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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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zwischen ausgespannten Netzen auf
    einem umgestülpten Kahne Platz nehmen, um das
    Bild auf uns wirken zu lassen.
    In Terrassen baut es sich auf: zuunterst der Fluß, tief und still und mit den breiten Blättern der Teichrose
    überdeckt; dahinter ein Schilfgürtel, dann Obstgär-
    ten, dann über diese hoch hinaus die alten Ulmen
    der Dorfgasse, und wieder hinter den Ulmen, am
    Abhang aufsteigend, die weißen Häuschen des Dor-
    fes, das Ganze gekrönt von zwei altmodischen
    Windmühlen, die, von dem bastionartigen, gründos-
    sierten Mühlenberge aus, den Vordergrund überbli-
    cken und ihre Flügel so lustig drehen, als freuten sie
    sich der Umschau, die sie halten.
    Die Längslinie des Bildes folgt dem Uferrande drü-
    ben, der zugleich der Hauptgasse des Dorfes ent-
    spricht. Das Treiben dieser von Busch- und Baum-

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    werk dicht eingefaßten Gasse entzieht sich unserem
    Auge; überall da aber, wo breite Querlinien die
    Längslinie durchbrechen, entsteht ein heller Fleck im
    Dunkel, und das ganze sich fortbewegende Treiben
    drüben erscheint in dieser Lichtung und schwindet
    wieder. Die Entfernung ist groß genug, um jeden
    Lärm zu verschlingen, und so kommen die Bilder und
    gehen wieder wie auf der glatten Fläche einer Came-
    ra obscura. Jetzt Schnitter, die Harke und Sense ü-
    ber die Schulter gelegt, vom Felde heimwärts keh-
    rend, jetzt Kiepen tragende Frauen, jetzt hochbela-
    dene Heuwagen, deren helleres Grün in dem Dun-
    kelgrün der Baumkronen schwerfällig hin und her
    schwankt.
    Die Sonne, die eben noch wie ein Glutball über dem
    Windmühlenberge gestanden hatte, sank jetzt tiefer
    und ließ die Wandfläche der Mühle wie einen dunklen
    Schatten erscheinen, den ein rotgoldener Schimmer
    nach allen Seiten hin umgab. Und dieser Schimmer,
    sich Bahn brechend durch die Baumwelt des Vorder-
    grunds, fiel jetzt auch auf die breite Fläche der
    Wublitz, und wo ein Schwan durch diesen glühenden
    Streifen hindurchfuhr, da überzog es sein Gefieder
    wie flüchtige Röte, die der nächste Augenblick wieder
    von ihm streifte. Wohl mochten hier die Mummeln
    blühen, als wäre die Wublitz ein Blumenbeet, denn
    es war ein Bild wie hergeliehen aus einem Feengar-
    ten.
    Minutenlang sah ich still in diesen Zauber hinein,
    dann richtete ich mich auf und rief mein »Hol über!«
    über die Wasserfläche hin. Aber der Ruf schien in

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    dieser Stille zu verklingen. Nichts regte sich drüben,
    und schon war meine ganze Naturbewunderung in
    Gefahr, im Ärger über den Fährmann unterzugehen,
    als es drüben lebendig zu werden begann. Eine ha-
    gere, mittelgroße, nach Wendenart in graue Lein-
    wand gekleidete Gestalt trat aus dem Fährhaus,
    machte eine Handbewegung, die unverkennbar aus-
    drücken sollte, »ich möchte mich nur ruhig verhal-
    ten«, und löste dann langsam und mürrisch, soweit
    sich das aus seiner Haltung erkennen ließ, einen
    Kahn vom Ufer und schob ihn, ohne Ruder, an einem
    zwischen beiden Ufern ausgespannten Taue von drü-
    ben zu mir herüber.
    Als der Kahn auflief, blieb sein Insasse stehen und
    sah mich an. Ich ihn auch. Endlich gewann er's über
    sich und bot mir »Guten Abend«. Nach dieser Kon-
    zession von seiner Seite, denn so schien er es aufzu-
    fassen, glaubte auch ich ein Übriges tun zu müssen.
    So entspann sich denn, während der Kahn langsam
    wieder zurückglitt, folgende Unterhaltung:
    »Guten Abend, Fährmann. Geht's Geschäft?«
    »I, wie wird's denn gehn?«
    »Na, ich sollte doch meinen. Da sind erst die Uet-
    zer...«
    »Die fahren umsonst.«
    »Und dann all die Dörfer, die hier hinten liegen...«

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    Er schüttelte griesgrämig den Kopf, beschrieb mit
    der Hand nach Norden hin eine Kurve und brummte:
    »Alles rum, immer rum!«
    »Aber die Phöbener und Paretzer werden doch nicht
    über Falkenrehde fahren? Das ist ja die Meile sieben
    Viertel!«
    »Das ist es. Aber was ein richtiger Bauer is, der geht
    nich übers Wasser.«
    »Weil's ihm zu unsicher ist?«
    »Nich doch. Es is ihm bloß sicher, daß der Fährmann
    sein Fährgeld kriegt. Das zahlt kein Bauer, wenn er
    nich muß. Und er muß nich. Eine Meile oder zwei,
    ihm ist's all' eins. Er braucht sie nich zu laufen. Er nimmt seine Peitsche, knipst und ruft seinen Gäulen
    zu: ›Der Hafer is teuer heut; verdient ihn euch!‹ Und
    der Uetzer Fährmann – na, der mag sehen, wo er
    seine Pacht hernimmt.«
    Die Spitze des Kahns war jetzt auf dem Trockenen;
    ich sprang hinaus und fragte nach meiner

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