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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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be-
    freit; der zweite, den er engagiert, zahlt gleichfalls
    zur Sozietätskasse; für den dritten aber empfängt er monatlich einen Dukaten für sich ; der vierte zahlet ebenmäßig zur Sozietätskasse; für den fünften hingegen empfängt er wiederum einen Dukaten monat-

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    lich für sich; ferner auch für den siebenten, neunten,
    elften, dreizehnten und so fort für jede ungerade
    Zahl monatlich einen Dukaten. Wer also die Gele-
    genheit hat, ein Halbhundert Mitglieder zu dieser
    Sozietät zu engagieren, der bekommt monatlich eine
    Revenue von vierundzwanzig Dukaten.« Dies leuch-
    tete vielen sofort ein. Vor Ablauf eines Jahres hatte
    der Orden bereits 416 Mitglieder, darunter einen Pro-
    tektor, sieben Seniores, einen Kassierer, einen Sec-
    retair, einen Archivar. Die ersten Mitglieder waren
    fast lauter Offiziere der Garnison Wesel, daran
    schlossen sich Zivilpersonen aus Neuwied. In kürzes-
    ter Frist hatte sich der Orden über ganz Deutschland
    ausgebreitet. Er bestand aber nicht lange. Die Regie-
    rungen schritten ein, warnten vor dieser »gefährli-
    chen Sozietät« und verboten dieselbe. In betreff von
    Vergesellschaftungen, die auf Geld und Geldeswert ausgingen, waren die Regierungen immer am wach-samsten.
    Ein anderer Orden, bei dessen Zeremonien die
    »Harmonika« eine große Rolle spielte und den wir
    deshalb den »Harmonikaorden« nennen wollen, hat-
    te im Gegensatz zur »Dukatensozietät« etwas sinn-
    bestrickend Theatralisches und operierte mit dem
    ganzen Apparat einer romantischen Oper. Diesen
    seltsamen Orden lernt man, in seinem Ritual (im
    Gegensatz zu den Statuten), aus einer kleinen Bro-
    schüre kennen, die 1787 in Berlin erschien und aus
    der wir folgendes entnehmen.
    »Sie verschafften mir«, so schreibt der Held und
    Harmonikavirtuose1), »durch Ihre Adresse an

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    Herrn N. eine sehr interessante Bekanntschaft... Die
    Harmonika erhielt seinen ganzen Beifall; auch sprach er von verschiedenen besonderen Versuchen , was
    ich anfänglich nicht recht faßte. Nur erst seit gestern ist mir vieles natürlich.
    Gestern gegen Abend fuhren wir nach seinem Land-
    gute, dessen Einrichtung, besonders aber die des
    Gartens, außerordentlich schön getroffen ist. Ver-
    schiedene Tempel, Grotten, Wasserfälle, labyrinthi-
    sche Gänge und unterirdische Gewölbe usw. ver-
    schaffen dem Auge so viel Mannigfaltigkeit und Ab-
    wechslung, daß man davon ganz bezaubert wird. Nur
    will mir die hohe, dies alles umschließende Mauer
    nicht gefallen; denn sie raubt dem Auge die herrliche
    Aussicht. – Ich hatte die Harmonika mit hinausneh-
    men und Herrn N..z versprechen müssen, auf seinen
    Wink an einem bestimmten Orte nur wenige Augen-
    blicke zu spielen. Um diesen Augenblick zu erwarten,
    führte er mich in ein großes Zimmer im Vorderteil
    des Hauses und verließ mich, wie er sagte, der An-
    ordnung eines Balls und einer Illumination wegen,
    die beide seine Gegenwart notwendig erforderten. Es
    war schon spät, und der Schlaf schien mich zu über-
    raschen, als mich die Ankunft einiger Kutschen stör-
    te. Ich öffnete das Fenster, erkannte aber nichts
    Deutliches, noch weniger verstand ich das leise und
    geheimnisvolle Geflüster der Angekommenen. Kurz
    nachher bemeisterte sich meiner der Schlaf von neu-
    em; und ich schlief wirklich ein. Etwa eine Stunde
    mochte ich geschlafen haben, als ich geweckt und
    von einem Diener, der sich zugleich mein Instrument
    zu tragen erbot, ersucht ward, ihm zu folgen. Da er

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    sehr eilte, ich ihm aber nur langsam folgte, so ent-
    stand daraus die Gelegenheit, daß ich, durch Neu-
    gierde getrieben, dem dumpfen Ton einiger Posau-
    nen nachging, der aus der Tiefe des Kellers zu kom-
    men schien.
    Denken Sie sich aber mein Erstaunen, als ich die
    Treppe des Kellers etwa halb hinuntergestiegen war
    und nunmehr eine Totengruft erblickte, in der man
    unter Trauermusik einen Leichnam in den Sarg legte
    und zur Seite einem weißgekleideten, aber ganz mit
    Blut bespritzten Menschen die Ader am Arme ver-
    band. Außer den hilfeleistenden Personen waren die
    übrigen in langen schwarzen Mänteln vermummt und
    mit bloßen Degen. Am Eingang der Gruft lagen über-
    einandergeworfene Totengerippe, und die Erleuch-
    tung geschah durch Lichter, deren Flamme brennen-
    dem Weingeist ähnlich kam, wodurch der Anblick
    desto schauriger wurde. Um meinen Führer nicht zu
    verlieren, eilte ich zurück. Dieser trat soeben aus
    dem Garten wieder herein, als ich bei der Türe

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