »daß Seine Kurfürstliche Durchlaucht ihm und seinen

    1677
    Fratribus, wie bisher, etliches Wildpret verehren mö-
    ge«.
    So verläuft der Widerstreit fast in Gemütlichkeit, bis

im Laufe desselben Jahres der alte Abt das Zeitliche
    segnet. Sein Tod macht den Strich unter die Rech-
    nung des Klosters. Keine Rücksichten auf den »alten
    Gevatter des Vaters« hemmen länger die Aktion des
    Sohnes, und der Befehl ergeht an die Mönche: kei-
    nen neuen Abt zu wählen. Den Mönchen selber wird freigestellt, ob sie »bleiben oder wandern« wollen,
    und die Mehrzahl, alles was jung, gescheit oder tat-
    kräftig ist, wählt das letztere und wandert aus.2)
    Die Alten blieben. Ob sie im Kloster selber ruhig wei-
    terlebten oder aber, wie andrerseits versichert wird,
    in dem dritthalb Meilen entfernten, dicht bei Paretz
    gelegenen Klosterdorfe Neu Töplitz sich häuslich nie-
    derließen, ist nicht mehr mit voller Gewißheit festzu-
    stellen gewesen. Gleichviel aber, wo sie den Rest
    ihrer Tage beschlossen, sie beschlossen sie ruhig,
    friedfertig, ergeben, ohne jede Spur von Märtyrer-
    schaft, ohne den kleinsten Schimmer von jenem
    Goldglanz um ihr Haupt, den zu allen Zeiten das Ein-
    stehn für eine Idee verliehen hat.
    Die letzten Lehniner standen für nichts ein als für
    sich selbst, und das letzte Lebenszeichen, das wir,
    überliefert von ihnen, besitzen, ist eine Bitte des
    »Priors, Subpriors und Seniors, so zu Lehnin verhar-
    ren«, worin sie ihren gnädigsten Herrn und Kurfürs-
    ten ersuchen, unter vielen andern Dingen jedem ein-
    zelnen auch folgendes zu gewähren:

    1678
    Mittagessen: vier Gerichte; Abendessen: drei Gerich-
    te; Bier: eine Tonne wöchentlich; Wein: acht Tonnen
    jährlich; außerdem zu Neujahr und zu Mitfasten ei-
    nen Pfefferkuchen .
    So erlosch Lehnin. Das vierhundertjährige Klosterle-
    ben, das mit der Ermordung Abt Sibolds begonnen
    hatte, schrieb zum Schluß einen Bitt- und Speisezet-
    tel, es den Räten ihres gnädigsten Kurfürsten über-
    lassend, »an den abgemeldeten Artikeln zu reformie-
    ren nach ihrem Gefallen«.

    1. Dieser Altarschrein, der jetzt eine Zierde und
    Sehenswürdigkeit des schönen Brandenburger
    Domes bildet, hat eine Höhe von etwa neun
    Fuß bei zirka zwölf Fuß Breite. Die Einrichtung
    ist die herkömmliche: ein Mittelstück mit zwei
    Flügel- oder Klapptüren, die je nach Gefallen
    geöffnet oder geschlossen werden können.
    Das Mittelstück zeigt in seiner schreinartigen
    Vertiefung die Gestalt der Heiligen Jungfrau;
    rechts neben ihr Paulus mit dem Schwert, zur
    Linken Petrus mit dem Schlüssel. Diese drei
    Figuren sind Holzschnitzwerk, bunt bemalt,
    mehr derb charakteristisch als schön. Der ho-
    he Kunstwert des Schreins besteht lediglich in
    der Schönheit der Malereien, die sich auf bei-
    den Flügeln, und zwar auf der Vorder- wie auf
    der Rückseite derselben, befinden. Sind diese
    Flügel, wie gewöhnlich, geöffnet, so erblicken
    wir die beiden besonderen Schutzheiligen der

    1679
    Zisterzienser, dein heiligen Benedikt, aus des-
    sen Orden sie hervorgingen, und den heiligen
    Bernhard, der den Orden zu höchstem Glanz
    und Ansehen führte. (Die Zisterzienser wer-
    den deshalb auch oft Bernhardiner genannt.)
    Neben den beiden Heiligen stehen die Gestal-
    ten der Maria

Weitere Kostenlose Bücher