Wanderungen durch die Mark Brandenburg
zu
gleicher Zeit ein Familiensinn, ein alle Glieder um-schlingendes Liebesband hier anzutreffen war , das, wie in manchem andere, so auch namentlich in der
reichen Ansammlung von Familienportraits einen
sprechenden Ausdruck gefunden hat. Die Zahl dieser
Portraits, mit Umgehung geringfügiger Arbeiten, ist
siebzehn.
Alexander von Humboldt: Zwei große Ölbilder von Steuben und einem Ungenannten, vielleicht Wach
oder Krüger; eine Portraitbüste von Rauch; ein Re-
liefportrait von Friedrich Tieck.
Wilhelm von Humboldt: Eine Büste von Thorwaldsen; ein Relief von Martin Klauer in Rom; ein Kreideportrait von Franz Krüger.
Frau von Humboldt: Ein Ölportrait von Schick; eine Marmorbüste von Thorwaldsen; ein Kreideportrait
von Wilhelm Wach.
Karoline von Humboldt: Ölbild von Schick.
Adelheid von Humboldt: Ölbild von Schick; Marmorstatue (als Psyche) von Rauch.
1831
Gabriele von Humboldt: Ölbild von Schick.
Gustav und Luise von Humboldt: Zwei Büsten von
Rauch.
Therese von Bülow: Büste von Rauch.
Außer den fünf Zimmern, die alle diese Kunstschätze
von Meisterhand enthalten, befinden sich im obern
Stockwerk noch einige andere Räume, die nicht ei-
gentlich zu den Sehenswürdigkeiten des Schlosses
gehören, aber, unter dem Einfluß des Kontrastes, bei
jedem, der zu ihrem Besuch zugelassen wird, ein
lebhaftes Interesse wecken werden. Hier in den
Zimmern, die nach außen hin nichts zu bedeuten,
nichts zu repräsentieren haben, hängen die ersten
Anfänge kurbrandenburgischer Malerkunst wie eben-
so viele grob getuschte Bilderbogen an Wand und
Pfeiler und zwingen selbst dem preußenstolzesten
Herzen ein mitleidiges Lächeln ab. Sinn und Seele
noch tief erfüllt vom Anblick idealer Schönheit, die in hundert Gestalten, und doch immer als dieselbe ei-ne, eben erst zu uns sprach, werden wir, angesichts
dieser blauroten Soldateska, irre an allem, was uns
bis dahin als Aufgabe einer neuen Zeit, als Ziel einer
neuen Richtung gegolten hat, und verlegen treten
wir seitwärts, um des Anblicks von Dreimaster und
Bortenrock nach Möglichkeit überhoben zu sein. Mit
Unrecht. Nicht die Richtung ist es, die uns verdrießt, nur das niedrige Kunstmaß innerhalb derselben. Ein
Modell der Rauchschen Friedrichs-Statue, eine Men-
zelsche Hochkirch-Schlacht würden uns auch viel-
leicht frappiert, aber doch noch im Augenblicke der
1832
Überraschung, durch ihren Eindruck auf unser Ge-
müt, uns ihre Ebenbürtigkeit bewiesen haben.
Wir verlassen nun das Haus und seine bildge-
schmückten Zimmerreihen, um der vielleicht eigen-
tümlichsten und fesselndsten Stätte dieser an Be-
sonderem und Abweichendem so reichen Besitzung
zuzuschreiten – der Begräbnisstätte . Der Geschmack der Humboldtschen Familie, vielleicht auch ein Höheres noch als das, hat es verschmäht, in langen Rei-
hen eichener Särge den Tod gleichsam überdauern
und die Asche der Erde vorenthalten zu wollen. Des
Fortlebens im Geiste sicher, durfte ihr Wahlspruch
sein: »Erde zu Erde.« Kein Mausoleum, keine Kir-
chenkrypta nimmt hier die irdischen Überreste auf;
ein Hain von Edeltannen friedigt die Begräbnisstätte
ein, und in märkisch-tegelschem Sande ruhen die
Mitglieder einer Familie, die, wie kaum eine zweite,
diesen Sand zu Ruhm und Ansehen gebracht.
Zwei Wege führen vom Schloß aus zu diesem inmit-
ten eines Hügelabhangs gelegenen Friedhof hin. Wir
wählen die Lindenallee, die geradlinig durch den Park
läuft und zuletzt in leiser Biegung zum Tannenwäld-
chen hinansteigt. Unmerklich haben uns die Bäume
des Weges bergan geführt, und ehe uns noch die
Frage gekommen, ob und wo wir den Friedhof finden
werden, stehen wir bereits inmitten seiner Einfriedi-
gung, von dicht und wandartig sich erhebenden Tan-
nen nach allen vier Seiten hin überragt. Das Ganze
berührt uns mit jenem stillen Zauber, den wir emp-
1833
finden, wenn wir plötzlich aus dem Dunkel des Wal-
des auf eine Waldwiese treten, über die abwechselnd
die Schatten und Lichter des Himmels ziehen. Die
Bergwand, die den Platz gegen Norden und Osten hin
umlehnt, schützt ihn gegen den Wind und schafft
eine selten unterbrochene Stille. Die Form des Gan-
zen ist ein Oblong, etwa dreißig bis vierzig Schritte
lang und halb so breit. Der ganze Raum teilt sich in
zwei Hälften, in eine Gartenanlage und in den eigent-
lichen Friedhof. Dieser besteht aus einem eingegit-
terten Viereck, an dessen äußerstem Ende sich
Weitere Kostenlose Bücher