Wanderungen durch die Mark Brandenburg
See
im Schilfgürtel und spiegelt das darüber hinziehende
weiße Gewölk.
1943
Dieser Gegensatz von Kunst und Natur unterstützt
beide in ihrer Wirkung. Wer hätte nicht an sich selbst
erfahren, wie frei man aufatmet, wenn man aus der
kunstgezogenen Linie auch des frischesten und na-
türlichsten Parkes endlich über Graben und Birken-
brücke hinweg in die weitgespannte Wiesenland-
schaft eintritt, die ihn umschließt! Mit diesem Reiz
des Einfachen und Natürlichen berührt uns auch
Bornstedt. Wie in einem grünen Korbe liegt es da.
Aber das anmutige Bild, das es bietet, ist nicht bloß
ein Produkt des Kontrastes; zu gutem Teile ist es
eine Wirkung der pittoresken Kirche, die, in allen
ihren Teilen deutlich erkennbar, mit Säulengang,
Langschiff und Etagenturm, aus dem bunten Ge-
misch von Dächern und Obstbäumen emporwächst.
Diese Kirche ist eine aus jener reichen Zahl von Got-
teshäusern, womit König Friedrich Wilhelm IV. Pots-
dam gleichsam umstellte, dabei von dem in seiner
Natur begründeten Doppelmotiv geleitet: den Ge-
meinden ein christliches Haus, sich selber einen
künstlerischen Anblick zu gewähren. Auch für
Bornstedt wählte er die Basilikaform.
Über die Zulässigkeit dieser Form, speziell für unser
märkisches Flachland, ist viel hin und her gestritten
worden, und es mag zugestanden werden, daß sie,
samt dem danebengestellten Campanile, vorzugs-
weise ein coupiertes Terrain und nicht die Ebene zur
Voraussetzung hat. Deshalb wirken diese Kirchen in
den flachen und geradlinigen Straßen unserer Resi-
denzen nicht eben allzu vorteilhaft, und der unver-
mittelt aufsteigende, weder durch Baumgruppen
1944
noch sich vorschiebende Bergcoulissen in seiner Linie
durchschnittene Etagenturm tritt – an die Porzellan-
türme Chinas erinnernd – in einen gewissen Wider-
spruch mit unserem christlichen Gefühl. Mit unseren
baulichen Traditionen gewiß! Aber so unzweifelhaft
dies zuzugestehen ist, so unzweifelhaft sind doch
auch Ausnahmen, und eine solche bietet Bornstedt.
Es wird hier ein so malerischer Effekt erzielt, daß wir nicht wissen, wie derselbe überboten werden sollte.
Der grüne Korb des Dorfes schafft eine glückliche
Umrahmung, und während das Hochaufragende des
Etagenturms etwas von dem Poetisch-Symbolischen
der alten Spitztürme bewahrt, wird doch zugleich
dem feineren Sinn eine Form geboten, die mehr ist
als der Zuckerhut unserer alten Schindelspitzen. Der
Ruf dieser hat sich nur, faute de mieux, im Zeitalter
der Laternen- und Butterglockentürme entwickeln
können.
Die Bornstedter Basilika samt Säulengang und Eta-
genturm ist ein Schmuck des Dorfes und der Land-
schaft; aber was doch weit über die Kirche hinaus-
geht, das ist ihr Kirchhof , dem sich an Zahl berühmter Gräber vielleicht kein anderer Dorfkirchhof ver-
gleichen kann. Wir haben viele Dorfkirchhöfe gese-
hen, die um ihres landschaftlichen oder überhaupt
ihres poetischen Zaubers willen einen tieferen Ein-
druck auf uns gemacht haben; wir haben andere
besucht, die historisch den Bornstedter Kirchhof in-
soweit in Schatten stellen, als sie ein Grab haben, das mehr wiegt als alle Bornstedter Gräber zusammengenommen; aber wir sind nirgends einem Dorf-
1945
kirchhofe begegnet, der solche Fülle von Namen auf-
zuweisen hätte.
Es hat dies einfach seinen Grund in der unmittelba-
ren Nähe von Sanssouci und seinen Dependenzien.
Alle diese Schlösser und Villen sind hier eingepfarrt,
und was in Sanssouci stirbt, das wird in Bornstedt
begraben – in den meisten Fällen königliche Diener
aller Grade, näher- und fernerstehende, solche, de-
ren Dienst sie entweder direkt an Sanssouci band,
oder solche, denen eine besondere Auszeichnung es
gestattete, ein zurückliegendes Leben voll Tätigkeit
an dieser Stätte voll Ruhe beschließen zu dürfen. So
finden wir denn auf dem Bornstedter Kirchhofe Ge-
nerale und Offiziere, Kammerherren und Kammer-
diener, Geheime Räte und Geheime Kämmeriere,
Hofärzte und Hofbaumeister, vor allem – Hofgärtner
in Bataillonen.
Der Kirchhof teilt sich in zwei Hälften, in einen alten und einen neuen. Jener liegt hoch, dieser tief. Der
letztere (der neue) bietet kein besonderes Interesse.
Der alte Kirchhof hat den freundlichen Charakter
einer Obstbaumplantage. Die vom Winde abgeweh-
ten Früchte, reif und unreif, liegen in den geharkten
Gängen oder zwischen den Gräbern der Dörfler, die
in unmittelbarer Nähe
Weitere Kostenlose Bücher