Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Kopenhagner Theater, und
ein nationales Stück, dessen Titel ich verges-
sen habe, wurde gegeben. An einer schönen,
ergreifenden Stelle, als aller Augen auf die
Bühne gerichtet waren, fühlte Oehlenschlä-
ger, wie das weiße, mächtige Haupt Thor-
waldsens langsam und beinahe leblos schon
auf seine Schultern niederfiel, und sich erhe-
bend, rief er mit mächtiger Stimme in die
Bühne hinein: »Still! Thorwaldsen stirbt«...
Und alles wurde still.
Die Anzahl der Bildnisse, die wir von ihm besitzen,
ist ziemlich zahlreich. Wolzogen zählt acht Skulptu-
ren (Büsten, Reliefs, Statuetten) und zwanzig eigent-
liche Bilder (Zeichnungen, Stiche, Ölportraits etc.)
auf. Dazu kommt die große, von Drake gefertigte
Bronzestatue, die seit einigen Jahren, neben den
Statuen von Beuth und Thaer, auf dem Platz vor der
Königlichen Bauschule steht. Ich leiste darauf Ver-
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zicht, die einzelnen Portraits Schinkels hier namhaft
zu machen, nur das sei hervorgehoben, daß dem
Wolzogenschen Werke, und zwar in vorzüglicher
photographischer Nachbildung, vier Bildnisse Schin-
kels aus seinen verschiedenen Lebensepochen bei-
gegeben sind. Es sind dies: 1. der zweiundzwanzig-
jährige Schinkel nach einem Ölbilde von Johann Carl
Rößler (Rom 1803); 2. der vierunddreißigjährige
Schinkel nach einer Kreidezeichnung von ihm selbst;
3. der dreiundvierzigjährige Schinkel nach einem
Ölbilde von Begas (Berlin 1824); 4. der zweiundfünf-
zigjährige Schinkel nach einem Ölbilde von Carl
Schmid aus Aachen. Hieran reiht sich ein fünftes
Bild, Holzschnitt, das einer kleineren Arbeit Wolzo-
gens, »Schinkel als Architekt, Maler und Kunstphilo-
soph«, beigegeben ist und nach einem von Krüger
gemalten, dem Grafen Raczynski zugehörigen Bilde
angefertigt wurde. Auch das sei noch hinzugefügt, daß sich das Portrait Schinkels auf den Reliefbildern
der Blücher-Statue von Rauch und des Beuth-
Denkmals von Kiss befindet.1)
Was den Charakter Schinkels angeht, so hat ihn
niemand trefflicher geschildert als Waagen, der ihm,
so viele Jahre hindurch, in Kunst und Leben nahe-
stand. Er sagt von ihm: »An die Spitze der zahlrei-
chen Vorzüge dieses reich begabten Naturells stelle
ich seine hohe sittliche Würde, seine seltene moralische Kraft, seine noch seltenere Selbstverleugnung
und außerordentliche Herzensgüte .
Durch diese Eigenschaften erhielt er für alle Lebens-
begegnisse eine sichere Haltung und für öfters be-
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denklich erscheinende Lebensentschlüsse (zum Bei-
spiel jung und mittellos die große Reise nach Italien
anzutreten), überhaupt für alle schwierigsten, lang-
wierigsten und oft unangenehmsten Arbeiten, eine
eiserne Ausdauer. Nie habe ich eine so entschiedene,
ja fast grausame Herrschaft des Geistes über den
Körper beobachtet, als es bei ihm der Fall war. Nir-
gends sprach sich seine Selbstverleugnung schöner
aus, als wenn Lieblingspläne von ihm, welche er in
allen Teilen mit voller Hingebung streng durchgebil-
det hatte, entweder gar nicht zur Ausführung kamen
oder doch mannigfach verändert und beschnitten
wurden .2) Wie lebhaft auch der Schmerz war, den er bei solchen Gelegenheiten empfand, so erzeugte er
doch nicht jene so leicht begreifliche Verdrossenheit,
welche in ähnlichen Fällen meist das Interesse an
einer Aufgabe aufhebt, er nahm vielmehr von neuem
seine ganze Kraft zusammen, um alles zu retten,
was unter den beschränkenden Umständen zu retten
war. Ja, er entwickelte öfter daraus wieder eigen-
tümliche Schönheiten.
Er bildete an seinen Werken mit einer ungeschwäch-
ten Liebe fort. Dessenungeachtet war er nichts weni-
ger als blind für dieselben eingenommen. Mit echter
Bescheidenheit betrachtete er sie immer nur als
mehr oder minder gelungene Annäherungsversuche
an eine in ihm lebendig gewordene Kunstidee. Ein
unbedingtes und allgemeines Lob verletzte ihn da-
her , dagegen spiegelte sich seine Zufriedenheit auf die liebenswürdigste Weise auf seinem Gesicht, wenn
jemand von selbst den Sinn seiner feineren künstle-
rischen Intentionen auffand und hervorhob. So kam
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es, daß er auch in seinen spätesten Jahren mit der
Kunst keineswegs abgeschlossen hatte, sondern sich
immer im freisten und frischesten Vorwärtsstreben
befand. In der regen Begierde, etwas Neues zu ler-
nen, in der Biegsamkeit und Empfindlichkeit seines
Geistes für Aufnahme neuer, künstlerischer Eindrü-
cke ist er immer ein Jüngling
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