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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Verschwiegenheit der Nacht:
    Das Leben ist an Möglichkeit gebunden,
    Und ihre Grenzen sind oft eng gezogen;
    Der Freude Maß wird spärlich zugewogen,
    Des Leidens Knäuel langsam abgewunden.

    Allein der Mitternacht geheime Stunden
    Sind günstiger dem Sterblichen gewogen;
    Wer um des Tages Glück sich fühlt betrogen,
    Der heilt im süßen Traum des Wachens Wunden;
    stille, durch poetische Innigkeit ausgezeichnete Be-
    kenntnisse, an denen sich glücklicherweise die be-
    scheidene Hoffnung des Dichters:

    1821
    Vielleicht geschieht's, daß freundliches Gefallen
    Vom Untergange kleine Anzahl rette,
    und nicht die Resignation der zwei folgenden Zeilen
    erfüllt hat:
    Sonst in des Zeitenstromes breitem Bette
    Ist ihr natürlich Los, schnell zu verhallen.
    In der Nähe der Fensterwand steht der Schreibtisch,
    kein elegantes Tischchen, sondern ein schwerer,
    massiver Bau aus Mahagoniholz, ersichtlich »ein
    Krieger für den Werkeltag«. Auf ihm, und zwar in der
    Mitte desselben, erhebt sich eine antike Doppelher-
    me, rechts daneben ein Torso, links aber die be-
    rühmte, vom Maler Asmus Carstens herrührende
    Statuette einer Parze, die am Sockel die Namensin-
    schrift des Künstlers und die Jahreszahl 1795 trägt.
    An der gegenüberliegenden Wand, so daß das Auge
    des Schreibers, sooft er aufblickte, darauf fallen
    mußte, befinden sich die Statuen der Kapitolinischen
    Venus und der Venus von Milo, zwischen beiden ein
    Panorama von Rom und die Konstantins-Schlacht,
    nach dem berühmten Raffaelischen Bilde. Die Ge-
    samtheit der in diesem Zimmer vorhandenen Kunst-
    schätze aufzählen zu wollen hieße den Leser ermü-
    den; nur einer Kreidezeichnung Thorwaldsens, »Bac-
    chus, welcher dem Amor zu trinken gibt«, sei noch,
    ihrer besonderen Lieblichkeit und Grazie halber, er-
    wähnt.

    1822
    Von den Bildern und Statuen hinweg treten wir jetzt
    an die Glas- und Bücherschränke heran, die ihrem
    Inhalte nach, wenigstens teilweise, der Humboldt-
    schen Zeit angehören und uns somit Gelegenheit
    geben, einen Einblick in die privateren Studien,
    selbst in die Unterhaltungslektüre des Gelehrten zu
    tun. Da haben wir Byrons »Life and Works« in sieb-
    zehn und Adam Smiths »Wealth of Nations« in drei
    Bänden; Loudons »Encyclopaedia of Gardening« und
    Cooks Reisen um die Welt; Schleiermachers Predig-
    ten in acht und die Schriften der Rahel in drei Bän-
    den; Voltaire und Rousseau in zusammen vierund-
    siebzig Halbfranzbänden friedlich nebeneinander;
    Goethe in einer Ausgabe von 1817; Bulwers »Eugen
    Aram« und »Rienzi« in großem Originalformat und
    Adelungs Wörterbuch in vier mächtigen Schweinsle-
    derbänden. Bescheiden in einer Ecke lehnen zwei der
    berühmtesten Werke Wilhelms von Humboldt selbst
    und führen, in Goldbuchstaben auf Dunkelblau, ihre
    wohlbekannten Titel: »Über die Kawi-Sprache auf
    der Insel Java« und »Über die Verschiedenheit des
    menschlichen Sprachbaus«.
    Neben dem Arbeitszimmer befindet sich das ehema-
    lige Schlafcabinet Wilhelms von Humboldt, in dem er
    am 8. April 1835 starb. Der überaus kleine Raum ist
    gegenwärtig unbenutzt und dient nur zur Aufstellung
    zweier weiblicher Torsen aus parischem Marmor, die
    zur Zeit des ägyptischen Feldzugs (1799) durch ei-
    nen französischen Offizier von Athen nach Rom ge-
    bracht und an den Kunsthändler Antonini daselbst
    verkauft wurden. Von diesem erstand sie Wilhelm
    von Humboldt. Nach dem einmütigen Urteil aller

    1823
    Sachverständigen gehören diese Torsen zu dem
    Schönsten, was wir an weiblichen Körpern von grie-
    chischer Kunst besitzen. Professor Waagen ist der
    Meinung, daß beide einer Gruppe von Grazien ange-
    hören, deren dritten Torso er in der Skulpturen-
    sammlung des Herrn Blundell Weld in der Nähe von
    Liverpool entdeckt zu haben glaubt.

    1. Es scheint zweifelhaft, ob Tegel 1765 durch
    Kauf oder 1766 als Frauengut an den Major von Humboldt kam. Ich finde nämlich anderen Orts, aus ersichtlich guter Quelle, folgen-
    des: »1766 vermählte sich der Ohristwacht-
    meister (Major) von Humboldt mit Marie Eli-
    sabeth, geborne Colomb, verwitwete Frau von
    Hollwede. Aus dieser Ehe wurden Wilhelm und
    Alexander von Humboldt geboren. Die Mutter
    der beiden Brüder war, als Erbtochter des Di-
    rektors Johann Heinrich Colomb, Besitzerin
    von Ringenwalde in der Neumark, Tegel und
    Falkenberg (anderthalb Meilen von Berlin). In
    der Falkenberger Kirche ließ Frau von Hum-
    boldt 1795 ein Erbbegräbnis bauen, in dem
    sowohl sie

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