Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Folgende:
2039
Friedrich II. erfuhr, daß in Halle ein Professor sei, der Geister zitieren könne. Der König ließ ihn kommen.
Der Betreffende erschien auch, lehnte es aber ab,
Geister erscheinen zu lassen, erklärte vielmehr dem
Könige ganz einfach, wie er dabei zu operieren pfle-
ge. Er sagte: »Ich benutze dazu ein Räucherwerk.
Dies Räucherwerk hat zwei Eigenschaften: 1. den
›Patienten‹ in einen Halbschlaf zu versetzen, welcher
leicht genug ist, ihn alles verstehen zu lassen, was man ihm sagt, und tief genug, ihn am Nachdenken zu verhindern; 2. ihm das Gehirn dergestalt zu erhit-zen, daß seine Einbildungskraft ihm lebhaft das Bild der Worte, die er hört, abmalt. Er ist in dem Zustande eines Menschen, der nach den leichten Eindrü-
cken, die er im Schlaf empfängt, einen Traum zu-
sammensetzt. Nachdem ich in der Unterredung mit
meinem Neugierigen möglichst viele Einzelheiten
über die Person, die ihm erscheinen soll, kennenge-
lernt und ihn nach der Form und den Kleidern ge-
fragt habe, in denen er die zu zitierende Person se-
hen will, lasse ich ihn in das dunkle, mit dem Dunst
des Räucherwerks angefüllte Zimmer treten. Dann –
nach einiger Zeit – spreche ich zu ihm: ›Sie sehen
den und den, so und so gestaltet und gekleidet‹,
worauf sich sofort seiner erregten Phantasie die Ges-
talt abmalt. Hierauf frage ich ihn mit rauher Stimme:
›Was willst du?‹ Er ist überzeugt daß der Geist zu
ihm spricht; er antwortet. Ich erwidere; und wenn er
Mut hat, so setzt sich die Unterredung fort und
schließt mit einer Ohnmacht . Diese letzte Wirkung des Räucherwerks wirft einen mysteriösen Schleier
über das, was er zu sehen und zu hören geglaubt
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hat, und verwischt die kleinen Mängel, deren er sich
etwa erinnern könnte.«
Soweit die Enthüllungen des Professors.
Das dritte Verfahren: »das Hohlspiegelbild auf einer Rauchsäule«, wurde, wenn den betreffenden Überlieferungen Glauben zu schenken ist, vorzugsweise
durch Johann Georg Schrepfer geübt. Dieser in sei-
ner Art merkwürdige Mann bildete die Inkarnation
jenes Lug- und Trugsystems, jener Geheimbündelei,
die, unter großen rätselvollen Phrasen, das Wunder-
tun, die Geisterzitation, den Rapport mit der geisti-
gen Welt in den Vordergrund stellte und, ohne sich
viel mit fortschrittlichen oder rückschrittlichen Ideen aufzuhalten, von der Leichtgläubigkeit der Menschen
lebte. In der Kürze haben wir Schrepfers schon bei
» Marquardt « erwähnt. Wir müssen auch hier wiederholen, daß er höchstwahrscheinlich nicht bloß ein Betrüger war, sondern durch Lesen mystischer und
alchimistischer Schriften, dazu durch eigene Eitelkeit
und fremde Huldigungen schließlich, ohne geradezu
wahnsinnig zu sein, in einen verworrenen Geisteszu-
stand geraten war, der ihn in der Tat an sich glauben machte und ihn namentlich alles für möglich halten ließ. Es ist nicht absolut unwahrscheinlich, daß er
wirklich dachte, ein Paket Papierschnitzel werde sich
ihm zuliebe über Nacht in vollgültige Banknoten ver-
wandeln. Wir geben eine kurze Lebensskizze dieses
Mannes, dessen Leben und Tod charakteristisch ist
für eine spezielle Krankheitserscheinung jener Zeit.
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Johann Georg Schrepfer, 1730 geboren, war anfangs
Kellner in einem Leipziger Gasthause (nach andern
Husar) und war unter die dienenden Brüder einer
dortigen Freimaurerloge aufgenommen worden. Spä-
ter hatte er eine Frau mit einigem Vermögen gehei-
ratet und hielt seitdem eine eigne Schenkwirtschaft
in der Klostergasse. Anfang der siebziger Jahre, viel-
leicht schon etwas früher, begann er auszusprengen,
daß er die Gabe der Geisterbeschwörung habe. Sein Anhang wuchs, darunter Personen von hoher gesellschaftlicher Stellung. Der Herzog von Kurland, Her-
zog Ferdinand von Braunschweig, die Minister Graf
Hohenthal und von Wurmb, der Kammerherr von
Heynitz, Oberst von Fröden, der Geheime Kriegsrat
von Hopfgarten und der Kammerherr von Bischofs-
werder pflogen Umgang mit ihm und besuchten ihn
in seiner Wohnung im Hôtel de Pologne. Daß er, mit
Hilfe des nach ihm genannten Schrepferschen Appa-
rats, wirklich schemenhafte Gestalten erscheinen
ließ, ist gewiß, noch gewisser, daß er in beständigen
Geldverlegenheiten war und die reicheren der vorher
genannten Herren benutzte, um auf ihre Kosten zu
leben. Sie mußten Geld geben, auf daß der Schatz
gehoben werden könne.
Vielleicht daß ihr Vertrauen oder ihre Geduld
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