Wanderungen durch die Mark Brandenburg
in
dem Waisenhause ein großes, für die Lokalgeschich-
te Oranienburgs höchst wertvolles Gemälde existier-
te, das, früher den Prachtzimmern des Schlosses
angehörig, jetzt dazu dient, uns, in Ermangelung
jedes andere Anhaltepunkts, über die Gestalt der
damaligen Oranienburg einen mutmaßlichen, wenn
auch freilich immer noch sehr disputablen Aufschluß
zu geben. Dies wandgroße Bild (etwa elf Fuß im
Quadrat), von dem sich eine gleichzeitige Kopie als
Plafondgemälde in einem der Säle des Schlosses be-
fand, stellt, unter Benutzung der alten Dido-Sage,
die Gründung Oranienburgs dar.
In der Mitte des Bildes erkennen wir das kurfürstliche
Paar, angetan mit allen Abzeichen seiner Würde.
Luise Henriette als Dido . Hinter dem Kurfürsten, den Speer in der Hand, steht der Oberst La Cave, während die Gräfin von Blumenthal, eine schöne, stattli-
che Dame, die Schleppe der Kurfürstin trägt. Weiter
zurück, der Gräfin Blumenthal zunächst, erblicken
wir den Oberjägermeister von Hertefeld und einen
1787
von Rochow. Die Angaben fehlen, welchen. Alle die
Genannten füllen die linke Seite des Bildes, während
zur Rechten des Kurfürsten der Geheimrat Otto von
Schwerin steht, in wenig schmeichelhafter Weise mit
zurückgeschlagenen Hemdsärmeln und im günstigs-
ten Fall in der Rolle eines behäbigen Gerbermeisters.
Er hält eine Kuhhaut mit der Inschrift »plus outre«,
»immer weiter«, in der Linken, während er mit der
Rechten bemüht ist, die Haut in Streifen zu schnei-
den. Diese Streifen werden von drei oder vier ge-
schäftigen Dienern zur Absteckung einer weiten, sich
im Hintergrund markierenden Feldfläche benutzt, aus
deren Mitte sich in grauweißer Farbe ein Schloß er-
hebt, nur skizziert, aber doch deutlich genug er-
kennbar, um ein verständliches, anschauliches Bild
zu geben.1)
Schloß Oranienburg, wie es jetzt vor uns liegt, zeigt nichts mehr von dem Bau, den ich vorstehend
(Seite 143) beschrieben habe. Weder Frontispice
noch Säulengänge, weder Altan noch Türme bieten
sich zur Zeit dem Auge dar, und die Umwandlung,
die im Laufe von zwei Jahrhunderten erfolgt ist, ist
eine so vollständige gewesen, daß es zweifelhaft
bleibt, ob auch nur eine einzige Außenwand des ora-
nischen Schlosses stehengeblieben und dem Neubau,
der 1688 begann, zugute gekommen ist. Ein ähnli-
ches Schicksal hat über allem gewaltet, was die
fromme Kurfürstin hier entstehen ließ. Jegliches ging
zugrunde, meist durch Feuer, und existiert nur noch
dem Wort und Wesen, aber nicht mehr seiner ursprünglichen Form nach . Das Schloß, die Kirche, das Waisenhaus von heute sind nicht mehr das Schloß,
1788
die Kirche, das Waisenhaus von damals, und wenn
wir von einem, übrigens in seiner Echtheit ebenfalls
anfechtbaren Portrait absehen, so findet sich an Ort
und Stelle nichts mehr, was sich mit Bestimmtheit
auf die Zeit der Oranierin zurückführen ließe. Das ihr
seitens der Stadt errichtete Denkmal, eine Neu-
schöpfung, stammt erst aus dem Jahre 1858. Es ist
ein überlebensgroßes Bildnis in Erz, aus der Hand
Wilhelm Wolffs hervorgegangen, und führt die In-
schrift: »Der hohen Wiederbegründerin dieser Stadt,
Luise Henriette, Kurfürstin von Brandenburg, gebor-
nen Prinzessin von Oranien, zum dauernden Ge-
dächtnis die dankbare Bürgerschaft Oranienburgs.«
Und dieser Dank war Pflicht. Was Luise Henriette
schuf, es hat das Kleid gewechselt, aber die Dinge
blieben, und der Segen lebt fort.
1. Pastor Ballhorn, in seiner trefflichen »Ge-
schichte Oranienburgs«, hat dieser architek-
tonischen Skizze des großen Bildes eine Be-
weiskraft beigelegt, die sie schließlich doch
kaum besitzen dürfte. Pastor B. vermutet,
daß das Bild zwischen 1653 und 1654 gemalt
worden sei, was aber unmöglich ist, da der
holländische Maler, Augustin Terwesten, von
dem es herrührt, erst 1649 geboren wurde.
Augustin Terwesten (von 1696 ab Direktor
der Akademie der Künste) kam 1690 nach
Berlin, wohin er, vierzig Jahre. nach der
Gründung Schloß Oranienburgs, durch Kur-
1789
fürst Friedrich III. gerufen wurde. Er begann
damit, die kurfürstlichen Lustschlösser mit
großen Tableaux zu schmücken, und da
um 1690 Schloß Köpenick bereits beendet
und Schloß Charlottenburg noch nicht ange-
fangen war, so ist es wohl möglich, daß er in
den Sälen von Schloß Oranienburg debütierte,
das eben damals einem Umbau im großen Stil
unterworfen wurde. Da dieser
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