Wanderungen durch die Mark Brandenburg
in bezug auf Berlin nicht sagen läßt. Eingetreten in beide Städte jedoch, erkennen
wir, daß Wren (den die großen Aufgaben des Kir-
chenbaues beschäftigten) ohne jeden bemerkens-
werten Einfluß auf die Straßen und Häuser, auf die
Details der Stadt geblieben ist, während dasselbe
Berlin, das nach außen hin kaum einen einzigen
Schinkelschen Zug verrät, in seinem Innern den
Stempel Schinkels trägt. Inwieweit dies der Fall ist,
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das wird am ehesten erhellen, wenn ich einfach auf-
zähle, welche Häuser und Paläste, welche Brücken
und Plätze wir der fünfundzwanzigjährigen baukünst-
lerischen Tätigkeit unseres Schinkels verdanken.
Es sind: die Königswache, die Domkirche (Restaura-
tion), das Kreuzberg-Monument, das Monument für
den General von Scharnhorst auf dem Invaliden-
kirchhof, das Schauspielhaus, das Potsdamer Tor und
die Wachthäuser rechts und links neben demselben,
das Alte Museum samt Lustgarten und Springbrun-
nen, die Schloßbrücke samt ihren Statuen, die Fried-
rich-Werdersche Kirche, die vier Kirchen einerseits in
Wedding und Moabit, andrerseits vor dem Rosentha-
ler Tor und auf dem Gesundbrunnen, die Palais der
Prinzen Karl und Albrecht, die neuen Packhofsgebäu-
de, das Graf Redernsche Palais, die Einfahrt in die
Neue Wilhelmsstraße, die Sternwarte am Enckeplatz,
die Bauschule.
Bedeutsam, wie diese Bauten sind – vorzüglich für
den, der die Geschichte derselben verfolgt und die Schwierigkeiten in Anschlag bringt, die sich der Ausführung entgegenstellten –, so geben sie doch zum
kleinsten Teile nur eine Vorstellung von der umfas-
senden und geradezu Staunen erregenden Tätigkeit,
die Schinkel zunächst innerhalb der Hauptstadt und
ihrer Umgebung2) und im weiteren im Lande Preußen
überhaupt entfaltete.
Wenn wir uns annähernd ein richtiges Bild davon
entwerfen wollen, welcher Art und welchen Umfan-
ges sein Schaffen war, so müssen wir nicht allein das
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im Auge haben, was er widerstrebenden Gewalten
gegenüber aus Berlin wirklich machte, sondern vor
allem auch das, was er daraus machen wollte , müssen wir in den Kreis seiner schöpferischen Tätigkeit
alles das mit hineinziehen, was in hundert ausge-
führten Blättern auf dem Papiere lebt, aber an der
Ungunst der Zeiten scheiterte. An der Stelle, wo jetzt
das Potsdamer Tor steht, sollte sich beispielsweise
die große Friedenskathedrale zur Erinnerung an die
Freiheitskriege erheben. Die Linden entlang gedachte
er in Statuen und Denkmälern eine monumentale
Siegesstraße zu ziehen, und anstelle des alten Do-
mes sollte ein wirklicher Dom hoch in die Luft steigen, glänzend genug, um sich den anderen Pracht-
bauten jenes Platzes würdig anzureihen. So waren
die Pläne, aber nur die Mappen Schinkels geben Aus-
kunft darüber, was damals alles gedacht, entworfen,
erstrebt wurde. Das wenigste trat ins Leben. »Er
diente einem sparsamen König in einer geldarmen
Zeit.«
Diese Mappen, die eigentlichste Hinterlassenschaft
Schinkels, sind es, die uns ein Bild der Gesamttätig-
keit des Meisters erschließen, einer Tätigkeit, die fast alle Gebiete des künstlerischen Lebens umfaßte . Gab es eine neue Spontinische Oper, wer anders als
Schinkel konnte die Dekorationen, gab es ein fürstli-
ches Begräbnis, wer anders als Schinkel konnte die
Zeichnung zu Monument oder Grabstein entwerfen?
Das ganze Kunst handwerk – dieser wichtige Zweig modernen Lebens – ging unter seinem Einfluß einer
Reform, einem mächtigen Aufschwung entgegen. Die
Tischler und Holzschneider schnitzten nach Schinkel-
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schen Mustern, Fayence und Porzellan wurden schin-
kelsch geformt, Tücher und Teppiche wurden schin-
kelsch gewebt. Das Kleinste und das Größte nahm
edlere Formen an: der altvätrische Ofen, bis dahin
ein Ungeheuer, wurde zu einem Ornament, die Ei-
sengitter hörten auf, eine bloße Anzahl von Stangen
und Stäben zu sein, man trank aus schinkelschen
Gläsern und Pokalen, man ließ seine Bilder in schin-
kelsche Rahme fassen, und die Grabkreuze der Toten
waren Schinkelschen Mustern entlehnt. In dieser
Welt Schinkelscher Formen leben wir noch 3), die wenigsten unter uns wissen es, aber dies Nichtwissen
ändert nichts an der Tatsache. Seine Schule blüht
und durchdringt unser Leben.
1. In den betreffenden Kapiteln des ersten,
zweiten und vierten Bandes dieser »Wande-
rungen« sind diese Bilder und Zeichnungen
ausführlicher beschrieben.
2. In Potsdam
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