Wanderungen durch die Mark Brandenburg
sagte der
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Kronprinz, dem im übrigen die Vollendung des Baues
sehr am Herzen lag. Alles wurde denn auch derge-
stalt beschleunigt, daß der neue Gutsherr mit seiner
Gemahlin schon im Jahre 1796 einige Tage in Paretz
zubringen konnte. Um dieselbe Zeit waren Parkanla-
gen in Angriff genommen worden, und zwar durch
den neu angestellten Hofgärtner David Garmatter,
einen Erbpächtersohn der nahen Schweizerkolonie
Neu Töplitz, der seine Aufgabe mit ziemlichem Ge-
schick löste und, Natur und Kunst vereinend, in den
drei durch Landstraßen umschlossenen Parkanlagen
eine bescheidene Nachahmung der Gärten von Klein-
Trianon versuchte.
Wohlangebrachte Durchblicke ließen die landschaftli-
che Fernsicht über die üppigen Havelwiesen und
Seen nach den bewaldeten Höhen von Phöben und
Töplitz hin frei. An einer anderen Stelle schweifte der Blick nach dem romantisch gelegenen Uetz, bis weiter hinaus zu den Höhen von Potsdam. Von anderen
Standpunkten aus blickte man über die sich schlän-
gelnde Havel nach der Stadt Werder und dem Wild-
park und zur Rechten, tief in die flache Zauche hin-
ein, bis an die Wälder des Klosters Lehnin. Dazu ü-
berraschten an geeigneten Punkten kleine bauliche
Anlagen: Tempel und Pavillons, Moos- und Muschel-
grotten. Auch die Dorfschmiede, an einer Durchsicht
erbaut, täuschte durch eine gotische Façade mit
Spitzbogenfenstern. Außerdem wurde ein Fasanerie-
wäldchen angelegt und vor und hinter dem Landhau-
se ein bowling-green mit Blumenbouquets.
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So war ein Sommerschloß gewonnen, anmutig, hell,
geräumig; aber in allem übrigen von einer Aus-
schmückung, die heutzutage kaum noch den Ansprü-
chen eines Torflords genügen würde. 1797 erfolgte
die Renovierung der Kirche, drei Jahre später der
Neubau des Dorfes, wobei zugleich festgesetzt wur-
de, daß die im Giebel jedes Hauses befindliche Stube
jederzeit für die königliche Dienerschaft, ebenso ein
auf jedem Gehöft erbauter Pferdestall für die herr-
schaftlichen Pferde reserviert bleiben müsse.
Seit 1797 war der Kronprinz König.
In diesem also umgeschaffenen Paretz, das bei
Freunden und Eingeweihten alsbald den schönen
Namen »Schloß Still-im-Land« empfing, erblühten
dem Königspaare Tage glücklichsten Familienlebens.
Die Familie und die Stille waren der Zauber von Pa-
retz.
Diesen Zauber empfand die Königin, die wir gewohnt
sind uns neben dem einsilbigen Gemahl als das ge-
sprächigere, den Zerstreuungen zugeneigtere Ele-
ment zu denken, fast noch lebhafter als dieser. Sie
selbst äußerte sich darüber: »Ich muß den Saiten
meines Gemüts jeden Tag einige Stunden Ruhe gön-
nen, um sie gleichsam wieder aufzuziehen, damit sie
den rechten Ton und Anklang behalten. Am besten
gelingt mir dies in der Einsamkeit; aber nicht im
Zimmer, sondern in den stillen Schatten der Natur.
Unterlaß ich das, so fühl ich mich verstimmt. O welch
ein Segen liegt doch im abgeschlossenen Umgange
mit uns selbst!«
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Zu diesem »Umgange mit sich selbst« war nun
»Schloß Still-im-Land« der geeignetste Platz, keine
Straße führte vorüber, die Ruhe, wenn man sie ha-
ben wollte, war beinahe unbedingt; aber man ließ sie
gern durch die Heiterkeit des Dorfes unterbrechen.
So wurde das Erntefest von seiten des Hofes alljähr-
lich mitgefeiert. Wir finden darüber folgende Auf-
zeichnungen. »Das Fest begann am frühen Nachmit-
tag. Sobald die Herrschaften sich von der Tafel erho-
ben hatten, setzten sich die festlich angetanen
Schnitter und Schnitterinnen vom Amte aus in Be-
wegung. Geschart um ihr Feldbanner, den reichbe-
bänderten Kranz von Ähren und Blumen, marschier-
ten sie nach dem Takte der Dorfmusik aufs Schloß.
Dort auf dem freien Platze hielt der Zug und stellte
sich im Halbkreis auf. Der königliche Gutsherr trat
heraus, hörte die an ihn gerichtete Rede der Groß-
magd an und schickte die Sprecherin sodann mit der
Erntekrone hinein ins Schloß. Nun zeigte sich auch
die Königin, und mit dem Erscheinen der ›gnädigen
Frau von Paretz‹ begann der Tanz. Das königliche
Paar mischte sich in die Reihen der Landleute, die
Herren und Damen folgten, und sogar die Frau O-
berhofmeisterin (Frau von Voß) konnte nicht umhin,
auf diesem bal champêtre mitzuwirken.
Den ersten Tanz spielten die Dorfmusikanten, den
zweiten die Garde-Hautboisten aus Potsdam; Bur-
sche und Mädchen tanzten sich außer Atem; dann
gliederte sich der Zug von neuem
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