Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
und Unbefangenheit heuchelnd, schreit ich
    an dem Bediensteten vorüber, der sich schließlich,
    seinem Mienenspiele nach, damit beruhigt: Freitag
    ist Besuchstag.
    Asternbeete, Balsaminen; dann vorüber an den Kü-
    beln des Gewächshauses; noch ein Fliesengang, und
    die Breite des eigentlichen Parkes liegt vor mir. An
    der Rückseite des einen Schloßflügels hin stehen die
    Büsten römischer Kaiser, Nero, Titus, Trajan; mir
    zunächst Tiberius. An seiner Nase hängt ein Regen-
    tropfen, fällt ab und erneut sich wieder. Es sieht so
    gemütlich, so einfach-menschlich aus, daß man
    glauben könnte, seine »Wiederhersteller« hätten
    recht.
    Weithin sichtbar laufen die Gänge des Schloßgartens
    bis zum Flusse nieder, parallel mit ihnen ein Wasser-
    becken, halb Graben, halb Teich. Die Alleen sind
    kahl. Nur einzelne Bäume, die windgeschützter stan-
    den, halten noch das je nach der Art in allen Herbs-
    tesfarben spielende Laub fest: die Eiche goldbraun,
    die Birke orangefarben, der Ahorn gelb; aber die
    meisten Blätter fielen ab und liegen an tieferen Stel-

    1847
    len zusammengeweht oder schwimmen auf dem
    Wasser, das uns bis in die Mitte des Parks begleitet.
    Hier biegt das Wasser (der Teichgraben) plötzlich
    rechtwinklig ab und durchschneidet den Weg. Eine
    Brücke führt darüberhin und unterhält den Verkehr
    zwischen den beiden Ufern. Diesseits stand ein Alter
    und harkte das Laub zusammen.
    »Ist dies die Brücke mit der Klingel?«
    »Ja. Aber es kommt keiner mehr.«
    »Ich weiß, Papa. Die alten Moosköpfe sind tot.«
    Er nickte und harkte weiter.
    In der Tat befand ich mich an der vielgenannten
    »Klingelbrücke«, einer ehemaligen Besuchsstation
    des Gartens, die viele Jahre hindurch neben dem
    Mausoleum ihren Platz behauptet hatte. Der ernsten
    Erhebung gab man hier ein heitres Nachspiel. Alles
    drängte herzu; wurde dann die Klingel gezogen, so
    erschienen langsam und gravitätisch, aber immer
    hungrig, die berühmten Mooskarpfen des Charlottenburger Parkes an der Oberfläche. Uralte Bursche,
    wenn ich nicht irre, durch König Friedrich Wilhelm I.
    eigenhändig an dieser Stelle eingesetzt. Ein eigen-
    tümlicher Sport, der darauf hinauslief, Hellinge,
    Milchbrote, Kringel in die immer geöffneten Karp-
    fenmäuler zu werfen, nahm dann seinen Anfang. Er
    erinnerte an Ähnliches im Zoologischen Garten, und

    1848
    man darf sagen: wie sich die Schrippe zum Elefanten
    verhält, so verhielt sich die Semmel zum Karpfen.
    Alte Frauen, nicht viel jünger wie die krokodilartigen
    Ungeheuer der Tiefe, saßen hier sommerlang mit
    ihrem Backwerk und sahen aus, als gehörten sie mit
    dazu. Es hatte etwas Spukhaftes, diese Altersanhäu-
    fung und die Kinderwelt dazwischen.
    Dieser Sport indessen sollte plötzlich ein Ende ha-
    ben. Der Winter 64 kam, das Wasser fror bis auf den
    Boden, die Karpfen suchten zu retirieren, immer tie-
    fer, aber das Eis kam ihnen nach, und eingemauert
    in ihrem Moorgrund, wasser- und luftlos, mußten sie
    ersticken. Als im April das Eis aufging, stiegen sie
    wieder an die Oberfläche, aber tot. Noch am selben
    Tage wurden sie am Ufer begraben. Es waren sechs-
    unddreißig Stück, keiner unter 150 Jahre, keiner un-
    ter vier Fuß; alle trugen sie die Karpfenkrone. »Wir
    haben nun neue eingesetzt«, brummelte der Alte,
    »aber was will das sagen; sie sind wie Steckerlinge.«
    Dieser wohlgemeinte Satz hatte mir Mut gegeben.
    »Ich will nach dem Belvedère, Papa.«
    »Nach 's Belfedehr. Ja, ja, da müssen Sie bis auf die
    Insel. Immer gradaus. Die Fähre geht nicht mehr.
    Aber rechts weg, wo der rote Werft steht, da is 'n
    Steg. Nehmen S' sich in acht; is alles frisch gestri-
    chen mit Teer. Da drüberweg.«
    »Dank schön, Papa.« Damit stapfte ich weiter, durch
    Laub und aufgeweichte Gänge hin, dem Rande des
    Parkes zu, voll wachsenden Dankes gegen den Erfin-

    1849
    der der Gummischuhe. Endlich stand ich an einem
    schmalen, von der Spree her abgezweigten Wasser-
    graben; zwei Pfosten hüben und drüben und ein Tau
    dazwischen zeigten mir, daß dies die Fährstelle sei.
    Nach rechts hin also mußte die Brücke sein. Richtig.
    Der frische Teergeruch ließ keinen Zweifel. Ich
    schritt über die schmale Bohlenlage hin.
    Der Regen ließ einen Augenblick nach und gestattete
    einen Umblick. Ich stand ersichtlich auf einer Insel,
    der magre Boden mit dünnem Gras überzogen, die
    Ufer von blutrotem Werft eingefaßt. Nach Westen hin
    Wiesenland, von Spreearmen und

Weitere Kostenlose Bücher