Wanderungen durch die Mark Brandenburg
zwischen ausgespannten Netzen auf
einem umgestülpten Kahne Platz nehmen, um das
Bild auf uns wirken zu lassen.
In Terrassen baut es sich auf: zuunterst der Fluß, tief und still und mit den breiten Blättern der Teichrose
überdeckt; dahinter ein Schilfgürtel, dann Obstgär-
ten, dann über diese hoch hinaus die alten Ulmen
der Dorfgasse, und wieder hinter den Ulmen, am
Abhang aufsteigend, die weißen Häuschen des Dor-
fes, das Ganze gekrönt von zwei altmodischen
Windmühlen, die, von dem bastionartigen, gründos-
sierten Mühlenberge aus, den Vordergrund überbli-
cken und ihre Flügel so lustig drehen, als freuten sie
sich der Umschau, die sie halten.
Die Längslinie des Bildes folgt dem Uferrande drü-
ben, der zugleich der Hauptgasse des Dorfes ent-
spricht. Das Treiben dieser von Busch- und Baum-
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werk dicht eingefaßten Gasse entzieht sich unserem
Auge; überall da aber, wo breite Querlinien die
Längslinie durchbrechen, entsteht ein heller Fleck im
Dunkel, und das ganze sich fortbewegende Treiben
drüben erscheint in dieser Lichtung und schwindet
wieder. Die Entfernung ist groß genug, um jeden
Lärm zu verschlingen, und so kommen die Bilder und
gehen wieder wie auf der glatten Fläche einer Came-
ra obscura. Jetzt Schnitter, die Harke und Sense ü-
ber die Schulter gelegt, vom Felde heimwärts keh-
rend, jetzt Kiepen tragende Frauen, jetzt hochbela-
dene Heuwagen, deren helleres Grün in dem Dun-
kelgrün der Baumkronen schwerfällig hin und her
schwankt.
Die Sonne, die eben noch wie ein Glutball über dem
Windmühlenberge gestanden hatte, sank jetzt tiefer
und ließ die Wandfläche der Mühle wie einen dunklen
Schatten erscheinen, den ein rotgoldener Schimmer
nach allen Seiten hin umgab. Und dieser Schimmer,
sich Bahn brechend durch die Baumwelt des Vorder-
grunds, fiel jetzt auch auf die breite Fläche der
Wublitz, und wo ein Schwan durch diesen glühenden
Streifen hindurchfuhr, da überzog es sein Gefieder
wie flüchtige Röte, die der nächste Augenblick wieder
von ihm streifte. Wohl mochten hier die Mummeln
blühen, als wäre die Wublitz ein Blumenbeet, denn
es war ein Bild wie hergeliehen aus einem Feengar-
ten.
Minutenlang sah ich still in diesen Zauber hinein,
dann richtete ich mich auf und rief mein »Hol über!«
über die Wasserfläche hin. Aber der Ruf schien in
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dieser Stille zu verklingen. Nichts regte sich drüben,
und schon war meine ganze Naturbewunderung in
Gefahr, im Ärger über den Fährmann unterzugehen,
als es drüben lebendig zu werden begann. Eine ha-
gere, mittelgroße, nach Wendenart in graue Lein-
wand gekleidete Gestalt trat aus dem Fährhaus,
machte eine Handbewegung, die unverkennbar aus-
drücken sollte, »ich möchte mich nur ruhig verhal-
ten«, und löste dann langsam und mürrisch, soweit
sich das aus seiner Haltung erkennen ließ, einen
Kahn vom Ufer und schob ihn, ohne Ruder, an einem
zwischen beiden Ufern ausgespannten Taue von drü-
ben zu mir herüber.
Als der Kahn auflief, blieb sein Insasse stehen und
sah mich an. Ich ihn auch. Endlich gewann er's über
sich und bot mir »Guten Abend«. Nach dieser Kon-
zession von seiner Seite, denn so schien er es aufzu-
fassen, glaubte auch ich ein Übriges tun zu müssen.
So entspann sich denn, während der Kahn langsam
wieder zurückglitt, folgende Unterhaltung:
»Guten Abend, Fährmann. Geht's Geschäft?«
»I, wie wird's denn gehn?«
»Na, ich sollte doch meinen. Da sind erst die Uet-
zer...«
»Die fahren umsonst.«
»Und dann all die Dörfer, die hier hinten liegen...«
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Er schüttelte griesgrämig den Kopf, beschrieb mit
der Hand nach Norden hin eine Kurve und brummte:
»Alles rum, immer rum!«
»Aber die Phöbener und Paretzer werden doch nicht
über Falkenrehde fahren? Das ist ja die Meile sieben
Viertel!«
»Das ist es. Aber was ein richtiger Bauer is, der geht
nich übers Wasser.«
»Weil's ihm zu unsicher ist?«
»Nich doch. Es is ihm bloß sicher, daß der Fährmann
sein Fährgeld kriegt. Das zahlt kein Bauer, wenn er
nich muß. Und er muß nich. Eine Meile oder zwei,
ihm ist's all' eins. Er braucht sie nich zu laufen. Er nimmt seine Peitsche, knipst und ruft seinen Gäulen
zu: ›Der Hafer is teuer heut; verdient ihn euch!‹ Und
der Uetzer Fährmann – na, der mag sehen, wo er
seine Pacht hernimmt.«
Die Spitze des Kahns war jetzt auf dem Trockenen;
ich sprang hinaus und fragte nach meiner
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