Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
führt den besten Beweis, daß man
    dem Kloster viel zuviel Ehre antut, wenn man ihm,
    wie geschehen ist, nachredet, daß es all die Zeit über
    (von 1319 bis 1345) gut askanisch gewesen wäre
    oder gar an der Rückkehr und Restituierung Walde-
    mars, nötigenfalls irgendeines Waldemars, gearbeitet habe. Nichts davon. Das Kloster Chorin hatte weder
    die Treue, auf die Wiedereinsetzung eines »echten
    Waldemar«, wenn es an einen solchen glaubte, zu
    dringen, noch hatte es andererseits den Mut einer
    politisch-patriotischen Intrigue, das heißt den Mut,
    nötigenfalls auf jede Gefahr hin und bloß dem aska-
    nischen Namen zuliebe, den unechten Waldemar zu
    einem echten zu machen . Chorin tat nichts, als wartete ab. Waldemar, gleichviel, ob der falsche oder
    der richtige, zog schon zwei Jahre durchs Land, und
    die Uckermark, darin unser Kloster gelegen war, hat-
    te ihn bereits anerkannt; nur gerade Abt und Kon-
    vent von Chorin zögerten immer noch, ein Wort zu
    sprechen und die alten askanischen Sympathien zu
    bezeigen. Warum? Die bayrische Herrschaft , wenn auch mannigfach bedroht, erschien noch unerschüttert, jedenfalls dem Eindringling überlegen. Chorin
    blieb also gut bayrisch, solange es das Klügste war, gut bayrisch zu sein.

    1718
    Aber der Herbst 1348 änderte plötzlich die Macht-
    stellung der Parteien, und mit der veränderten
    Machtstellung änderte sich natürlich auch die Stel-
    lung Chorins. Kaiser Karl IV., der Luxemburger, der
    dem bayrischen Kaiser, dem Vater des bayrischen
    Markgrafen von Brandenburg, auf dem Kaiserthron
    gefolgt war, trat auf die Seite des Falschen Walde-
    mar und ließ ihn für echt erklären.
    Jetzt wäre die Stunde für Chorin dagewesen, endlich
    Treue zu zeigen, wenn auch nur Treue gegen Bay-
    ern; aber es kannte nichts als Unterwerfung unter
    die Macht. Mit dieser Anerkennung des Falschen
    Waldemar durch den Kaiser war der bayrische Mark-
    graf von Brandenburg auf einen Schlag der schwä-
    chere Teil geworden; die natürliche Folge davon war,
    daß Chorin aufhörte, bayrisch zu sein, um sofort kai-
    serlich und Waldemarisch zu werden.2)
    Dies war ein böser Fleck, eine häßliche Wandlung;
    aber das Häßlichere kam noch nach. Die Sache
    währte nicht lange; der Kaiser dachte bald anders
    und ließ den Waldemar im Frühjahr 1350 ebenso
    leicht wieder fallen, wie er ihn achtzehn Monate frü-
    her erhoben hatte. Die Häuser Luxemburg und Bay-
    ern söhnten sich aus. Waldemar war nun wieder
    nichts oder doch nicht viel; nur die askanische Partei
    stand noch zu ihm. Einzelne treue unter den Städten
    suchten ihn auch jetzt noch zu halten, nur nicht Chorin . Die Machthaber hatten ihn fallenlassen, und das Kloster tat selbstverständlich dasselbe. Von einem
    Einstehen, einem Zeugnisablegen, von dem, was wir
    heute Charakter und Gesinnung nennen würden,

    1719
    keine Spur. Nach halbjähriger Teilnahme an der Wal-
    demar-Komödie war Chorin wieder so gut bayrisch,
    wie es vorher gewesen war. Die bayrischen Markgra-
    fen ihrerseits waren auch zufrieden damit und mach-
    ten aus dem flüchtigen Abfall nicht allzuviel. Sie
    drückten zwar in einer Urkunde ihren Unmut und
    ihre Trauer darüber aus, das Kloster nicht fest be-
    funden zu haben; aber das war wenig mehr als eine
    Formalität, die Sache war beigelegt und Chorin wie-
    der angesehen, vielleicht angesehener als zuvor. Es
    hielt nun auch aus, solange die Bayern im Lande
    waren; aber wir dürfen wohl annehmen, nicht aus
    Treue, sondern einfach deshalb, weil das Ausbleiben
    jeder neuen Versuchung ein neues Ausgleiten un-
    möglich machte.
    Die angebliche »politische Glanzzeit« Chorins war
    das natürliche Resultat gegebener Verhältnisse, nicht
    mehr und nicht weniger, und die Quitzow-Zeit wird
    dem Kloster zu einem ähnlich abwartenden politi-
    schen Verfahren Veranlassung gegeben haben. Doch
    sind die Aufzeichnungen darüber lückenhafter. Cho-
    rin hatte keinen Heinrich Stich (siehe Seite 60), ent-
    behrte vielmehr eines Abtes, der sich gemüßigt ge-
    sehen hätte, die Verwicklungen einer verwicklungs-
    reichen Epoche niederzuschreiben. Die letzten an-
    derthalbhundert Jahre des Klosters unter der sich
    befestigenden Macht der Hohenzollern scheinen ohne
    jede Gefährdung hingegangen zu sein; Schenkungs-
    brief reiht sich an Schenkungsbrief, bis endlich die
    Reformation dazwischentritt und den Faden durch-
    schneidet.

    1720
    Die Vorgänge, die die Säkularisierung Chorins beglei-
    teten, waren wohl dieselben wie bei

Weitere Kostenlose Bücher