Wanderungen durch die Mark Brandenburg
ersten Male am Galgen
stand, und nun kommt er wieder mit zwei Bestien,
Teller und Dietrich, und machen ein neu Gesang-
1933
buch. Jesu Christi wahre Gott- und Menschheit ver-
leugnen sie. Jesu Leib und Blut im Abendmahl ver-
leugnen sie. Verwerfen die Lehre vom Satan, wollen,
es sei keine Hölle, keine Ewigkeit, da doch die Bibel
dieses alles deutlich beweiset. Verwerfen die alten
Lieder, auch die , welche Lutherus gemacht. Verdrehen, zerstümmeln, zerhacken die alten schönen Lie-
der, daß sie aussehen, als hätten sie die Henkers-
knechte auf ihre Fleischklötze gelegt. Dies alles tun
die drei Höllenbrände: Spalding, Teller, Dietrich. Die-
se drei sind des Teufels Apostel, nebst dem Prediger
Stork (oder Stark). Dieser dumme Mensch gehört
nicht auf die Kanzel, sondern als ein Schulknabe in
die Schule. Er kann die Einsetzungsworte noch nicht
lesen, viel weniger beten; stottert, sooft er eine Pre-
digt tut, aus dem verfluchten neuen Gesangbuche
her. Kann der verfluchte Hund nicht einen Vers aus
dem alten Porst herbeten? So gottlos handeln unsre
verfluchten Geistlichen, davon die drei Bestien:
Spalding, Teller, Dietrich, die drei Heerführer sind.
›Ach Gott im Himmel, sieh darein und laß dich das
erbarmen.‹«
(Es folgen nun kurze Notizen über Acker, Ackerzins
und allerhand Wirtschaftliches aus den Jahren 1782
und 1784. Davon stehe hier nur folgendes: »Im Jah-
re 1782 verkauften meine Kinder ihre gewonnene
Seide. Sie erhielten vierzig Reichstaler zwölf Gro-
schen. In andren Jahren in der Regel nur dreißig
Reichstaler, auch weniger.«)
1785. Eins meiner Hauptleiden ist mein Küster. Vor-
gestern brachte mir sein Söhnlein folgenden Zettel:
1934
» Montag . Wird Gerste geharkt und eingefahren.
Dienstag . Schule gehalten.
Mittwoch . Habe Besuch.
Donnerstag . Zu Markt.
Freitag . Schule gehalten.
Sonnabend . Nach Döberitz.
Weil hiervon nichts abzuändern ist, so werden Sie
diese Woche gütigst als Hundstage ansehn.«
Mein Küster ist ein unausstehlicher Mensch. Soviel
möglich, vermeide ich mündliche Unterredung. Er ist
zu voll, hört nicht wieder auf. Daher schreib ich das
Notwendigste. Der vorstehende Zettel bezieht sich
auf eine Unterredung wegen der Sommerschule. Man
sagt: die Seminaristen der Realschule wären immer
solche Kerls von hohem Nagel. Der »Herr« wird ih-
nen da in Fleisch und Blut verwandelt. Als ich her-
kam, trug er Manschetten. Ich nicht. Nach Jahr und
Tag legte er sie ab. Er wäre der vortrefflichste Rabu-
list geworden. Chef de parti ist er gern und bei jeder
Gelegenheit Rat und Memorialschreiber der Bauern.
Die Frau von Wülknitz sagte mal zu mir: »Ich möchte
gerne meine Turmuhr abändern lassen. Rekomman-
dieren Sie mir doch jemand.« – »Mein Küster ver-
steht sich darauf.« – »Ach, um Gottes Willen, ver-
schonen Sie mich mit dem Menschen! Ich hab ihn
schon hier gehabt. Aber der Kopf hat mir acht Tage
von seinem Geschwätz weh getan.« Übrigens warne
ich meinen einstigen Nachfolger, wenn er je diese
Zeilen liest: alle Leineweber stecken mit dem Küster
unter einer Decke.
1935
1786 am 27. Mai. So hab ich ihn denn erlebt, den
Anfang meines sechsundsechzigsten Jahres, nicht
frisch und munter, aber doch nicht eigentlich krank
oder untätig. Mein Gott, an dich sei mein erster Ge-
danke und mein bester Dank! Aber nun auch noch
eine Bitte: Laß mich, deinen Diener, in Frieden fah-
ren, sobald meine Kräfte nicht mehr hinreichen,
meinen ganzen Beruf selbst zu bestreiten. Ich will
treu arbeiten, solange ich kann, aber wenn das auf-
hört, dann gönne mir meine Bitte und erlöse mich
von dem Übel dieses Daseins auf einmal!
28. Mai. Herr Trappiel, Prediger in Marquardt, ist
erblindet. Noch schaudert meine ganze Seele! Der
Mann, in der ärmsten Lage, der wie ein Tagelöhner
arbeitete, dem jede Witterung gleichviel war – er ist
blind. Ich höre es, erschrecke und schwimme mit
meinem Wagen durch die Wasser des Sipunts nach
Marquardt... O Gott, sende ihm Hilfe! Rühre den Pat-
ron des Orts; er kann , gib ihm Wollen .
29. Mai starb der Geheime Rat Stelter; im Zimmer
des Königs, beim Vortrage, rührte ihn der Schlag. Er
war homme de fortune – aus einem Kammerdiener
Geheimer Rat! Doch hat er großes Lob der Geschick-
lichkeit und Applikation in seinem Posten. Madame
und der Kommerzienrat Damm kannten sich genau.
1787 um Neujahr trat die Fouquésche Familie mit
dem Grafen Hordt in Unterhandlung
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