Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Ant-
wort und empfehle Sie dem Schutz des Unerschaffe-
nen.
2045
N. S. Mein Bruder. Sie haben es mit E-land und Sch-
land richtig getroffen; nur den Sitz des Turmes ha-
ben Sie mir nicht gemeldet. Erhalte ich einen Brief
von Ihrer Hand und Namen, so tue mir der Herr dies
und das, so ich ihn nicht unter meiner eigenen Hand
beantworten will.
Nehmen Sie den Spiegel und sehen nach dem Licht.
Wenn der Blitz fähret, so blendet er, aber dem Wei-
sen ist er klar
wie tausend Jahr.
Joh. Geo. Sch-r,
S. d. E. u. G.«
(Schotte der Erkenntnis und Gewalt)
Daß ein Mann wie Stark durch solchen mit Effronterie
vorgetragenen Galimathias geblendet werden konn-
te, ist nicht anzunehmen, auch kam die Korrespon-
denz über diesen einmaligen Briefaustausch nicht
hinaus. Aber Schrepfer hatte doch das eine Gute
davon, daß er auf das Handschreiben eines in beson-
derem Ordensansehen stehenden, die höchsten Or-
densehren in sich vereinigenden Mannes hinweisen
konnte. Und das genügte ihm. Er suchte neue Mittel
nach, »um den Schatz zu heben«, und Leipzig, das
er so undankbar als »Buhlerin« bezeichnete, gewähr-
te sie immer aufs neue.
Endlich indes, so scheint es, war die Geduld er-
schöpft, die »Erscheinungen« kamen, während der
Schatz beharrlich ausblieb, und Schrepfer empfand 2046
zuletzt, daß seine Situation unhaltbar geworden sei.
Aber wenigstens mit einem Knalleffekt wollte er
scheiden.
An einem der letzten Meßtage, am 7. Oktober 1774,
lud er Bischofswerder und Hopfgarten, nebst noch
zwei anderen, zum Abendessen ein. Als sie beisam-
men waren, sagte er: »Diese Nacht legen wir uns
nicht zu Bett, denn morgen mit dem frühesten, noch
vor Sonnenaufgang, sollen Sie ein ganz neues
Schauspiel zu sehen bekommen. Bis jetzt hab ich
Ihnen Verstorbene gezeigt, die ins Leben zurückge-
rufen wurden; morgen aber sollen Sie einen Leben-
den sehen, den Sie für tot halten werden.« Nach
diesen Worten legte er sich aufs Sofa und schlief
fest. Als der Tag anbrach, stand er auf mit den Wor-
ten: »Nun, meine Herren, ist es Zeit, daß wir ge-
hen«; und alle begaben sich nach dem Rosental.
Schrepfer, der auf dem Wege die vollkommenste
Gemütsruhe zeigte, wies seinen Begleitern, als sie an
einer bestimmten Stelle angelangt waren, ihre Plätze
an, indem er zu ihnen sagte: »Rühren Sie sich nicht
von der Stelle, bis ich Sie rufen werde; ich gehe jetzt in dieses Gebüsch, wo Sie bald eine wunderbare Erscheinung sehen sollen.« Er entfernte sich, und bald darauf fiel ein Schuß; im Dickicht fanden die Herren
ihren Propheten tot. Er hatte sich mit einem Ta-
schenpistol erschossen.
Soviel über Schrepfer, in dem sich die Lug- und
Trug-Geheimbündelei, die ideenlose und karikierte
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Entartung des Ordenswesens verkörperte. Wir haben
in den kurzen Lebensabriß, den wir von ihm gege-
ben, den Briefwechsel zwischen ihm und Dr. Stark
mit besonderem Vorbedacht eingeschoben, um einen
Gegensatz und dadurch zugleich einen Übergang zu
schaffen zu jenen ernsteren Bestrebungen, die, wie befangen auch in Menschlichkeiten, doch ein Prinzip vertraten und zugleich jene Sache selbst waren, von der Schrepfer nur die Karikatur bildete.
Von diesen ernsteren Bestrebungen in dem folgenden Kapitel.
2. Illuminaten und Rosenkreuzer
Ei, Possen, das ist nur zum Lachen;
Sei nur nicht ein so strenger Mann!
Sie muß als Arzt ein Hokuspokus machen.
»Faust«
Der Hang nach Macht , der im absoluten Staate (au-
ßer im Dienste desselben) keine Befriedigung fand,
schuf, so sagten wir, die Geheimbündelei überhaupt;
der Hang nach Freiheit , der im absoluten Staate begreiflicherweise nicht besser fuhr als jener, schuf
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eine besondere Abzweigung, eine ideale Blüte der
Geheimbündelei: den Illuminatenorden . Dieser Orden, auf seinen gedanklichen Kern angesehen, war
kaum etwas anderes als ein modifizierter, vielleicht
ein potenzierter Freimaurerorden, hätte also allen
Anspruch darauf gehabt, neben diesem zu leben und zu wirken, auch wurd in der Tat um 1780 eine Vereinigung beider erstrebt; die besonderen Umstände
aber, unter denen der neue Orden ins Leben trat,
seine Rührigkeit, seine Aggression, seine Übergriffe
führten rasch zu seinem Untergange, nachdem er,
etwa ein Jahrzehnt lang, eine hervorragende politi-
sche Rolle gespielt und sich als ein Repräsentant jener Freiheitsströmung gezeigt hatte, die damals
durch Europa ging.
Der Stifter des Ordens war Adam Weishaupt,
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