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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ein monumentales Bau-
    werk schließen läßt, so gestattet der Formen-
    charakter der vornehm gebildeten Fußglieder
    an den innern Strebepfeilern keinen Zweifel
    darüber, daß wir es mit einem Gebäude aus
    dem zwölften Jahrhundert zu tun haben, das
    entweder eine Kirche war oder einem Kloster
    zugehörte. Für die erstere Annahme spricht
    die Form der Ruine, die wohl am richtigsten
    als Überbleibsel der östlichen Giebelseite ei-
    ner dreischiffigen Kirche angesehen wird. Es
    wäre interessant, diese Ansicht durch eine
    Aufgrabung des Terrains in der Richtung der
    nach innen vorspringenden Strebepfeiler viel-
    leicht bestätigt zu finden.«

    Kloster Chorin von 1272 bis 1542
    Bis 1272 bestand Kloster Mariensee auf der Ziegen-
    insel im Parsteiner See. In diesem Jahre, so scheint
    es, kam man überein, »wegen mehrerer Unbequem-
    lichkeit, die sich aus der Lage des Klosters ergäbe«,
    dasselbe weiter westwärts, und zwar an den Chori-

    1712
    ner See, zu verlegen, richtiger wohl, es mit einer
    neuen klösterlichen Pflanzung, die sich bereits am
    Choriner See befinden mochte, zu vereinigen . Eine solche neue Pflanzung muß nämlich, wenn auch nur
    in kleinen Anfängen, um 1272 schon existiert haben,
    wie nicht nur aus einzelnen, allerdings so oder so zu
    deutenden urkundlichen Angaben, ganz besonders
    aber aus einer Steintafelinschrift hervorgeht, die
    noch bis zum Jahre 1769 im Kloster vorhanden war.1)
    Die ersten Zeilen derselben lauteten:
    »Anno 1254 ist der Markgraf Johannes (I.), Kurfürst
    zu Brandenburg, der dieses Kloster Chorin Zister-
    zienserordens gestiftet, allhier begraben.«
    Wenn nun bereits um 1254 Markgraf Johann I. hier
    beigesetzt werden konnte, so mußte wenigstens ein
    Klosteranfang und in ihm eine Grabkapelle vorhan-
    den sein. Wir werden nicht irregehen, wenn wir die
    Anfänge von Kloster Chorin gerade um die Mitte des
    dreizehnten Jahrhunderts setzen.
    Wie immer aber dem sein möge, jedenfalls haben wir
    von 1272 an ein Kloster Chorin und dürfen anneh-
    men, daß sich die bauliche Vollendung desselben,
    trotz einer unverkennbaren Großartigkeit der Anlage,
    in verhältnismäßig kurzer Zeit vollzogen haben muß.
    Es sprechen dafür die zum Teil vortrefflich erhalte-
    nen Überbleibsel des Klosters, die ihrem Baustil nach
    in die Wendezeit des dreizehnten und vierzehnten
    Jahrhunderts gehören. Die Zeit war einem solchen
    raschen Aufblühen besonders günstig; das Ansehen
    des Ordens stand auf seiner Höhe, und die Askanier,

    1713
    wie bereits hervorgehoben, waren unermüdlich, dem
    Kloster ihre besondere Gnade zu bestätigen. Keiner
    mehr als Markgraf Waldemar, der letzte des Ge-
    schlechts. Fast alles Land zwischen Neustadt und
    Oderberg im Süden und ebenso zwischen Neustadt
    und Angermünde im Norden gehörte dem Kloster.
    Der Parsteiner See war so ziemlich der Mittelpunkt
    der reichen Stiftung, die bei der Säkularfeier des
    Klosters zweiundsechzig Dörfer zählte.
    Diese Dörfer deuten auf einen Totalbesitz, der dem
    Reichtum Lehnins (zwei Flecken und vierundsechzig
    Güter) nahekam, vielleicht auch diesen Reichtum
    übertraf, da die Dörfer der Odergegenden im allge-
    meinen für reicher und ergiebiger gelten als die Dör-
    fer der Zauche und selbst des Havellandes; doch
    mochte das damals, wo der Reichtum, der in den
    Sümpfen und Brüchen des Oderlandes steckte, noch
    nicht erschlossen war, anders sein als jetzt. Ist es
    doch noch nicht lange her, daß jedes Sanddorf vor dem Sumpfdorfe den Vorrang behauptete; der Sand
    gab wenig, aber der Sumpf gab nichts.
    Lassen wir aber die Frage nach dem größeren oder
    geringeren Besitz beiseite, so müssen wir bei Be-
    trachtung beider Klöster sofort durch die Tatsache
    überrascht werden, daß wir von der Geschichte des
    einen, trotz aller Lücken und Mängel, verhältnismä-
    ßig viel, von der Geschichte des andern verhältnis-
    mäßig wenig wissen. Ohne die urkundlichen Überlie-
    ferungen, die Sagen und Traditionen, die sich an
    Lehnin knüpfen, überschätzen zu wollen, so muß
    doch schließlich zugestanden werden, daß etwas da

    1714
    ist und daß wir Gestalten und Ereignisse von größe-
    rem oder geringerem Interesse an uns vorüberzie-
    hen sehen. Nichts Derartiges aber, oder doch fast
    nichts, bietet Chorin.
    Ob diese Armut der Überlieferung einfach darin liegt,
    daß das Kloster Chorin in der Tat nichts anderes war
    als ein klösterlicher Amtshof, mit vielen Gütern und
    Vorwerken, oder ob uns die Glanzseiten der

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