Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Untersuchungskommissarien in Lehnin ein-
treffen. Aber gleichzeitig mit ihnen treffen auch, als
Zeugen in der Sache zur Begutachtung vorgeladen,
die Äbte dreier märkischer Klöster, von Zinna, Chorin und Himmelpfort ein und bezeugen durch ihre Aussage, daß Abt Arnold in der Tat willkürlich das Klos-
tergut veräußert und somit die Absetzung seitens
des Klosterkonvents (der sich dabei lediglich inner-
halb seiner Befugnisse gehalten) durchaus verdient
habe. »Was seine Schmähungen aber gegen die sitt-
liche Führung des Klosters angehe, dem er so lange
vorgestanden, so treffe ihn – selbst wenn diese
1671
Schmähungen begründet sein sollten – die Haupt-
verantwortlichkeit, da es in zehnjähriger Führung
seine Aufgabe gewesen sein würde, diesem Verfall der Sitte zu steuern.« Auch der Kurfürst Friedrich der
Eiserne, in einem an die Kommissarien gerichteten
Briefe, nimmt Partei für den Konvent, gegen den abgesetzten Abt, und so sehen wir denn, ohne daß
ein urkundliches Urteil der Kommissare in dieser
Streitsache vorläge, den neuen Abt in seinem Amte
verbleiben – eine Tatsache, die genugsam spricht.
Über den Inhalt der Schmähschrift, des »libellum infamiae«, erfahren wir nichts; es wird ein Verzeichnis der alten Klostersünden gewesen sein, wie sie
entweder überall vorkamen oder doch überall berich-
tet wurden.
Wenn nun einerseits diese Absetzung Abt Arnolds
und seine darauf geschriebene Schmähschrift aber-
mals dartun, daß die Tage Kloster Lehnins durchaus
nicht so still-idyllisch verliefen, wie wohl je zuweilen berichtet worden ist, so gewähren uns andrerseits
die betreffenden Urkunden noch ein besondres Inte-
resse dadurch, daß sie die Frage in uns anregen:
Wer war dieser Abt Arnold? welchen Charakters? war
er im Recht oder im Unrecht? Freilich nur wenige
Anhaltepunkte sind uns gegeben, aber sie rechtferti-
gen die Vermutung, daß er ebensosehr ein Opfer
seiner geistigen Überlegenheit wie seiner Übergriffe war. Wahrscheinlich gingen diese Übergriffe zum Teil
erst aus dem Bewußtsein seiner Überlegenheit her-
vor. Er war, so schließen wir aus einer Reihe kleiner
Züge, das, was wir heutzutage einen genialischen,
aber querköpfigen Gelehrten nennen würden, sehr
1672
gescheit, sehr selbstbewußt, sehr eigensinnig, dabei
lauteren Wandels, aber launenhaft und despotisch
von Gemüt. Wem schwebten, aus eigener Erfahrung,
nicht Beispiele dabei vor! Die Gelehrtenwelt, in ihren
besten und energischsten Elementen, war immer
reich an derartigen Charakteren. Was speziell unsren
Abt Arnold angeht, so scheint es, das Kloster wollte ihn los sein, weit er geistig und moralisch einen un-bequemen Druck auf den Konvent ausübte. Daß er,
um seines Wissens wie um seines Wandels willen,
eines nicht gewöhnlichen Ansehens genoß, dafür
spricht nicht nur der Umstand, daß ihn die Urkunden
einen professor sacrae theologiae nennen, sondern
mehr noch die Tatsache, daß er unmittelbar nach
seinem Austritt aus dem Lehniner Kloster zum Abt
von Altenberg erwählt wurde. Altenberg, seinerzeit
ein berühmtes Kloster, liegt in der Rheinprovinz , in der Nähe von Koblenz. Wir möchten daraus beinahe
schließen, daß er ein Rheinländer , jedenfalls ein Fremder war und an der märkischen Art ebensosehr
Anstoß nahm , als Anstoß erregte.
Abt Valentin (etwa von 1509 bis
1542)
Valentin war der letzte Abt des Klosters. Die Erschei-
nung, die sich so oft wiederholt, daß ersterbende
Geschlechter und Institutionen vor ihrem völligen
Erlöschen noch einmal in altem Glanze aufblühen,
wiederholte sich auch hier, und die mehr denn drei-
1673
ßigjährige Regierung des Abtes Valentin bezeichnet
sehr wahrscheinlich den Höhenpunkt im Leben des
Klosters überhaupt. Freilich haben wir dabei die
glänzende fünfundzwanzigjährige Epoche bis 1535
von der darauf folgenden kurzen Epoche bis 1542,
die schon den Niedergang bedeutet, zu trennen.
Wir sprechen von der Glanzepoche zuerst. Der Besitz
– nach den kurzen Gefährdungen während der Quit-
zow-Zeit – war von Jahrzehnt zu Jahrzehnt gewach-
sen und umfaßte in den Jahren, die der Reformation
unmittelbar vorausgingen, zwei Marktflecken, vier-
undsechzig Dörfer, vierundfünfzig Fischereien, sechs
Wasser- und neun Windmühlen, vierzehn große Fors-
ten, dazu weite Äcker, Wiesen und Weinberge. Jeder
Zweig des Betriebs stand in Blüte; die Wolle der rei-
chen Schafherden wurde im Kloster selbst
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