Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Schuldig-
keit. Die Taxe war niedrig; ich gab ihm ein Stück
Geld, etwa das Fünffache. Er nahm es, sagte nichts
und erwiderte meinen »Guten Abend« durch ein
Geknurr, das über seine Enttäuschung keinen Zweifel
ließ. Die Fährleute sind ein eigen Geschlecht und
haben ihren eigenen Artigkeitskodex.
2070
Ich schritt nun die Querallee hinauf, kreuzte die
Dorfstraße und erstieg den Mühlenberg, hinter des-
sen Kamm, bereits erblassend, die Abendröte stand.
Ein schwacher rötlicher Schimmer säumte nur noch
den Himmel gegenüber. Das Dorf, die Wublitz waren
still; im Fährhaus schimmerte ein Licht, die Schwäne
sammelten sich am Schilf, die Abendglocke klang in
langsamen Schlägen über Uetz hin.
Du schönster Ort im ganzen Havelland,
Wer könnte je dich ungerührt verlassen!
Paretz
I
Die Stätte, die ein guter Mensch betrat,
Ist eingeweiht; nach hundert Jahren klingt
Sein Wort und seine Tat dem Enkel wieder.
»Tasso«
Von Uetz nach Paretz ist noch eine gute halbe Meile.
An einem Sommernachmittag ein entzückender Spa-
ziergang. Der Weg führt durch Wiesen rechts und
links; der Heuduft dringt von den Feldern herüber,
und vor uns ein dünner, sonnendurchleuchteter Ne-
bel zeigt die Stelle, wo die breite, buchten- und
seenreiche Havel fließt. Paretz selbst verbirgt sich bis 2071
zuletzt. Nun endlich wird der Weg ein aufgeschütte-
ter Damm, an die Stelle der Obstbäume, die uns bis-
her begleiteten, treten hohe Pappeln, überall die
spalierbildende Garde königlicher Schlösser, und als-
bald, über eine zierliche Brücke hinweg, die den Na-
men »Infantenbrücke« trägt, beschreiten wir die
Dorfstraße. Diese führt mitten durch den Park, macht
eine Biegung, verbreitert sich, und – wir sind am
Ziel: links das Schloß, ein langgestreckter, schmuck-
loser Parterrebau mit aufgesetztem niedrigen Stock,
rechts eine Gruppe alter Eichen und ihnen zur Seite
die gotische Kirche des Dorfs. Über die Straße hin
grüßen sich beide, in ihrer Erscheinung und in ihrem
Eindruck so verschieden wie die Zeiten, denen sie
angehören. Die Poesie fällt der älteren Hälfte zu.
Es ist um die fünfte Stunde. Eine Schwüle liegt in der
Luft; selbst das Pappellaub, das immer plaudert, ist
still; das Schloß blickt uns an wie verwunschen; sei-
ne Läden sind geschlossen. Nur der Vorgarten, mit
kleinen gezirkelten Beeten, hier mit Aurikeln, dort
mit Reseda eingefaßt, liegt offen da. Wir treten ein.
Der seltene Besuch hat Neugierige herbeigelockt, der
Schloßdiener kommt, zuletzt er , der diesen Platz zu hüten hat – der Hofgärtner. Er begrüßt uns. Erhitzt
vom Marsch, sprechen wir den Wunsch aus, uns erst
wieder frisch machen zu dürfen, ehe wir in die
dumpfe Kühle des Schlosses eintreten. So nehmen
wir denn Platz auf einer Sommerbank und plaudern.
Paretz ist alt-wendisch. Die Nachrichten sind sehr
lückenhaft. Es gehörte ursprünglich zur Kirche von
Ketzin, kam dann in den Besitz der Arnims und Diri-
2072
ckes, welch letztere es 1658 an die Familie Blumen-
thal veräußerten. Die Blumenthals, später freiherrlich
und gräflich, saßen hier in drei Generationen, bis
Obristlieutenant Hans August von Blumenthal es
1795 an den damaligen Kronprinzen, spätren König
Friedrich Wilhelm III., verkaufte. Es entsprach ganz
den gestellten Bedingungen und Wünschen.
Paretz von 1796 bis 1806
Diese Wünsche gingen vor allem auf Stille, Abge-
schiedenheit. Sehr bald nach seiner Vermählung hat-
te sich der Kronprinz Schloß Oranienburg zum Auf-
enthalt ausersehen, dessen landwirtschaftlicher Cha-
rakter, beiläufig bemerkt, eine große Verwandtschaft
mit dem von Paretz zeigt. Aber das Schloß daselbst –
damals noch viel von der Pracht aufweisend, die ihm
Kurfürst Friedrich III. gegeben hatte – war ihm viel
zu groß und glänzend, und so kam ihm die Nachricht
überaus erwünscht, daß das stille Paretz, das er zu-
fällig aus seinen Kindertagen her kannte (Obristlieu-
tenant von Blumenthal war damals Prinzengouver-
neur gewesen), zu verkaufen sei. General von Bi-
schofswerder, von dem benachbarten Marquardt aus,
machte den Vermittler, das Geschäftliche wurde
schnell erledigt, und unter des Hofmarschalls von
Massow Aufsicht begann der Abbruch des alten
Wohnhauses und der Aufbau des neuen Schlosses.
Dieser erfolgte, nach einem Plane des Oberbaurats
Gilly, in »ländlichem Stile«. »Nur immer denken, daß
Sie für einen armen Gutsherrn bauen«,
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