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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Gesellschaft mit wütender Schnelligkeit
    nach der entgegengesetzten Seite aus, wobei mir
    Walter Scotts Schilderungen im ›Piraten‹ einfielen.
    Man hat angefangen, ein kleines steinernes Hüttchen
    als eine Art von Wirtshaus oben zu bauen.« (Existiert
    nicht mehr.)
    Solchen Schilderungen pflegte Schinkel, mitten in die
    flüchtige Schreiberei des Briefes hinein, eine ebenso
    flüchtig entworfene Skizze des Gesehenen beizufü-
    gen, und es ist ein großes Verdienst Alfreds von Wol-
    zogen, bei Herausgabe der Schinkelschen Briefe dem
    Text diese Zeichnungen mit beigegeben zu haben.
    Wer das Glück hat, diese wilden, hochpoetischen
    Gegenden der schottischen Westküste zu kennen,

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    wird frappiert sein, in diesen wenigen, rasch mit Din-
    te hingekritzelten Skizzen das alte Ossian-Land wie-
    der vor sich aufsteigen zu sehen.
    Auch den Briefen aus England, wie gleich hier be-
    merkt werden mag, sind solche Federzeichnungen
    beigegeben, flüchtige Skizzen, die durch die überaus
    geniale Art der Behandlung an ähnliche Arbeiten des
    schon einmal zitierten William Turners erinnern, der,
    wie Schinkel, es verstand, mit zwölf Strichen und
    ebenso vielen Punkten ein ganzes Landschaftsbild zu
    geben. Die Schinkelsche Skizze von Manchester (sie-
    he »Aus Schinkels Nachlaß«. Band II, S. 144) ist mir
    nach dieser Seite hin immer wie ein kleines Wunder-
    ding erschienen. Ebenso scharf aber, wie er zu sehen verstand, so scharf und zutreffend wußte er auch zu
    urteilen , und die kurzen kritischen Bemerkungen, die sich durch diese England-Briefe hindurchziehen, sind
    von höchstem Interesse. »Mr. Connel, Mr. Kennedy
    und Mr. Morris«, so schreibt er, »haben Gebäude,
    sieben bis acht Etagen hoch und so lang und tief wie
    das Berliner Schloß. Man sieht Gebäude stehen, wo
    vor drei Jahren noch Wiesen waren, aber diese Ge-
    bäude sehen so schwarz aus, als wären sie hundert
    Jahre im Gebrauch. Die ungeheuren Baumassen,
    bloß von einem Werkmeistern ohne alle Architektur
    und nur für das nackteste Bedürfnis allein aus rotem
    Backstein aufgeführt, machen einen höchst unheimli-
    chen Eindruck.« In Liverpool ißt er vortrefflich zu
    Mittag und schläft gut, kehrt indessen doch mit dem
    Eindruck heim, »daß Liverpool zwar eine enorme,
    aber im ganzen doch eine unansehnliche Stadt sei«.

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    Diese Ruhe und Sicherheit in der Betrachtung der
    Dinge ist es, was diesen Briefen einen solchen Reiz
    verleiht. Alles Große, Reiche, Schöne findet eine wil-
    lige, nirgends mäkelnde Anerkennung, zugleich aber
    steht dieser Anerkennung ein unerschütterliches Ur-
    teil zur Seite, das sich nicht beirren und weder durch
    Scheinkünste noch durch Massen oder Zahlen imponieren läßt. Schinkel selbst zählte später diese Reise
    zu seinen liebsten Erinnerungen.
    Die Art, wie Schinkel zu reisen pflegte, gewährte ihm
    (ich deutete dies schon an) eine große geistige Erholung, aber eine körperliche kaum. Denn er, dessen
    ganzes Wesen überhaupt derart auf das Geistige
    gerichtet war, daß er sich mit allen physischen Be-
    dürfnissen so kurz und mäßig wie nur immer möglich
    abfand, hatte gerade dann am allerwenigsten ein Ohr für die Forderungen des Körpers, wenn sein
    Geist (wie immer auf Reisen geschah) doppelte und
    dreifache Nahrung empfing. So kam es, daß seine
    ursprünglich robuste Natur vor der Zeit zu wanken
    begann, weshalb er sich auch von 1832 an fast all-
    jährlich genötigt sah, statt zu Reisen für Auge und
    Herz, zu Badekuren seine Zuflucht zu nehmen. Ma-
    rienbad, Karlsbad, Kissingen wurden abwechselnd
    gebraucht. Auch im Sommer 1839 war er wieder in
    Kissingen gewesen, hatte von dort aus München be-
    sucht, wo die eben damals entstandenen griechi-
    schen Landschaften Rottmanns noch einen überaus
    harmonischen Eindruck auf ihn gemacht hatten, und
    allen Briefen nach, die eintrafen, schien er ein Gene-
    sener und bei heiterster Stimmung zu sein. Aber
    schon bei seiner Rückkehr nach Berlin zeigte sich

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    eine große Erschöpfung. Er nahm noch teil an allem,
    indes die Mattigkeit wuchs. Auch ein Ausflug im
    nächsten Sommer versagte den Dienst, und schwer
    krank kehrte er am 7. September (1840) nach Berlin
    zurück. Eine allgemeine Apathie kam über ihn, der
    Puls zeigte kaum noch fünfzig Schläge in der Minute,
    und eine Verdunkelung des einen Auges gab zur Be-
    fürchtung des Schlimmsten Veranlassung. Ein Ader-
    laß wurde angeordnet, aber schon nach wenigen Mi-
    nuten sank er in eine tiefe Ohnmacht,

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