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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Eisenbahnbrücken
    durchzogen; am Horizonte grau in grau der Span-
    dauer Turm; unmittelbar vor mir aber ein seltsamer,
    jalousienreicher Bau, rund, mit vier angeklebten fla-
    chen Balkonhäusern und einem kupfernen Dachhelm,
    auf dessen Spitze drei Genien mit Genhimmelhaltung
    eines goldenen Fruchtkorbes beschäftigt waren. Ro-
    koko durch und durch. Im Grundriß ein kurzes Kreuz,
    mit rundem Mittelstück. Dies war das Belvedère . Die drei Genien mit dem Blumenkorb unverkennbar an
    das Marmorpalais erinnernd. Die Tage der Lichtenau
    standen wie auf einen Schlag vor mir: Sentimentali-
    tät und Sinnlichkeit, Schäferspiele und kurze Röck-
    chen, Antonius und Kleopatra. Nur alles trivialisiert.
    Statt des Pharaonenkindes eine Stabstrompetertoch-
    ter.
    Ein Gartenarbeiter, wie ich bald wahrnahm, hatte in
    einem der angeklebten Häuschen ein Unterkommen
    gefunden; es fand sich ein Schlüssel, der eine der
    Haupttüren öffnete. Das Erdgeschoß, einst als Kü-

    1850
    chen- und Wirtschaftsraum benutzt, war interesse-
    los; eine schlank gewundene, von einem sauberen
    Eisengitter eingefaßte Treppe führte in den ersten
    und zweiten Stock. Wir stiegen hinauf. Ich hatte die-
    selbe Empfindung, als ging es hinunter in eine Gruft.
    Abgestorbenes ringsum. Nur mumienhaft erhalten.
    Die Einrichtung beider Stockwerke ist dieselbe: ein
    einziges saalartiges Rundzimmer.
    Der Saal des ersten Stockwerkes ist der reichere;
    der Fußboden parkettiert, die Wände rhombisch ge-
    täfelt mit rotbraunem Pflaumbaumholz. An der wei-
    ßen Decke kristallne Leuchter. Reliefdarstellungen
    aus dem Apollo-und-Diana-Mythus umziehen, halb
    fries-, halb supraportenartig, die obere Rundung,
    während Ottomanen und Polsterstühle, in ihren Leh-
    nen selbst wieder geschweift, dem Rund der unteren
    Boisierung folgen. Zahlreiche Bilder, meist englische
    Stiche nach den Dramen Shakespeares, stehen
    gruppenweis, die Rückseite nach vorn, an den Wän-
    den umher. Die dunkle Täflung, dazu der blaue Moi-
    réstoff, der alle Polster überzieht, geben dem Zim-
    mer einen festlichen, beinah ernsten Charakter.
    Anders der Rundsaal des zweiten Stockes. Hier ist
    dieselbe Art der Ausschmückung, aber ins Heitere
    übertragen. Wie dort Braun und ein tieferes Blau den
    Ton angeben, so lacht hier alles in Weiß und Rot und
    Gold. Konsolen, mit Tongefäßen in gefälliger Form,
    laufen guirlandenartig um die Rundung her, und die
    scharlachnen Seidenüberzüge, als sei es an ihrer
    leuchtenden Pracht nicht genug, haben ihr Rot noch

    1851
    mit bunten Malereien, mit Blumen und Bouquets ge-
    schmückt. Wie im Zimmer des ersten Stocks, so leh-
    nen sich auch hier zwei Balkons und ein Cabinet an
    den Rundbau an; das Cabinet marmoriert und mit
    Wandleuchtern von Goldbronze reich verziert.
    In diesem Cabinette nun, nur durch zwei halb zu-
    rückgeschlagene Gardinen von dem Rundsaal ge-
    trennt, saß König Friedrich Wilhelm II. Es war in den
    ersten Jahren seiner Regierung. Eine Aufführung
    schien sich, mit einer Art von Feierlichkeit, vorzube-
    reiten. Und so war es. In den goldbronzenen Wand-
    leuchtern brannten ein paar Kerzen, aber ihr Licht,
    durch die schweren Gardinen zurückgehalten, fiel nur
    in einzelnen Streifen nach vorn hin in den Saal.
    In diesem herrschte Dämmer. Der König hatte den
    Wunsch ausgesprochen, die Geister Marc Aurels, des
    Großen Kurfürsten und des Philosophen Leibniz er-
    scheinen zu sehen. Und sie erschienen. Wie man
    dabei verfuhr, darüber bericht ich an anderer Stelle.
    Nur dies noch. Dem Könige war gestattet worden,
    Fragen an die Abgeschiedenen zu richten; er machte
    den Versuch, aber umsonst. Es gelang ihm nicht,
    auch nur einen Laut über die bebenden Lippen zu
    bringen. Dagegen vernahm er nun seinerseits von
    den heraufbeschworenen Geistern strenge Worte,
    drohende Strafreden und die Ermahnung, auf den
    Pfad der Tugend zurückzukehren. Er rief mit banger
    Stimme nach seinen Freunden; er bat inständig, den
    Zauber zu lösen und ihn von seiner Todesangst zu
    befreien. Nach einigem Zögern trat Bischofswerder in
    das Cabinet und führte den zum Tod Erschöpften

    1852
    nach seinem Wagen. Er verlangte, zur Lichtenau zu-
    rückgebracht zu werden, ein Wunsch, dem nicht
    nachgegeben wurde. So kehrte er noch während
    derselben Nacht nach Potsdam zurück.
    Das war, wie schon angedeutet, mutmaßlich Anfang
    der neunziger Jahre. Bestimmte Zeitangaben fehlen.
    Von jenem Abend an stand das Belvedère fünfzig
    Jahre lang leer. Es war, als

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