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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Ge-
    schichte, wenn solche da waren, einfach verlorenge-
    gangen sind, ist nachträglich schwer zu entscheiden,
    doch spricht manches dafür, daß das erstere der Fall
    war und daß Kloster Chorin nicht viel etwas anders
    zu bedeuten hatte als eine große mönchische Öko-
    nomie, in der es auf Erhaltung und Mehrung des
    Wirtschaftsbestandes, aber wenig auf die Heilighal-
    tung ideeller Güter ankam. Was indessen mehr be-
    sagen will als die Dürre dieser urkundlichen Überlie-
    ferungen, das ist der Umstand, daß das Kloster auch
    bei seinen Um- und Anwohnern nicht die geringste
    Spur seiner Existenz zurückgelassen zu haben
    scheint.
    Da sind keine Traditionen, die an die Lehniner Sagen
    von Abt Sibold erinnerten, da ist kein See, kein
    Haus, kein Baum, die als Zeugen blutiger Vorgänge
    mit in irgendeine alte Klosterlegende verflochten wä-
    ren; da ist keine »Weiße Frau«, die abends in den
    Trümmern erscheint und nach dem Mönche sucht,
    den sie liebte; alles ist tot hier, alles schweigt.
    Ein einziger kurzer Abschnitt klingt an die Historie
    wenigstens an. Es bezieht sich dies auf das bayeri-

    1715
    sche Interregnum in unsrer Geschichte, spezieller auf die Epoche, die zwischen dem Tode des echten und
    dem Auftauchen und Wiederverschwinden des Fal-
    schen Waldemar liegt, also auf die Zeit zwischen
    1319 und 1349. Man hat dem Kloster nachgesagt,
    daß es in dieser Zeit sich durch Intrigue, Schweige-
    kunst und feines politisches Spiel hervorgetan und
    wenigstens um seiner Klugheit willen einen gewissen
    Anspruch auf unseren Respekt erworben habe. Ich
    habe indes nichts finden können, was einen Anhalte-
    punkt für die Annahme einer solchen Superiorität
    böte. Von scharfer Vorausberechnung, von raschem
    Hervortreten im rechten Moment oder wohl gar von
    dem Blitzenden eines genialen Coups nirgends eine
    Spur; überall nur die Betätigung allertrivialster Le-
    bensklugheit, eine Politik von heute auf morgen, von
    der Hand in den Mund.
    Verfolgen wir, wie zur Beweisführung für die vorste-
    henden Sätze, die Haltung des Klosters während der
    vorgenannten Epoche, so werden wir es einfach im-
    mer »bei der Macht« finden. Hielt die Macht aus, so
    hielt Chorin auch aus, schwankte die Macht, so
    schwankte auch Chorin. In zweifelhaften Fällen hielt
    sich's zurück und wartete ab. Wenn dies »Diploma-
    tie« ist, so ist nichts billiger als die diplomatische
    Kunst.
    Von 1319 bis 1323 waren für die Mark drei Präten-
    denten da: Herzog Rudolf von Sachsen, Herzog Hein-
    rich von Mecklenburg und Herzog Wratislaw von
    Pommern-Wolgast. Die besten Ansprüche hatte un-
    bedingt Rudolf von Sachsen; das Kloster sagte sich

    1716
    aber: »Herzog Heinrich und Herzog Wratislaw sind
    uns näher, und weil sie uns näher sind, sind sie
    wichtiger für uns.« Diese Erwägung genügte, um sich
    – im Gegensatze zur Mittelmark, die nach Sachsen
    hinneigte – auf die Seite von Pommern und Mecklen-
    burg zu stellen.
    So lagen die Sachen noch im Juni 1320. Aber das
    Ansehen Rudolfs von Sachsen wuchs; zu seinem
    größeren Rechte gesellte sich mehr und mehr auch
    die größere Macht, und sobald das Kloster diese
    Wahrnehmung machte, war es rasch zu einer Wand-
    lung entschlossen. Im November 1320 begegnen wir
    bereits einer Urkunde, worin »Herzog Rudolf das
    Kloster Chorin in seinen Schutz nimmt, ihm seine
    Ungnade erläßt « und dabei natürlich seinen Besitz ihm bestätigt. Wir sehen, das Kloster hatte es für gut
    befunden, seine erste Schwenkung zu machen.
    Indessen, die Dinge gingen nicht lange so. Kaiser
    Ludwig hielt es um diese Zeit für angetan, die Mark
    als ein verwaistes Reichslehn einzuziehen und seinen
    ältesten Sohn damit zu begnaden. Dieser kam als
    Markgraf ins Land. Die Rechnung, die von seiten
    Chorins nunmehr angestellt wurde, war einfach die
    folgende: »Rudolf von Sachsen ist stärker gewesen
    als Mecklenburg oder Pommern, Kaiser Ludwig aber
    ist wiederum stärker als der Sachsenherzog.« So
    wurde unser Kloster denn, nachdem es drei oder vier
    Jahre lang sächsisch gewesen war, ohne Zögern bay-
    risch . Dies war die zweite Schwenkung. Aber noch andere standen bevor.

    1717
    1345 tauchte der sogenannte »Falsche Waldemar«
    auf; wir lassen dahingestellt sein, ob er der falsche
    oder der echte war. Sein Anhang mehrte sich, aber
    die größere Macht stand zunächst noch auf bayri-
    scher Seite. Was tat nun Chorin? Es hielt aus bei den
    Bayern, solange Bayern der stärkere Teil war, und
    dies Ausharren

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