Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Schelling, Hegel, Schlegel,
Tieck«, so schreibt er, »und wie die sich wich-
tig dünkenden Männer und Männchen weiter
heißen, preisen sich zwar fleißigst einer den
andern und sprechen von allen Philosophen
und Dichtern, welche nicht zu ihrer geheilig-
ten Kirche gehören, sowie auch von der ge-
sunden Vernunft und Aufklärung aufs ver-
ächtlichste. Aber auch das Verachten will
nicht gelingen... Sie versichern daher, die
Entdeckung gemacht zu haben, daß Fichte
und Schelling, ob sie gleich, leider! schon an-
fangen voneinander zu differieren (wie uns
Herr Hegel, ein neulichst berühmt werden
wollender Philosoph, in einer besondere
Schrift des breiteren auseinandersetzt), den-
noch die einzigen Philosophen sind, denen,
auch wenn sie nicht übereinstimmen, allein
das wahre Wissen vom Subjekt-Objekte ge-
bührt. Ferner noch haben diese Herren durch
ihre intellektuelle Anschauung deutlich er-
kannt, daß Wieland und Klopstock keine Dich-
ter sind, hingegen Friedrich Schlegel und
Ludwig Tieck Dichter vom größten Genie!« –
So eifert Nicolai über viele Seiten hin. An ei-
ner anderen Stelle zieht er direkt Parallelen
zwischen den Rosenkreuzern einerseits und
2064
Fichte-Schelling anderseits und findet, daß die
Philosopheme beider sich als »gleich unge-
reimt« erweisen. All das ging ihm eben über
Kraft und Verständnis.
Uetz
Wie reizend sind, du schönes Dörfchen Uetz,
Heut deiner Gärten Äpfelblütenreiser,
Dein gotisch Kirchlein, deiner Fischer Kiez,
Dein Pfarrgehöfte, deine Bauerhäuser...
Die Pferde sind zur Rückfahrt angespannt,
Vom Felde treibt der Kuhhirt durch die Gassen –
Du schönster Ort im ganzen Havelland,
Wer könnte je dich ungerührt verlassen!
»Du schönster Ort im ganzen Havelland«, unter die-
sem Anruf nimmt unser märkischer Poet par excel-
lence, unser vielbespöttelter Schmidt von Werneu-
chen, von jenem stillen Haveldorfe Abschied, dessen
etwas seltsam klingenden Namen wir an die Spitze
dieses Kapitels gestellt haben.
»Du schönster Ort« – wir wollen es, auf die Autorität
unseres Freundes hin, glauben. Aber ob der schönste
oder nicht, der stillste gewiß. Die Natur hat es so
gewollt.
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Die Havel, die auf ihrem Mittellaufe überall Seen und
Buchten bildet, streckt an dieser Stelle eine sackgas-
senartige Abzweigung, die »Wublitz«, tief ins Land
hinein und bildet dadurch eine Wassergabel, die das
von drei Seiten her umschlossene Stück Land zu ei-
ner Halbinsel macht. Auf dieser Halbinsel, tief inner-
halb der Gabel, liegt unser Uetz, das, um ebendieser
Lage willen, nur mit Hülfe einer Fähre oder aber auf
weiten Umwegen erreicht werden kann. Beides ein
Hindernis im Verkehr.
Eine kurze Zeit hindurch schien es, als sollte das stil-le Dorf mit in die Welt, von der es sonst abgeschlos-
sen liegt hineingezogen werden. Das war zu Ende
des vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts, wo
das eine halbe Meile von Uetz gelegene Paretz, sozu-
sagen die Hauptstadt dieser kleinen Halbinsel, in den
Besitz König Friedrich Wilhelms III. überging. Um
diese Zeit – der König wählte immer den Wasserweg
– wurde Uetz zu einer vielgenannten Fährstelle. Der
Fischer, der den Dienst versah, hatte seine goldnen
Tage; an die Stelle der alten Fährmannshütte trat ein
reizendes Haus im Schweizerstil, betreßte Röcke
spiegelten sich im dunklen Wublitz-Wasser, und die
Dorfstraße entlang, in der bis dahin bei Regenwetter
die Dungwagen steckengeblieben waren, schaukelten
sich jetzt die königlichen Kutschen. Das war
bis 1810. In den zwanziger und dreißiger Jahren fla-
ckerte es noch einmal auf, dann erlosch es ganz.
Uetz war wieder das »stillste Dorf im ganzen Havel-
land«.
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Solchem stillsten Platze zuzuschreiten, wie wir jetzt
tun, hat immer einen besonderen Reiz. Die Nauener
Chaussee, die wir halten, läuft parallel mit der
Wublitz, und je nach den Sattlungen des Weges
schwindet Uetz und erscheint wieder; immer neue
Verschiebungen treten ein, und bald hinter hohen
Pappeln, bald hinter Weiden hervor schimmert das
goldene Kreuz seiner Kirche. Unser Weg hat uns
endlich bis in die Höhe des Dorfes geführt, und nach
links hin einbiegend, stehen wir nach einem kurzen
Marsch am Ufer des mehrgenannten Havelarms, der
sich selbst und seinen Zauber bis dahin vor uns
verbarg. Drüben liegt das Fährhaus. Aber der Blick
nimmt uns so gefangen, daß wir unser »Hol über!«
unterlassen und
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