Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Superintendent hat am Himmel-
fahrtstage mit außerordentlicher Lobeserhebung vom
Könige und seiner Gottesfurcht gesprochen, da er
einen seit zehn Jahren abgeschafften Fasttag wie-
derhergestellt hat. Was doch alles vorkommt!
Den 30. August, nachmittags drei Uhr, traute ich den
Jäger Lindner. Es war wie Jahrmarkt und Puppen-
spiel. Der Roggenkranz hatte Hunderte von Potsda-
mern nach Sacrow gezogen. Die Kirche war so voll,
daß ich kaum mein Plätzchen vor dem Altare behielt;
Toben, Schreien der Kinder, Lachen über meine Wor-
te, alles machte, daß ich mich kurz faßte. Die Braut
war ein Affe; sie zog sich die Handschuh an, anstatt
sich die Hände zu geben. An ebendem Tage hat der
Oberst von Winning auf Glienicke seinem Jäger die
Hochzeit gemacht, auf eine anständige Art. Die Ge-
meinde war aufs Schloß invitieret. Er und sein Sohn
führten den Bräutigam in den Saal, sie und die ältes-
te Tochter die Braut. Es wurde ordentlich gesungen,
geopfert, alles gespeiset.
1940
(1790.) Den ersten Epiphanias hielt ich Abendmahl.
Der Herr Baron von H. ging auch mit, kniete sogar
mit vor dem Altar. Im übrigen war er noch geiziger
wie Graf Hordt. Zu Tische war der Herr Lieutenant
von Öttinger mit. Mamsell war so beredt, wie die
Hausfrau zu sein pflegt. Man nahm es mir recht im
Ernst übel, daß ich meine Tochter nicht mitgebracht
hatte, denn man hatte sie namentlich invitieret.
20. November. In der Berlinischen Zeitung hieß es
heute: »Seine Königliche Majestät haben den einzi-
gen Sohn des verstorbenen Geheimen Legationsrats
und Gesandten am dänischen Hofe, Herrn August
Ferdinand von H., Erbherrn auf Sacrow, aus ganz
besonderen Gnaden und in Rücksicht der von seinen
Voreltern dem königlichen Hause geleisteten distin-
guierten Dienste in den Grafenstand allergnädigst
erhoben. Der Großvater des Grafen mütterlicherseits
war Heinrich Graf von Podewils. Erster Cabinetsmi-
nister, welche Würde er dreißig Jahre bis zu seinem
Tode bekleidet hat.«
(1791.) Am Sonntag Reminiscere, den 20. März, war
der Jäger Lindner betrunken und haselierte mit den
beiden Frauensleuten rechts und links ganz unver-
schämt. Ich ärgerte mich gewaltig und schalt ihn.
Der Jäger wollte mich später zur Rede setzen. Ich
schrieb darüber an die Herrschaft. Den nächsten
Sonntag kamen sie hierher und sagten: »daß sie die
Leute, die den Lärm unterstützt, gerichtlich wollten
bestrafen lassen«. Das ist geschehen. Den Jäger
Lindner hat er ans Regiment abgeliefert, weil er in all den vorgekommenen Fällen als Urheber befunden
1941
worden ist. Sein Intimus Plage hat am Sonntage vor
der Kirchtür etliche Stunden mit einem Zettel vor der
Brust gestanden, rechts und links ein Gerichtsdiener.
Meine Pfarre ist eine beschwerliche Pfarre. Sacrow
(nur Filial) liegt eine Meile ab, auf einer Straße, die niemand bereiset als ich, was denn beim Schnee
desto beschwerlicher fällt, noch dazu, da es durch
die Heide geht, wo der Wind oft sehr zusammendeilt.
Es ist in allem Betracht ein verdrießlich Filial, und
doch muß ich es alle vierzehn Tage bereisen. Gott!
du weißt es, wie ich dann den ganzen Tag über vom
Morgen bis Abend fahren und reden muß, wie sauer
es mir jetzt wird in der Hitze des Sommers, in der
Kälte des Winters. Aber du weißt es auch, Gott, wie
treu ich darin gewesen bin, auch für Sacrow, das
mein Vorgänger nur sah, wenn die Herrschaften da
waren. Und doch achten sie mich gering und versa-
gen mir das Kleinste. Werd ich eine Wandlung erle-
ben? Nein.
1942
Bornstedt
Nun weiß ich auf der Erde
Ein einzig Plätzchen nur,
Wo jegliche Beschwerde
Im Schoße der Natur,
Wo jeder eitle Kummer
Dir wie ein Traum zerfließt
Und dich der letzte Schlummer
Im Bienenton begrüßt.
Waiblinger
Bornstedt und seine Feldmark bilden die Rückwand
von Sanssouci. Beiden gemeinsam ist der Höhenzug,
der zugleich sie trennt: ein langgestreckter Hügel,
der in alten Topographien den Namen »der Galberg«
führt. Am Südabhange dieses Höhenzuges entstan-
den die Terrassen von Sanssouci; am Nordabhange
liegt Bornstedt. Die neuen Orangeriehäuser, die auf
dem Kamme des Hügels in langer Linie sich ausdeh-
nen, gestatten einen Überblick über beide, hier über
die Baum- und Villenpracht der königlichen Gärten,
dort über die rohrgedeckten Hütten des märkischen
Dorfes; links steigt der Springbrunnen auf und glit-
zert siebenfarbig in der Sonne, rechts liegt ein
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