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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Untersuchungskommissarien in Lehnin ein-
    treffen. Aber gleichzeitig mit ihnen treffen auch, als
    Zeugen in der Sache zur Begutachtung vorgeladen,
    die Äbte dreier märkischer Klöster, von Zinna, Chorin und Himmelpfort ein und bezeugen durch ihre Aussage, daß Abt Arnold in der Tat willkürlich das Klos-
    tergut veräußert und somit die Absetzung seitens
    des Klosterkonvents (der sich dabei lediglich inner-
    halb seiner Befugnisse gehalten) durchaus verdient
    habe. »Was seine Schmähungen aber gegen die sitt-
    liche Führung des Klosters angehe, dem er so lange
    vorgestanden, so treffe ihn – selbst wenn diese

    1671
    Schmähungen begründet sein sollten – die Haupt-
    verantwortlichkeit, da es in zehnjähriger Führung
    seine Aufgabe gewesen sein würde, diesem Verfall der Sitte zu steuern.« Auch der Kurfürst Friedrich der
    Eiserne, in einem an die Kommissarien gerichteten
    Briefe, nimmt Partei für den Konvent, gegen den abgesetzten Abt, und so sehen wir denn, ohne daß
    ein urkundliches Urteil der Kommissare in dieser
    Streitsache vorläge, den neuen Abt in seinem Amte
    verbleiben – eine Tatsache, die genugsam spricht.
    Über den Inhalt der Schmähschrift, des »libellum infamiae«, erfahren wir nichts; es wird ein Verzeichnis der alten Klostersünden gewesen sein, wie sie
    entweder überall vorkamen oder doch überall berich-
    tet wurden.
    Wenn nun einerseits diese Absetzung Abt Arnolds
    und seine darauf geschriebene Schmähschrift aber-
    mals dartun, daß die Tage Kloster Lehnins durchaus
    nicht so still-idyllisch verliefen, wie wohl je zuweilen berichtet worden ist, so gewähren uns andrerseits
    die betreffenden Urkunden noch ein besondres Inte-
    resse dadurch, daß sie die Frage in uns anregen:
    Wer war dieser Abt Arnold? welchen Charakters? war
    er im Recht oder im Unrecht? Freilich nur wenige
    Anhaltepunkte sind uns gegeben, aber sie rechtferti-
    gen die Vermutung, daß er ebensosehr ein Opfer
    seiner geistigen Überlegenheit wie seiner Übergriffe war. Wahrscheinlich gingen diese Übergriffe zum Teil
    erst aus dem Bewußtsein seiner Überlegenheit her-
    vor. Er war, so schließen wir aus einer Reihe kleiner
    Züge, das, was wir heutzutage einen genialischen,
    aber querköpfigen Gelehrten nennen würden, sehr

    1672
    gescheit, sehr selbstbewußt, sehr eigensinnig, dabei
    lauteren Wandels, aber launenhaft und despotisch
    von Gemüt. Wem schwebten, aus eigener Erfahrung,
    nicht Beispiele dabei vor! Die Gelehrtenwelt, in ihren
    besten und energischsten Elementen, war immer
    reich an derartigen Charakteren. Was speziell unsren
    Abt Arnold angeht, so scheint es, das Kloster wollte ihn los sein, weit er geistig und moralisch einen un-bequemen Druck auf den Konvent ausübte. Daß er,
    um seines Wissens wie um seines Wandels willen,
    eines nicht gewöhnlichen Ansehens genoß, dafür
    spricht nicht nur der Umstand, daß ihn die Urkunden
    einen professor sacrae theologiae nennen, sondern
    mehr noch die Tatsache, daß er unmittelbar nach
    seinem Austritt aus dem Lehniner Kloster zum Abt
    von Altenberg erwählt wurde. Altenberg, seinerzeit
    ein berühmtes Kloster, liegt in der Rheinprovinz , in der Nähe von Koblenz. Wir möchten daraus beinahe
    schließen, daß er ein Rheinländer , jedenfalls ein Fremder war und an der märkischen Art ebensosehr
    Anstoß nahm , als Anstoß erregte.

    Abt Valentin (etwa von 1509 bis
    1542)
    Valentin war der letzte Abt des Klosters. Die Erschei-
    nung, die sich so oft wiederholt, daß ersterbende
    Geschlechter und Institutionen vor ihrem völligen
    Erlöschen noch einmal in altem Glanze aufblühen,
    wiederholte sich auch hier, und die mehr denn drei-

    1673
    ßigjährige Regierung des Abtes Valentin bezeichnet
    sehr wahrscheinlich den Höhenpunkt im Leben des
    Klosters überhaupt. Freilich haben wir dabei die
    glänzende fünfundzwanzigjährige Epoche bis 1535
    von der darauf folgenden kurzen Epoche bis 1542,
    die schon den Niedergang bedeutet, zu trennen.
    Wir sprechen von der Glanzepoche zuerst. Der Besitz
    – nach den kurzen Gefährdungen während der Quit-
    zow-Zeit – war von Jahrzehnt zu Jahrzehnt gewach-
    sen und umfaßte in den Jahren, die der Reformation
    unmittelbar vorausgingen, zwei Marktflecken, vier-
    undsechzig Dörfer, vierundfünfzig Fischereien, sechs
    Wasser- und neun Windmühlen, vierzehn große Fors-
    ten, dazu weite Äcker, Wiesen und Weinberge. Jeder
    Zweig des Betriebs stand in Blüte; die Wolle der rei-
    chen Schafherden wurde im Kloster selbst

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